Erstautorin Dr. Jia Li Ye (links) und Molekularbiologin Dr. Shambhabi...
Erstautorin Dr. Jia Li Ye (links) und Molekularbiologin Dr. Shambhabi Chatterjee haben untersucht, wie der Erhalt der Schutzkappen für unser Erbgut die Lungengesundheit verbessern kann.

© Karin Kaiser/MHH 

News • mRNA-basierter Ansatz für IPF

Lungenfibrose: DNA-Schutzkappen als Schlüssel für neue Therapien

MHH-Forschende schleusen mRNA mit Baustein für Telomerase in menschliche Lungenzellen, um Alterungsprozesse und Fibroseentwicklung zu verringern.

Die Lungenfibrose – in der Fachsprache unter anderem auch idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) genannt – ist eine seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankung. Dabei vernarbt das zwischen dem Funktionsgewebe der Lunge liegende Bindegewebe und führt zu einer wachsenden Atemnot. Derzeitige Behandlungen können das Fortschreiten der Fibrose zwar verlangsamen, aber nicht heilen. Die mittlere Lebenserwartung nach der Diagnose beträgt nur vier bis sechs Jahre. Neue Therapien sind also dringend gefragt. Ein Forschungsteam um Professor Dr. Christian Bär, Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und seine Mitarbeiterin Dr. Shambhabi Chatterjee, hat dafür den Blick in das Innere der Zellen gerichtet, genauer gesagt auf die Telomere. Diese liegen als Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, den Trägern unserer Erbinformation. 

Bei jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere ein Stück, bis sie eine kritische Länge erreicht haben und die von ihnen beschützten Gene geschädigt werden könnten. Dann hört die Zelle auf sich zu teilen und das Gewebe altert. Bei Lungenfibrose-Betroffenen findet dieser Vorgang häufig schneller als normal statt. Daher sehen die Forschenden einen vielversprechenden Therapieansatz in dem Enzym Telomerase, welches die Telomere vor Schädigung und Verkürzung während der Zellteilung bewahrt. In einer Studie haben sie die Telomeraseaktivität in menschlichen Lungenzellen und Lungengewebe gesteigert und dadurch die Alterung der Zellen sowie die Fibroseentwicklung deutlich verringert. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Aging Cell“ veröffentlicht worden. Erstautorin ist Dr. Jia Li Ye. 

Die TERT-Therapie ist nach unseren Ergebnissen ein vielversprechender Ansatz, um die Zellgesundheit von Lungenzellen zu verbessern und die Fibroseentwicklung zu drosseln und vielleicht sogar umzukehren

Christian Bär

Professor Bär und Dr. Chatterjee beschäftigen sich schon lange mit der Rolle der Telomerase im Zusammenhang mit Krankheiten. So haben sie herausgefunden, dass die Gabe von Telomerase im Mausmodell die Lebensspanne sogar bei bereits erwachsenen und gealterten Tieren deutlich verlängert und sich selbst nach Herzinfarkt noch schützend für das Herz auswirkt. Nun haben sie untersucht, wie dieser Therapieansatz in der Lunge funktionieren könnte. Denn ein Risikofaktor für IPF ist die vorzeitige Verkürzung der Telomere in der Lunge. Hier spielt die Telomerase, genauer gesagt ihre Untereinheit namens Telomerase Reverse Transkriptase (TERT), welche Telomere während der Embryonalentwicklung verlängert, eine entscheidende Rolle. Da TERT im erwachsenen Menschen in der Regel abgeschaltet ist, kann dieses Enzym die Chromosomenenden und damit auch die DNA nicht schützen. Die Forschenden haben nun untersucht, ob sich ein biomedizinisch erzeugtes Überangebot an Telomerase positiv auf die Telomerlängen und damit auf die Erkrankung auswirken könnte. 

