Individuelle Strahlentherapie

Biologie des Tumors entscheidet über Behandlungserfolg

Trotz der hohen Präzision der heutigen Bestrahlungsgeräte sind die Behandlungsergebnisse nicht bei allen Patienten gleich. Den Grund sehen die Strahlentherapeuten und Strahlenbiologen in unterschiedlichen biologischen Eigenschaften der Tumore. Deren Erforschung soll künftig eine individuelle Strahlentherapie ermöglichen.

Professor Dr. Michael Baumann
Professor Dr. Michael Baumann
Quelle: Archiv

Vor einer Bestrahlung werden viele Eigenschaften eines Tumors wie beispielsweise seine Größe oder das Stadium der Krebserkrankung untersucht und in die Therapieplanung einbezogen. Dennoch wirkt die Behandlung nicht bei allen Patienten gleich. Bei einigen bildet sich der Tumor nach der Bestrahlung vollständig zurück, bei anderen ist der Erfolg trotz gleicher Tumorgröße mit exakt derselben Bestrahlung geringer. Die Ursache sieht DEGRO-Präsident Professor Dr. med. Michael Baumann von der Technischen Universität Dresden in den speziellen biologischen Eigenschaften des Tumorgewebes. Dabei gibt es für den Direktor der Klinik für Radioonkologie und des OncoRay - Nationalen Zentrums für Strahlenforschung in der Onkologie mehrere prinzipielle Erklärungen für eine Strahlenresistenz.

Gleich große Tumore können unterschiedlich viele Krebsstammzellen enthalten. Diese werden als Ursprungszellen für den Krebs angesehen und halten sein Wachstum aufrecht. Wenn die Krebsstammzelldichte hoch ist, wirkt die Bestrahlung weniger gut. „Unser Ziel ist es, die Stammzellen von anderen Zellen zu unterscheiden“, erklärt Professor Baumann: „Ideal wäre es, wenn wir die Stammzellen in einer Gewebeprobe vorab zählen könnten und unsere Strahlentherapie darauf ausrichten – zum Beispiel indem wir die Strahlendosis erhöhen, um die Stammzellen abzutöten.“

Ein zweiter Grund für eine Strahlenresistenz hat mit der Sauerstoffversorgung des Tumors zu tun. Weniger mit Sauerstoff versorgte Krebszellen sind strahlenresistenter als gut versorgte. „Da die Wirksamkeit der Strahlentherapie durch Sauerstoff verstärkt wird, ist es wichtig, die sauerstoffarmen Regionen im Tumor zu erkennen“, erklärt der DEGRO-Präsident. Erste Ansätze zeigen, dass dieses Ziel erreichbar ist: Eine neue Variante der Positronen-Emissions-Tomographie kann sauerstoffarmes Gewebe identifizieren und sichtbar machen. „Mit unseren hochpräzisen Bestrahlungsgeräten könnten wir diese Regionen oder sauerstoffarme Tumoren im Ganzen dann gezielt mit einer höheren Dosis bestrahlen und damit die Strahlenresistenz des Tumors überwinden“, erklärt der Experte.

Ein weiterer wichtiger „Biomarker“, der die Wirkung der Strahlentherapie beeinflusst, ist das humane Papillomavirus (HPV). Der Erreger, der auch für die Entstehung eines Teils der Kopf-Hals-Tumore verantwortlich ist, macht die Tumorzellen zugleich strahlenempfindlicher. „Diese Tumore sprechen ungewöhnlich gut auf eine Strahlentherapie an“, erläutert Professor Baumann. Derzeit werde untersucht, wie der Nachweis von HPV für die Therapie genutzt werden kann.

Welche Verfahren für die Praxis nützlich sind, muss durch weitere Studien erforscht werden. „Deutsche Arbeitsgruppen und Netzwerke sind in diesem Forschungsfeld international an führender Stelle vertreten“, erklärt Professor Dr. med. Florian Würschmidt von der Radiologischen Allianz Hamburg. Der DEGRO-Tagungspräsident betont: „Wir müssen aber auf nationaler und internationaler Ebene noch intensiver zusammenarbeiten. Nur so sind große Studien zur biologisch personalisierten Strahlentherapie erfolgreich und können in die klinische Praxis einfließen.“


Welche Rolle Krebsstammzellen und die Sauerstoffversorgung im Tumor spielen und wie diese „Biomarker“ die Tumorbestrahlung beeinflussen, erörtern Experten auf einer Pressekonferenz am 25. Juni 2015 auf der 21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in Hamburg.

Literatur:
Professor Dr. med. Michael Baumann: Redemanuskript der DEGRO-Pressekonferenz vom 25. Juni 2015
Krause M, Yaromina A, Eicheler W, Koch U, Baumann M. Cancer stem cells: targets and potential biomarkers for radiotherapy. Clin Cancer Res 2011;17(23):7224-9 Abstract
Lohaus F, Linge A, Tinhofer I, Budach V, Gkika E, Stuschke M, et al. DKTK-ROG. HPV16 DNA status is a strong prognosticator of loco-regional control after postoperative radiochemotherapy of locally advanced oropharyngeal carcinoma: results from a multicentre explorative study of the German Cancer Consortium Radiation Oncology Group (DKTK-ROG). Radiother Oncol. 2014 Dec;113(3):317-23 Abstract
Rieckmann T, Tribius S, Grob TJ, Meyer F, Busch CJ, Petersen C, et al. HNSCC cell lines positive for HPV and p16 possess higher cellular radiosensitivity due to an impaired DSB repair capacity. Radiother Oncol 2013 May;107(2):242-6 Abstract


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.

24.06.2015

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