Interview • Arbeitsmedizin
Asbest: CT erweitert die Vorsorgepalette
Während über das Lungenscreening für Raucher mit Niedrigdosis-Computertomografie (CT) in Deutschland noch kontrovers diskutiert wird, kommt die CT im Rahmen des erweiterten Vorsorgeangebots für ehemals asbestexponierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereits zum Einsatz.
PD Dr. Karina Hofmann-Preiß, BDT-MVZ Institut für bildgebende Diagnostik und Therapie Erlangen, und Prof. Dr. Volker Harth, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, erklären warum.
Frau Dr. Hofmann-Preiß, warum wird die nachgehende Vorsorge für asbestverursachte Erkrankungen in Einzelfällen um das Angebot einer CT-Untersuchung erweitert?
PD Dr. Hofmann-Preiß: Vom Gesetzgeber wurde den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern der Auftrag erteilt, der Gefahr des Entstehens, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung berufsbedingter Erkrankungen mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig entgegenzuwirken und einen bereits eingetretenen Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Um diesen Auftrag zu erfüllen, wurden neben Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz bereits seit 1972 arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (Asbest) eingeführt. Zunächst kam als bildgebendes Verfahren dabei die Röntgen-Thorax-Aufnahme zum Einsatz. Diese Untersuchungen waren primär dazu gedacht, gutartige berufsbedingte Lungenerkrankungen frühzeitig zu erkennen. Nach dem Asbestverbot in Deutschland 1993 ist die Erkennung bösartiger asbestfaserbedingter Erkrankungen, insbesondere von Lungenkrebs, in den Vordergrund gerückt. Spätestens die Ergebnisse der NLST-Studie haben gezeigt, dass die Thorax-Aufnahme sich zur frühen Erkennung von Lungenkrebs nicht eignet. Deshalb bietet man seit 2014 einer besonders charakterisierten Gruppe mit deutlich erhöhtem Lungenkrebsrisiko (das so genannte Hochrisikokollektiv) anstatt Röntgenaufnahmen die Niedrigdosis-CT an, denn nur so besteht die Möglichkeit, Bronchialkarzinome in einem sehr frühen Stadium zu diagnostizieren.
Welche Menschen haben aufgrund von Asbestexposition ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko? Warum ist die frühe Erkennung von Lungenkrebs im Zusammenhang mit Asbest so wichtig?
Prof. Harth: In Deutschland stammen die hauptsächlich betroffenen Berufsgruppen aus den drei Bereichen Asbesttextilindustrie, -zementindustrie und -isolierbranche. Einmalige geringe private oder häusliche Belastungen in der Allgemeinbevölkerung sind nicht mit hohen und ständig wiederkehrenden beruflichen Belastungen gleichzusetzen. Das dadurch bedingte Erkrankungsrisiko ist dementsprechend gering.
Lungenkrebs gehört zu den prognostisch ungünstigen Tumoren, was sich in einer niedrigen relativen Fünfjahres-Überlebensrate von etwa 21 Prozent bei Frauen und 16 Prozent bei Männern ausdrückt. Die Prognose ist jedoch stark vom Diagnose-Stadium abhängig. Die Früherkennung ist wichtig, da frühzeitig erkannte Lungentumoren in einem niedrigen Stadium gegenüber höheren Stadien eine deutlich erhöhte 5-Jahres-Überlebensrate haben.
Welche Personen kommen für die erweiterte nachgehende Vorsorge in Frage?
Dr. Hofmann-Preiß: In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Rauchen und Asbest in Kombination ein überadditives Lungenkrebsrisiko zur Folge hat. Deshalb schließt die erweiterte Vorsorge Menschen ein, die 55 Jahre oder älter sind, einen Zigarettenkonsum von mindestens 30 so genannten Packungsjahren – die Einheit, die die inhalierte Rauchdosis eines Zigarettenrauchers beschreibt – haben und entweder vor 1985 eine mindestens zehnjährige berufliche Asbestexposition hatten oder bei denen eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV – Asbeststaublungenerkrankung oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) bereits anerkannt ist.
