© Prof. Dr. Marco Das
Artikel • Abschied von „surgery first“
Interventionelle Radiologie tritt aus dem Schatten ins Licht
Die interventionelle Radiologie ermöglicht mit bildgebenden Untersuchungsverfahren gezielte und hochpräzise therapeutische und diagnostische Eingriffe ohne Narkose und große Schnitte. Jedoch sorgen alte Konzepte, die chirurgische Eingriffe als Mittel der Wahl sehen, bisher dafür, dass dieser Teilbereich der diagnostischen Radiologie ein Schattendasein fristet. Prof. Dr. Marco Das, Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie am Helios Klinikum Duisburg, möchte das ändern und sprach beim Radiologiekongress Ruhr (RKR) über neue Therapiekonzepte aus seinem Fachgebiet. HiE stand er im Anschluss für ein exklusives Interview zur Verfügung.
Interview: Sonja Buske
HiE: Prof. Das, welche neuen Konzepte beeinflussen aktuell die interventionelle Radiologie?
Prof. Das: Die neuen Konzepte ergeben sich aus den aktuellen Leitlinien insbesondere zum hepatozellulären Karzinom (HCC) und zur Behandlung kolorektaler Karzinome (KRK). Die Konzepte sind allerdings nicht komplett neu, sie haben nur einen deutlich höheren Stellenwert in den Behandlungskonzepten erhalten. Insbesondere ablative Verfahren wie Radiofrequenzablation und Mikrowellenablation (MWA) haben gezeigt, dass die Ergebnisse der lokalen Tumorkontrolle exzellent sind, und das alte Konzept „surgery first“ nicht mehr gilt. Vielmehr sollte auf Basis der individuellen Tumorlokalisation sowie patientenbezogenen Parametern wie der Anzahl der Läsionen, der Leberfunktion oder des Albumin-Bilirubinlevels die bestmögliche Therapie gewählt werden. Dies hat sich nun in den aktuellen Leitlinien zum HCC – die BCLC-Guideline von 2022 – sowie in der Leitlinie zum kolorektalen Karzinom (ESMO-Guideline 2022) niedergeschlagen. Darüber hinaus gibt es neue Konzepte zur Behandlung von Schmerzsymptomatiken, die zum Beispiel durch Verfahren wie Cryoablation von Nerven behandelt werden können.
Wie weit sind diese Konzepte schon fortgeschritten? Werden die Methoden bereits angewandt, oder handelt es sich noch um Theorie?
Wir müssen die Möglichkeiten der interventionellen Radiologie noch besser nach außen sichtbar machen, denn wir haben minimalinvasive, schonende Methoden, die einer Vielzahl von Patienten helfen können
Marco Das
Die Konzepte zur Behandlung von HCC und KRK sind weit fortgeschritten. Nur hatten die neueren Verfahren wie MWA es bislang schwer, da das Konzept klar auf die Chirurgie zugeschnitten war. Zudem ist die TACE-Behandlung, bei der kleine Partikel mit einem Chemotherapeutikum kombiniert und über die tumorversorgende Arterie direkt in den Tumor appliziert werden, nun stärker eingebunden, auch durch die Möglichkeit, dass sie bei therapierefraktären HCCs zum Einsatz kommen kann. Die Neurolyse mittels Cryotherapie steckt noch in den Kinderschuhen, ist jedoch bei einer Vielzahl an Patienten in den Schmerzambulanzen eine neue, vielversprechende Möglichkeit der Behandlung.
In der stationären Versorgung wird immer mehr über Mindestmengen, Ambulantisierung und Zentralisierung gesprochen. Die interventionelle Radiologie macht es möglich, dass Patienten kürzer oder sogar gar nicht ins Krankenhaus müssen. Was bedeutet das für Ihr Fachgebiet im klinischen Kontext?
Dies ist in der Tat eine Entwicklung, der wir interventionellen Radiologen positiv gegenüberstehen sollten. Wir müssen die Möglichkeiten der interventionellen Radiologie noch besser nach außen sichtbar machen, denn wir haben minimalinvasive, schonende Methoden, die einer Vielzahl von Patienten helfen können. Dazu zählen unter anderem die Prostataarterienembolisation, die Gelenkarterienembolisation, die endovaskuläre Behandlung der PAVK oder auch die Uterusmyomembolisation. Wir könnten entsprechende ambulante Möglichkeiten schaffen, jedoch haben wir aktuell ein großes Ressourcenproblem, insbesondere im Personalbereich.
© Prof. Dr. Marco Das
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) aktuell in der interventionellen Radiologie, und welche Rolle könnte sie zukünftig spielen?
Die KI ist derzeit in aller Munde, die Einsatzmöglichkeiten sind aber noch sehr begrenzt. Es kommen zunehmend Systeme auf den Markt, die unterstützende Funktionen haben – wie zum Beispiel die Gefäßdarstellung zur Unterstützung bei Embolisationen. Hier fehlen aber oft die finanziellen Mittel, um derartige Systeme anzuschaffen. Die Möglichkeiten sind jedenfalls riesig – bis hin zur Robotik ist vieles denkbar. Interessant wären Prognoseeinschätzungen oder nicht-invasive Tumorcharakterisierungen. Was sich in der Klinik durchsetzen wird, wird die Zukunft zeigen.
Wagen wir einen Blick in die Glaskugel: Wie wird sich die interventionelle Radiologie in den nächsten Jahren Ihrer Meinung nach verändern? Und was würden Sie sich wünschen?
Die interventionelle Radiologie wird nach außen sichtbarer werden und ihre Methoden zum Wohle der Patienten einsetzen. Die Studienergebnisse werden zunehmend auch in Leitlinien ihren Platz finden, so dass immer mehr Kollegen diese Möglichkeiten für sich entdecken werden. Daher sehe ich eine positive Zukunft für die interventionelle Radiologie. Wünschen würde ich mir ein offenes Ohr und Auge sowohl der Kollegen als auch der Politiker für diese Methoden, denn unser Gesundheitssystem muss auch die Möglichkeit bieten, neuere Verfahren zu integrieren.
Profil:
Prof. Dr. Marco Das ist seit 2017 Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie am Helios Klinikum Duisburg. Er hat in Düsseldorf studiert und in Harvard am Brigham and Women’s Hospital geforscht. Das hat einen Master of Business Administration und ist seit 2018 Professor (apl) an der Universität Düsseldorf.
08.02.2023