Dafür haben sie eine Boten-RNA (messenger RNA, mRNA) mit dem TERT-Bauplan in Bindegewebszellen der menschlichen Lunge eingebracht. „Wir konnten sehen, dass unsere mRNA funktioniert und die Zellen den Bauplan ablesen und umsetzen“, sagt Professor Bär. „Die Telomerase wurde aktiviert, die Alterungs-Biomarker gingen zurück und die Telomere der Chromosomen wurden wieder verlängert.“ Auch in Zellkulturen mit Lungen-Vorläuferzellen produzierten die Zellen TERT für die Telomerase-Aktivierung. Der therapeutische Ansatz funktionierte sogar in menschlichem Lungenfibrose-Gewebe. Dafür wurden in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM spezielle Präzisions-Lungenschnitte (PCLS) aus operativ entferntem Patientenmaterial hergestellt und diese mit der TERT-mRNA behandelt. „Auch hier haben sich die Marker für Alterung und Fibrose deutlich verbessert“, sagt Dr. Chatterjee. „Zudem waren die Entzündungsmarker rückläufig, was bedeutet, dass unsere TERT-mRNA funktioniert und die mRNA Struktur selbst keine schädliche Immunantwort ausgelöst hat.“ 

Das gelang, weil die Forschenden den TERT-Bauplan in eine modifizierte mRNA (modRNA) eingesetzt haben. Diese ist im Gegensatz zur normalerweise im Körper vorkommenden mRNA ganz leicht verändert. So kann sie in den Körper hineingeschmuggelt werden, ohne ihn zu alarmieren und Entzündungsreaktionen hervorzurufen. Denn eigentlich erkennt unser Immunsystem fremde RNA und verhindert ihr Eindringen und ihre Umsetzung – etwa für die Virenabwehr. Die modRNA-Technologie wurde bereits erfolgreich während der Corona-Pandemie genutzt, um den Covid-19-Impfstoff zu entwickeln. Ein Vorteil des Verfahrens ist, dass dieser Fremdbaustein zwar in die Zellen, nicht aber in den Zellkern eindringt und nur wenige Tage im Körper verbleibt. „Daher ist die Technologie viel sicherer als konventionelle Gentherapien, bei denen die Gene direkt in den Körper eingeschleust werden und dort dauerhaft verbleiben“, stellt Professor Bär fest. 

Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren

Doch der kurze Verbleib bedeutet auch, dass der eingebrachte Bauplan nur über eine kurze Zeit umgesetzt werden kann. Um das Therapiefenster weiter zu öffnen, haben die Forschenden die mRNA ein weiteres Mal modifiziert und den RNA-Strang zu einem Ring geschlossen. „Diese zirkuläre RNA kann nicht so schnell von den Abbau-Enzymen zerstört werden“, erklärt Dr. Chatterjee. Der verlangsamte Abbau sorgt dafür, dass im Vergleich zur linearen RNA mehr Telomerase in den Zellen vorhanden ist, wodurch diese effektiver ist. „Die TERT-Therapie ist nach unseren Ergebnissen ein vielversprechender Ansatz, um die Zellgesundheit von Lungenzellen zu verbessern und die Fibroseentwicklung zu drosseln und vielleicht sogar umzukehren“, sagt Professor Bär. Verpackt in Lipid-Nanopartikel, könnte die therapeutische RNA irgendwann einfach inhaliert werden. 


Quelle: Medizinische Hochschule Hannover; Text: Kirsten Pötzke

20.11.2025

Verwandte Artikel

Photo

News • WGS-Forschungsprojekt

Seltene Erkrankungen und Krebs: Genomsequenzierung als Diagnostik-Schlüssel

Die Genomsequenzierung birgt enormes Potenzial für die Diagnose und die Behandlung seltener Erkrankungen und fortgeschrittenem Krebs. Ein neues Projekt bietet Betroffenen molekulare Diagnostik.

Photo

News • Forscher identifizieren Schlüsselmechanismus

Von der Virusinfektion zum Asthma-Schub: neue Erkenntnisse

Virusinfektionen der Atemwege lösen bei manchen Patienten mit Asthma eine akute Verschlimmerung der Symptome aus, bei anderen nicht – aber warum? Neue Forschung liefert eine mögliche Erklärung.

Photo

News • Gen-Veränderungen im Blut

CHIP: Gefahr für Herzpatienten

Mit zunehmendem Alter können sich Blutstammzellen im Knochenmark genetisch verändern. Das stellt für Patienten mit Herzerkrankungen wie KHK eine besondere Gefahr dar, wie neue Forschung zeigt.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren