Pulmonale Toxizität: Toxische Alveolitis unter Nivolumab
Pulmonale Toxizität: Toxische Alveolitis unter Nivolumab

Artikel • Risiken & Nebenwirkungen

Immuntherapie kann zu Veränderungen in der Lunge führen

Unspezifische Muster wie bei interstitiellen Lungenerkrankungen können die möglichen Folgen einer Immuntherapie sein. Der Radiologe sollte daher wissen, dass er es mit einem Krebspatienten zu tun hat.

Bericht: Michael Krassnitzer

portrait of oliver sedlaczek
Dr. Oliver Sedlaczek ist Oberarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Heidelberg

© Foto des Klinikfotographen

Immuntherapien sind neue und vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten in der Onkologie. Dabei kommen Antikörper zum Einsatz, die jene Mechanismen blockieren, die Tumoren nutzen, um das Immunsystem in seiner Funktion zu unterdrücken. Diese Therapie kann freilich auch Nebenwirkungen zeitigen. Bei der immuntherapeutischen Behandlung von Lungenkrebs können die Tumortherapeutika, ähnlich wie die Chemotherapie, zu einer Lungentoxizität führen. „Mutmaßlich fünf Prozent der Patienten entwickeln eine therapierelevante Toxizität“, gibt Dr. Oliver Sedlaczek, Oberarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Heidelberg, den aktuellen, noch rudimentären Wissensstand wieder. Anzeichen für eine Lungentoxizität sind sehr heterogene Muster, wie sie von interstitiellen Lungenerkrankungen bekannt sind. 

Am häufigsten sind Muster, die einer kryptogen organisierenden Pneumonie (COP) gleichen. Andere gleichen der Akuten Interstitiellen Pneumonie (AIP), andere wiederum der nichtspezifischen interstitiellen Pneumopathie (NSIP), die auch typisch für die Toxizität bei Chemotherapie ist. „Diese Muster sind nicht besonders spezifisch und werden selbst von erfahrenen Radiologen oft als leichter Infekt gedeutet“, sagt Sedlaczek. Das kann zum Problem werden, denn Lungentoxizität unter einer Immuntherapie ist mit einem hohen Risiko verbunden: Bei einer Registerstudie, die im Rahmen der Einführung der Checkpoint-Inhibitoren in Japan durchgeführt wurde, haben von 155 Toxizitäten nicht weniger als 30 nachweislich zum Tode des Patienten geführt.

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Wenn man nur diese Bilder betrachtet, bekommt man nicht den Eindruck, dass es sich um einen schwerkranken Patienten handelt

Oliver Sedlaczek

Die Herausforderung dabei ist nicht die Detektion der entsprechenden Muster, sondern deren Zuordnung. Daher ist es von großer Bedeutung, dass dem Radiologen mitgeteilt wird, dass ein Patient unter Immuntherapie steht. Bisher herrsche der Irrglaube, der Radiologe sehe alles und brauche keine zusätzliche Information, warnt Sedlaczek: „Das gilt aber nur eingeschränkt. Wenn man zum Beispiel nicht weiß, dass der Patient eine Immuntherapie erhält, kann man die Zeichen einer Lungentoxizität auch nicht als solche erkennen.“ In seinem Vortrag beim Bayerischen Röntgenkongress zeigt der Heidelberger Radiologe unter anderem Bilder eines Patienten, der an den Folgen der Lungentoxizität verstorben ist: „Betrachtet man nur diese Bilder, bekommt man nicht den Eindruck, dass es sich um einen schwerkranken Patienten handelt.“

Pulmonale Toxizität: COP unter Nivolumab vor (links) und 4 Wochen nach Beginn...
Pulmonale Toxizität: COP unter Nivolumab vor (links) und 4 Wochen nach Beginn einer Therapie mit Steroiden (rechts)

Neben den genannten typischen Veränderungen in der Lunge, die bei der immuntherapeutischen Behandlung von Lungenkrebs auftreten können, gibt es auch die atypischen. Die bekannteste davon ist der Pseudoprogress: Dabei nimmt der Tumor an Größe zu, obwohl mittelfristig die Behandlung gut anschlagen würde. „Ein Pseudoprogress kommt beim Bronchialkarzinom, etwa im Vergleich zum malignen Melanom, nur selten vor – bei ungefähr zwei Prozent der Patienten“, weiß Sedlaczek. Trotzdem müsse man an diese Möglichkeit denken, betont er. Radiologisch kann der Pseudoprogress nicht von einem tatsächlichen Progress des Tumors unterschieden werden.

Zu weiteren atypischen Veränderungen in der Lunge unter einer Immuntumortherapie zählt das Auftreten von bislang kontrollierten Autoimmunerkrankungen. „Die Immuntherapie ist ja ein Booster des Immunsystems“, erklärt Sedlaczek: „Das kann dazu führen, dass präexistente subklinische Autoimmunerkrankungen aktiviert werden.“ Ein Beispiel dafür ist die sarkomatoide Reaktion, die zwar vor allem bei der Therapie des Melanoms auftreten kann, in seltenen Fällen jedoch auch bei der Immuntherapie des Bronchialkarzinoms.

Profil:

Dr. Oliver Sedlaczek ist Oberarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Der Radiologe, der in Heidelberg studierte und dort auch den Großteil seiner beruflichen Laufbahn verbrachte, arbeitet auch an der Abteilung für Radiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten gehört der Lungenkrebs. Sedlaczek ist unter anderem Koordinator für Bildgebung bei Lungenkrebs des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL).

Veranstaltungshinweis:

Freitag, 28. September 2018, 10:40–11:00
Raum: Röntgen-Saal
Session: Symposium 1 – Refresher Course: Thoraxdiagnostik
Alte und neue Tumortherapien – Effekte in der CT der Lunge
Dr. Oliver Sedlaczek (Heidelberg)

27.09.2018

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