Standards für die stationäre Infektiologie definiert

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News • Strukturelle Etablierung für bessere Versorgung

Standards für die stationäre Infektiologie definiert

In Deutschland stellt die Infektiologie erst seit Kurzem eine eigenständige Disziplin dar. Bislang fehlte es daher an einer Beschreibung der genuin infektiologischen Aufgaben und Tätigkeiten in Kliniken und der damit einhergehenden Standards.

Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V. (DGI) hat nun gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.V. (DGPI) erstmals Qualitätsstandards für die Infektiologie definiert. Sie sollen die Versorgung von Patienten mit schweren Infektionskrankheiten verbessern, eine Grundlage für die fachärztliche Weiterbildung bieten und die strukturelle Etablierung der Infektiologie in Kliniken erleichtern. Die aktuellen Empfehlungen sind in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW) veröffentlichtcht.

Die meisten Patienten mit Infektionen werden nicht auf spezialisierten Infektionsstationen therapiert – denn Infektionen treten im Zusammenhang mit vielen Erkrankungen auf

Siegbert Rieg

Der Bedarf an gut ausgebildeten Infektiologinnen und Infektiologen wurde in den letzten Jahren offensichtlich: Die Covid19-Pandemie, die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen und der damit einhergehenden Risiken, infektiologische Nebenwirkungen neuer Medikamente wie Immuntherapien oder innovativer chirurgischer Eingriffe – um nur einige Beispiele zu nennen. „Im Sinne einer hochwertigen Versorgung von Infektionspaienten war es ein wichtiger Meilenstein, dass in Deutschland 2021 die Facharztweiterbildung für Innere Medizin und Infektiologie eingeführt wurde“, sagt Professor Dr. Norma Jung, Infektiologin an der Universitätsklinik Köln und Vorstandsmitglied der DGI. „Was die Tätigkeit von Infektiogen ausmacht, ist bisher jedoch nicht definiert worden – und auch vielfach nicht bekannt. Deshalb haben wir nun erstmals eine solche Beschreibung inklusive der damit verbundenen Qualitätsstandards vorgenommen.“ 

Professor Dr. Siegbert Rieg, Leiter der Infektiologie der Universitätsklinik Freiburg und Vorstandsmitglied der DGI, ergänzt: „Die meisten Patienten mit Infektionen werden nicht auf spezialisierten Infektionsstationen therapiert – denn Infektionen treten im Zusammenhang mit vielen Erkrankungen auf, und werden somit in nahezu allen medizinischen Fachabteilungen mitbehandelt. Die jetzt vorgenommene Beschreibung fokussiert deshalb dezidiert darauf, welche Aufgaben Infektionsspezialisten in der Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen einnehmen, und wie es gelingt, eine hochwertige infektiologische Versorgung in der Breite sicherzustellen.“

Wir wissen, dass der Einsatz infektiologischer Expertise nicht nur für das Outcome der Patienten wichtig ist, sondern den Krankenhäusern in der Summe auch Kosten spart, weil etwa unnötige Behandlungen sowie Komplikationen vermieden werden

Norma Jung

Die zentrale Tätigkeit von Infektiologen besteht in der infektiologischen Beratung, die in der Regel als Konsil auf Anforderung der primär behandelnden Fachabteilung durchgeführt wird. „Die gründliche Anamnese und Untersuchung der Patienten sowie die systematische Sichtung der vorhandenen Untersuchungsbefunde ist das „A“ und „O“ der infektiologischen Tätigkeit und die Grundlage dafür, dass diese zur Verbesserung der Prognose der Betroffenen beitragen,“ erläutert Prof. Jung. Denn für zahlreiche schwere Infektionen liege Evidenz vor, dass die Einbindung eines infektiologischen Konsiliarservices mit verbesserten Therapieergebnissen und einer geringeren Sterblichkeit einhergehe. Wegen der oft hohen Komplexität von Infektionen sowie der zugrunde liegenden Erkrankungen ist das infektiologische Konsil in der Regel sehr zeitaufwendig. „Dieser Aufwand ist aber notwendig, um bei komplexen Infektionen zusammen mit den primär behandelnden Ärzten den bestmöglichen Behandlungsplan erstellen zu können.“ 

Eine weitere Form der infektiologischen Beratung erfolgt in interdisziplinären Infektionsboards. Hier werden komplexe Patientenfälle mit Experten aus verschiedenen Fachbereichen besprochen, um Diagnostik und Therapie zu optimieren. Beispielhaft sind hier Endokarditis- und Osteomyelitis-Boards zu nennen. 

Im Unterschied zum infektiologischen Konsil handelt es sich bei Antibiotic Stewardship (ABS) nicht um eine individuelle, direkt patientenbezogene Maßnahme. Bei ABS-Aktivitäten stehen systemische Interventionen in Stationen, Abteilungen oder Kliniken im Vordergrund, die einen rationalen Einsatz von antimikrobiell wirksamen Medikamenten zum Ziel haben. ABS-Aktivitäten werden von einem interdisziplinär zusammengesetzten Team durchgeführt.

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Anders als in der Erwachsenenmedizin ist eine Facharztspezialisierung bzw. Schwerpunktweiterbildung für pädiatrische Infektiologie in Deutschland bisher nicht flächendeckend etabliert. Doch auch hier besteht ein hoher Bedarf. „Eine spezialisierte pädiatrisch-infektiologische Zusatzweiterbildung nach einem europäischen Curriculum kann die DGPI bisher nur vereinzelt anbieten, da es hierfür an strukturellen und finanziellen Voraussetzungen fehlt“, sagt Professor Dr. Tobias Tenenbaum, Präsident der DGPI. Deshalb sollen die nun formulierten Qualitätsstandards für die wesentlichen infektiologischen Versorgungsaufgaben auch für infektiologische Fälle bei Kindern gelten, und werden seitens der DGPI noch um spezifische pädiatrische Aspekte ergänzt. 

„Die Einführung einer Leistungsgruppe Infektiologie im Rahmen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ist ein wichtiger Schritt für den flächendeckeckenden Ausbau der Infektiologie in Deutschland und ein erster Schritt hin zu deren Finanzierung,“ so Prof. Rieg. Weitere Maßnahmen seien jedoch unbedingt notwendig, um infektiologische Leistungen im Finanzierungssystem der deutschen Krankenhäuser besser abzubilden. Dies sei die Voraussetzung für eine auskömmliche Vergütung und damit für eine infektiologische Versorgung in der Breite. Die dafür notwendigen Mittel wären sehr gut eingesetzt. „Denn wir wissen, dass der Einsatz infektiologischer Expertise nicht nur für das Outcome der Patienten wichtig ist, sondern den Krankenhäusern in der Summe auch Kosten spart, weil etwa unnötige Behandlungen sowie Komplikationen vermieden werden“, so Prof. Jung. 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Infektiologie

18.03.2025

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