Gewebeschnitt einer Hirnmetastase eines Prostatakarzinoms mit ausgewählten...
Gewebeschnitt einer Hirnmetastase eines Prostatakarzinoms mit ausgewählten intratumoralen Bereichen (rosa und weisse Kreise) für die Durchführung molekularer Analysen.

Quelle: Antonio Rodriguez, Dept. of Pathology and DBMR

News • Hirn-Metastasen

Präzisions-Onkologie hilft Prostatakrebs-Patienten

Forschende der Universität Bern und Inselspital Bern haben bei einer besonders aggressiven Form von Prostatakrebs einen Durchbruch erzielt. In Gewebeproben von fortgeschrittenen Hirn-Metastasen konnten sie das genetische Profil der Krebszellen erstellen. Die Ergebnisse öffnen die Tür für eine gezielte Behandlung der betroffenen Patienten mit spezifischen Medikamenten.

Jährlich erkranken in der Schweiz rund 6600 Männer an Prostatakrebs. Er ist nach Lungenkrebs die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern. Gefährlich sind fortgeschrittene Stadien, in denen Krebszellen in andere Organe gestreut haben und sogenannte Metastasen bilden. Im Gegensatz zu anderen Krebsarten wie Brust- oder Lungenkrebs sind beim Prostatakrebs die äusserst gefährlichen Metastasen im Gehirn jedoch sehr selten. Nur 1,5 Prozent der fortgeschrittenen Fälle sind gemäss einer Übersichtsstudie aus dem Jahr 2020 als Hirn-metastasierender Prostatakrebs (PCBM) diagnostiziert worden. Die PCBM-Fälle waren deshalb bisher wenig erforscht.

Diese Lücke haben Forschende um Mark A. Rubin von der Universität Bern und Inselspital Bern nun mit der ersten grösseren Studie über Hirn-Metastasen bei Prostatakrebs geschlossen. In ihrer Untersuchung haben sie den molekularbiologischen "Steckbrief" von PCBM-Zellen beschrieben. Diese weisen demnach gehäuft Veränderungen im Reparaturmechanismus auf, der bei gesunden Zellen alltägliche Schädigungen im Erbgut-Strang behebt. "Die Veränderungen gleichen der genetischen Signatur anderer Krebsarten, gegen die wirksame Medikamente verfügbar sind", sagt Mark A. Rubin, Direktor des Department for BioMedical Research und Präsident des Bern Center for Precision Medicine an der Universität Bern und Inselspital Bern. "Das ist eine positive Nachricht. Denn dadurch steht einer gezielten Behandlung zumindest eines Teils der PCMB-Patienten nichts mehr im Wege."

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Veränderungen im Reparaturmechanismus der Krebszellen

Bei Krebszellen sind die Reparaturmechanismen der Zellen so verändert, dass sie bestimmte Schädigungen im Erbgutstrang nicht mehr flicken können und deshalb unkontrolliert wuchern. In metastasierenden Zellen tritt zudem ein alternativer Reparaturmechanismus auf, der die Krebszellen gedeihen lässt. Mittlerweile gibt es jedoch Medikamente – die sogenannten PARP-Inhibitoren -– welche diesen alternativen Reparaturmechanismus gezielt blockieren und zum Tod der Krebszellen führen. Diese wirken jedoch nur, wenn die Veränderungen der gefährlichen Zellen ein bestimmtes Muster im primären Reparaturmechanismus aufweisen.

In ihrer Studie haben die Forschenden Gewebeproben von 51 PCMB-Patienten untersucht, die sie aus Spitälern der ganzen Schweiz sowie einer Partnerinstitution aus den USA erhalten haben. Die Analyse hat gezeigt, dass bei allen getesteten Proben mit hirnmetastasierende Prostata-Krebszellen Veränderungen im primären DNA-Reparaturmechanismus entdeckt wurden. In rund 20 Prozent der untersuchten Patienten stellten die Forschenden exakt dasjenige genetische Muster fest, bei dem gemäss einer im Jahr 2020 veröffentlichten Studie die Verabreichung von PARP-Inhibitoren die Überlebensraten der Betroffenen signifikant steigerten. "Einer von fünf Patienten mit hirnmetastasierendem Prostatakrebs könnte deshalb von einer Therapie mit diesen gezielten Medikamenten profitieren", sagt Rubin.

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Paradebeispiel für Präzisions-Onkologie

Zugleich eröffnet die genomische Analyse der Hirn-Metastasen und der Vergleich mit anderen Krebsarten neue Türen für die Grundlagenforschung. "Wenn wir verstehen, wieso beim Prostata-Krebs im Vergleich zu anderen Tumorarten weniger Hirn-Metastasen auftreten, können wir in Zukunft lernen, welche Änderungen in den Zellen diese bösartig machen", erklärt Rubin.

Die Arbeit gilt auch als Paradebeispiel für das Konzept der Präzisions-Onkologie, in der Behandlungskonzepte exakt auf die jeweiligen Patientinnen und Patienten zugeschnitten sind. Dabei nutzen die Ärztinnen und Ärzte die Informationen über die molekularbiologische Signatur der Krebszellen von Betroffenen für einen Therapieplan, in dem die Medikamente exakt auf die beobachteten Veränderungen ausgerichtet sind.

Die Studie wurde in Nature Communications veröffentlicht.

Quelle: Universität Bern

12.05.2022

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