News • Studie zu Antibiotic Stewardship

Mit ABS gegen Antibiotikaresistenzen in der Kinderonkologie

Gegen bakterielle Infektionen helfen Antibiotika. Ihr Einsatz sollte jedoch bestimmten Standards und Leitlinien folgen, ansonsten drohen gefährliche Resistenzen. Doch in Zentren für pädiatrische Onkologie werden Antibiotika oft nicht angemessen verabreicht.

Durch ein so genanntes Antibiotic Stewardship kann ihr Einsatz wahrscheinlich auch in der Kinderonkologie deutlich verbessert werden. Dies zeigt eine aktuelle Studie aus dem Fachjournal "The Lancet Regional Health – Europe"

Jährlich erkranken in Deutschland rund 2000 Kinder an Krebs, meist an einer Leukämie oder an einem Hirntumor (vgl. die Webseite der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie). Die gute Nachricht: Die meisten an Krebs erkrankten Kinder können heute unter anderem durch eine Chemotherapie geheilt werden. Die Chemotherapie unterscheidet jedoch nicht zwischen gesunden und kranken Zellen und schwächt daher vorübergehend das Immunsystem Eine bakterielle Infektion kann sich im Körper eines immungeschwächten Kindes dann sehr rasch ausbreiten und verheerende Auswirkungen haben. Ohne den Einsatz von Antibiotika mit breitem Wirkspektrum wäre die moderne Kinderonkologie daher nicht möglich. Dabei gilt: Antibiotika sollen so gezielt und rational wie möglich eingesetzt werden, um gefährlichen Resistenzen vorzubeugen. Wie dies am besten geschieht, ist in nationalen und internationalen Leitlinien vorgegeben.

portrait of Cihan Papan
Dr. Cihan Papan

© Rüdiger Koop

Eine von Cihan Papan, der Doktorandin Katharina Reifenrath (Mikrobiologie Homburg), Markus Hufnagel (Universitätsklinikum Freiburg) und Arne Simon (Kinderonkologie Homburg) initiierte und geleitete Studie hat die Gabe von Antibiotika und von Medikamenten gegen Pilzinfektionen (Antimykotika) an 30 Zentren für Kinderonkologie untersucht. Insgesamt wurden Daten von 320 krebskranken Kindern analysiert, von denen zum Zeitpunkt der Erhebung 142 mit Antibiotika oder Antimykotika behandelt wurden. In annähernd der Hälfte der Fälle wurden Antibiotika zur Behandlung eines sogenannten „Fiebers im Zelltief“ gegeben, das häufig auf eine intensive Chemotherapie folgt. Es gab jedoch auch Infektionen des Blutes, der Haut und Weichteile oder der Lunge. 

In dieser Studie wurde der Einsatz von Antibiotika und Antimykotika in der Kinderonkologie zum ersten Mal nicht nur beschrieben, sondern zusätzlich im Detail beurteilt. Dies geschah durch Experten für Kinderonkologie und für Infektionen bei Kindern. Jeweils drei Fachleute bildeten ein Panel, welches die 142 Fälle der mit Antibiotika/Antimykotika behandelten Kinder beurteilte. Die Kliniken, in welchen die Patienten behandelt wurden, waren ihnen dabei nicht bekannt.

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Legten die Experten lokale Leitlinien für den Umgang mit Antibiotika als Maßstab an, war etwa ein Drittel (34%) der Verordnungen inadäquat. Wurden zusätzlich die nationalen Leitlinien als Maßstab für die Behandlung zugrunde gelegt, stieg der Anteil an unsachgemäß eingesetzten Antibiotika sogar auf 48%. „Inadäquat kann dabei vieles bedeuten“, erläutert Cihan Papan. „Dahinter verbergen sich Fehler in der Dosierung, eine nicht erforderliche Kombinationstherapie mit mehreren Antibiotika oder das fehlende Umsetzen auf ein Antibiotikum mit schmalerem Wirkspektrum, wenn der Erreger und seine Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika bekannt sind“, so der Infektionsmediziner. 

portrait of Arne Simon
Prof. Dr. Arne Simon

© Rüdiger Koop

„Es war für uns insgesamt erstaunlich, wie wenig sich die nationale Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Fachgesellschaften (AWMF) von 2016 in der klinischen Praxis durchgesetzt hat“, kommentiert Professor Arne Simon, der gerade die Neuauflage dieser nationalen Leitlinie für die Fachgesellschaften koordiniert, die Ergebnisse. „Zur Verbesserung der Situation braucht es eine engere Zusammenarbeit der Kinderonkologen mit Fachleuten aus einem sogenannten ‚Antibiotic Stewardship (ABS)‘-Programm. Die verfügen über weiterführende Kenntnisse zur Diagnostik und Therapie von Infektionen und bilden gemeinsam mit den klinischen Mikrobiologen und Apothekern ein ABS-Team.“ Ein ABS-Team könnte gezielt beraten und intervenieren und dabei darauf achten, dass sich die Praxis der Antibiotikatherapie stärker an den nationalen Leitlinien orientiert. 


Quelle: Universität des Saarlandes 

03.03.2023

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