Wo wird die erweiterte nachgehende Vorsorge überall angeboten?
Prof. Harth: Derzeit gibt es in Hamburg, Bremen/Bremerhaven und im Ruhrgebiet Anlaufstellen. Hintergrund ist, dass in diesen Regionen in der Vergangenheit bedingt durch große Industriestandorte viele Arbeitnehmer asbestexponiert waren. Schrittweise soll das erweiterte Vorsorgeangebot dann flächendeckend in Deutschland eingeführt werden. In ganz Deutschland haben sich bislang über 300 radiologische Einrichtungen bereit erklärt, daran mitzuwirken. Im Vorfeld muss allerdings noch ein von uns entwickeltes Programm zur CT-Qualitätskontrolle erfolgreich implementiert sein, was in Kürze der Fall sein wird.
Was bedeutet Qualitätskontrolle in diesem Zusammenhang?
CT ist nicht gleich CT
Karina Hofmann-Preiß
PD Dr. Hofmann-Preiß: CT ist nicht gleich CT. Die Strahlendosen, die im diagnostischen Bereich zum Einsatz kommen, und die jeweilige Untersuchungsqualität, die erzielt wird, variieren von Gerät zu Gerät, und von Institution zu Institution. Um garantieren zu können, dass bei allen Versicherten, die das erweiterte Vorsorgeangebot in Anspruch nehmen, die geringstmögliche Dosis appliziert wird, und eine weitgehend vergleichbare Untersuchungsqualität erzielt wird, haben wir ein Untersuchungsprotokoll entwickelt, das auch bei Einsatz unterschiedlicher CT-Geräte anwendbar ist und von den anwendenden Institutionen eingehalten werden muss. Das Protokoll garantiert, dass auch bei unterschiedlichem Body-Mass-Index der zu untersuchenden Personen (von sehr dick bis hin zu sehr schlank) jeder Versicherte wirklich nur die Strahlendosis appliziert bekommt, die notwendig ist. Die kumulative effektive Dosis der CT-Untersuchung einer normalgewichtigen Person (BMI etwa 24) liegt deutlich unter einem Millisievert (mSv). Da eine Niedrigdosis-CT-Untersuchung heute noch nicht zur normalen klinischen Routine gehört, muss man das Personal, das diese Untersuchungen durchführt, entsprechend schulen.
Wie kann man garantieren, dass dieses Niedrigdosis-Protokoll auch tatsächlich angewendet wird?
PD Dr. Hofmann-Preiß: Dafür haben wir ein Kontrolltool entwickelt, das meines Wissens nach bislang weltweit einzigartig ist. Die technischen Daten zu jedem einzelnen Untersuchungsablauf werden unmittelbar nach der Untersuchung in einer zentralen Datenbank eingegeben und bei der Gesundheitsvorsorge (GVS) in Augsburg gespeichert. Das System erkennt anhand bestimmter Benchmarks sofort, ob es sich um eine Niedrigdosis-Untersuchung handelt und die erforderlichen Rekonstruktionen angefertigt wurden. Wird auffällig, dass keine Niedrigdosis-Untersuchung durchgeführt wurde, wird die betreffende Institution unmittelbar nach Eingabe der Daten über E-Mail darauf hingewiesen und aufgefordert, das Problem innerhalb von acht Wochen zu beheben. Acht Wochen deshalb, weil wir so verhindern können, dass eine Person bei einer vorgezogenen Kontrolluntersuchung, die frühestens nach drei Monaten erforderlich werden könnte, nicht erneut mit einer Niedrigdosis-CT untersucht würde. Sollte eine Institution das Problem trotz des Hinweises innerhalb dieser Zeit nicht lösen können, wird sie in der Liste der Radiologien, die der Arbeitsmediziner seinen Patienten zur Untersuchung vorschlägt, so lange nicht aufgeführt, bis der Nachweis erbracht wurde, dass das Problem behoben wurde.
Quelle: Deutsche Röntgengesellschaft e.V.
02.02.2018