Quelle: Nishino AJR 2012

Artikel • Größe ist nicht alles

Nur wer die Therapie versteht, versteht auch das Bild

Neue Verfahren wie Targeted- und Immunotherapien laufen in der Onkologie der herkömmlichen Chemotherapie zunehmend den Rang ab. Für Radiologen bedeutet das ebenfalls eine Umstellung, denn in der Bildgebung weisen die neuen Methoden Besonderheiten auf, mit denen man sich vertraut machen muss, um den Therapieverlauf richtig zu deuten. Prof. Dr. Hans-Christoph Becker, Radiologe am Stanford University Medical Center in Kalifornien, spricht über die spezifischen Kriterien für die neuen onkologischen Therapien.

Bericht: Wolfgang Behrends

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Prof. Dr. Hans-Christoph Becker ist Radiologe am Stanford University Medical Center in Kalifornien.

Bei anderen Verfahren wie der Immunotherapie wird der Tumor im CT-Bild zunächst sogar deutlich größer – das bedeutet aber nicht, dass der Tumor nicht auf die Behandlung anspricht. „Im Gegenteil; das ist ein klassisches Phänomen der Immunotherapie und das Resultat einer bewusst herbeigeführten Entzündungsreaktion“, erklärt Becker. „Bildlich gesprochen wird bei einigen der Therapien die Handbremse der körpereigenen Abwehrzellen gelöst. Das Immunsystem greift daraufhin den Tumor mit Leukozyten an, auf dem Bild lässt das den Tumor größer erscheinen. Tatsächlich bedeutet es jedoch, dass die Therapie wirksam ist.“

„Diese Effekte muss man als Radiologe kennen, um das CT-Bild richtig einordnen zu können“. Auch ein Verständnis dafür, wie die unterschiedlichen Therapien wirken, ist unverzichtbar, um die Bilder richtig interpretieren zu können. „Das Zusammenspiel von Pathologie, Tumortherapie und Bildanalyse wird zunehmend komplexer“, sagt Becker. „Es wird eine der großen zukünftigen Herausforderungen sein, diese Bereiche sinnvoll miteinander zu verknüpfen.“

Es kommt nicht (nur) auf die Größe an

Auf dem Bild lässt das den Tumor größer erscheinen. Tatsächlich bedeutet es jedoch, dass die Therapie wirksam ist

Hans-Christoph Becker

Die hohe Präzision der Therapien bringt allerdings auch neue Schwierigkeiten mit sich: „Bei der Chemotherapie kann man den Behandlungserfolg meist daran ablesen, dass der Tumor kleiner wird“, schildert Becker. „Das ist bei den neuen Targeted-Therapien anders: Es geht nicht zwangsläufig um die Zerstörung des Tumorgewebes, sondern auch darum, tiefgreifend in dessen Metabolismus einzugreifen.“ Auf diese Weise wird etwa die Gefäßversorgung zum Tumor reduziert. „Das führt zu Effekten, die anders aussehen als bei der klassischen Chemotherapie.“ Tumoren sind in der Regel heterogen aufgebaut; das heißt, sie bestehen aus verschiedenen Zelllinien. Mittlerweile sind Targeted-Therapien so spezifisch geworden, dass mitunter nur einige dieser Linien darauf ansprechen, andere jedoch nicht. Becker: „Das führt zu einem merkwürdigen Ansprechverhalten. Zum Beispiel können einige Tumoren und Metastasen schrumpfen, während andere gleichzeitig sogar größer werden.“

Die Reaktion eines mit Ipilimumab behandelten Melanoms: Während es im CT-Bild...
Die Reaktion eines mit Ipilimumab behandelten Melanoms: Während es im CT-Bild zunächst den Anschein hat, dass der Tumor wächst (Mitte), ist dies tatsächlich ein Anzeichen dafür, dass die Therapie anschlägt (rechts).
Quelle: Nishino AJR 2012

Bei anderen Verfahren wie der Immunotherapie wird der Tumor im CT-Bild zunächst sogar deutlich größer – das bedeutet aber nicht, dass der Tumor nicht auf die Behandlung anspricht. „Im Gegenteil; das ist ein klassisches Phänomen der Immunotherapie und das Resultat einer bewusst herbeigeführten Entzündungsreaktion“, erklärt Becker. „Bildlich gesprochen wird bei einigen der Therapien die Handbremse der körpereigenen Abwehrzellen gelöst. Das Immunsystem greift daraufhin den Tumor mit Leukozyten an, auf dem Bild lässt das den Tumor größer erscheinen. Tatsächlich bedeutet es jedoch, dass die Therapie wirksam ist.“

„Diese Effekte muss man als Radiologe kennen, um das CT-Bild richtig einordnen zu können“. Auch ein Verständnis dafür, wie die unterschiedlichen Therapien wirken, ist unverzichtbar, um die Bilder richtig interpretieren zu können. „Das Zusammenspiel von Pathologie, Tumortherapie und Bildanalyse wird zunehmend komplexer“, sagt Becker. „Es wird eine der großen zukünftigen Herausforderungen sein, diese Bereiche sinnvoll miteinander zu verknüpfen.“

Potential der AI-Analyse ist groß

Auch eine automatisierte Auswertung solcher Phänomene in der Bildgebung ist denkbar. Künstliche Intelligenz (AI) könnte die spezifischen Reaktionen der Tumoren in den Datensätzen erkennen und so den Therapieerfolg messen. Am Stanford University Medical Center wird bereits an der Entwicklung solcher Algorithmen gearbeitet. „Noch steckt das Verfahren in den Kinderschuhen, ist aber enorm spannend. Es ist abzusehen, dass das Feld der AI-gestützten Auswertung die Radiologie schon bald in maßgeblicher Weise bestimmen wird.“

So neu wie ihr Name vermuten lässt, sind die hier vorgestellten onkologischen Therapien nicht: „Die ersten Hormontherapien sind bereits vor 20 Jahren zum klinischen Einsatz gekommen“, sagt Becker. „Allerdings werden seither sukzessive immer neue Therapien entdeckt und auch die Zahl der zugelassenen Targeted-Therapien nimmt immer weiter zu. Und es sind zurzeit viele Medikamente in Erprobung; insbesondere die Kombinationen mit herkömmlichen Therapien sowie die Dosisfindung sind noch nicht abgeschlossen, viele diesbezügliche Studien laufen noch.“ Grundsätzlich sind die neuen Therapien an nahezu jeder Stelle einsetzbar, in der auch die klassische Chemotherapie angewandt wird.


Profil:

Prof. Dr. Hans-Christoph Becker war von 2001 bis 2014 als Oberarzt am Institut für Klinische Radiologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München tätig. Im Jahr 2009 wurde er zum Professor für Radiologie mit dem Schwerpunkt auf nichtinvasiver kardialer Bildgebung ernannt. Vor rund drei Jahren ist er dem Ruf der Stanford-Universität nach Kalifornien gefolgt. Hier hat er ein ergiebiges Budget zugewiesen bekommen, um ein onkologisches Forschungslabor aufzubauen, ähnlich dem, das er bereits an der LMU München etabliert hat.


Veranstaltung:

Freitag, 19.01.2018, 

11:10-11:30 Uhr

Spezifische Kriterien für neue onkologische Therapien

Hans-Christoph Becker, USA-Stanford

Session: Onkologie

15.01.2018

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