Größe ist nicht alles
Wenn RECIST beim Tumormonitoring nicht mehr ausreicht
Mit Hochdruck arbeitet die Krebsforschung an immer neuen Therapieformen, die noch zielgerichteter in das Tumorgeschehen eingreifen. Die Onkoradiologie ist in diese Behandlungsprozesse immer stärker eingebunden, denn man ist bei dieser Form der personalisierten Medizin auf möglichst schnelle und zuverlässige Nachweise des Therapie-Ansprechens angewiesen. Doch für die vielfältigen Tumorerkrankungen und individualisierten Behandlungsmethoden braucht es auch verschiedene radiologische Messmethoden und objektive Beurteilungskriterien. PD Dr. Jörg Stattaus, Chefarzt an der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Krankenhaus Bergmannsheil-Buer in Gelsenkirchen, über die aktuellen Möglichkeiten und Grenzen der Response-Beurteilung.
Je kleiner der Tumor wird, desto größer der Therapie-Erfolg, so lautete viele Jahre die Devise, wenn es um das Ansprechen und die Progression von Läsionen beim Therapiemonitoring ging. Das war jedoch, bevor Chemo- und Strahlentherapie immer häufiger durch zielgerichtete molekulare Therapien, die sogenannten Targeted Therapies, abgelöst wurden. „Diese neuartigen Verfahren mit monoklonalen Antikörpern und Thyrosinkinase-Inhibitoren hemmen weniger das Zellwachstum der Tumorzellen, sondern greifen vielmehr in deren Stoffwechselprozesse ein“, erklärt Dr. Stattaus, „das bedeutet, dass sie den Tumor nicht unbedingt schrumpfen lassen. Die Größenmessung des Tumors nach den RECIST-(Response Evaluation Criteria In Solid Tumors-)Kriterien, die heute routinemäßig bei der Therapiekontrolle zum Einsatz kommen, greift in diesen Fällen also nur noch unzureichend.“
Der Radiologe muss demnach genaue Kenntnisse darüber haben, welche Art der Therapie der Patient seit wann erhält. Im Idealfall stehen diese Informationen auf dem Zuweiserschein – in der Realität sieht das manchmal anders aus, weiß Stattaus: „Steht in der Anmeldung für eine solche Untersuchung nichts, muss man unbedingt beim behandelnden Kollegen nachhaken. Eine vernünftige Beurteilung ist sonst nicht möglich. Es könnte zum Beispiel sein, dass eine Therapie beim Patienten zwischenzeitlich ausgesetzt wurde. Dann bedeutet eine Größenzunahme des Tumors natürlich kein Therapieversagen. Andererseits ist der Radiologe alarmiert, wenn er weiß, dass der Patient eine molekulare Therapie oder eine Lokaltherapie bekommt. Dann hat die größenbasierte Messung nach RECIST ernst zu nehmende Limitationen und man sollte andere Messmethoden wie EASL und Choi hinzuziehen.“
Zurzeit befinden sich viele neuartige radiologische Messmethoden zur Response-Beurteilung in der klinischen Erprobung. Ziel ist, verschiedene funktionelle Zielparameter als Biomarker für das Therapie-Ansprechen zu entwickeln. Die Nuklearmedizin ist der Radiologie bereits einen Schritt voraus. Das PET-CT ermöglicht bereits heute ein präzises funktionelles Restaging, das beispielsweise bei Lymphomen leitlinienkonform eingesetzt werden sollte.
Die Radiologie dagegen setzt ihre Hoffnungen unter anderem in die Diffusions-MRT, die sich in den vergangenen zwanzig Jahren schon in der Schlaganfalldiagnostik bewährt hat, so der Gelsenkirchener Chefarzt: „Man hat festgestellt, dass sich mit dem Verfahren nicht nur Diffusionsstörungen im Gehirn aufspüren lassen, sondern auch im Tumorgewebe. Dabei wird die Bewegung der freien Wassermoleküle im Extrazellularraum gemessen, die durch die Tumorzellen eingeschränkt ist. Bei der Tumordetektion kommt die Diffusions-MRT bereits häufig zur Anwendung. Bei der Response-Beurteilung ist die Sache allerdings schwieriger, weil Ausgangs- und Verlaufsbefund bei einer Tumortherapie sich nicht so eindeutig vergleichen lassen wie bei der Größenmessung.“ Die Diffusionsfähigkeit der Wasserprotonen wird mithilfe des sogenannten ADC-(Apparent Diffusion Coefficient-)Werts gemessen. Wissenschaftliche Studien konnten bereits die zuverlässige Aussagekraft des ADC-Werts als Indikator für ein erfolgreiches Therapie-Ansprechen bei bestimmten Krebsarten und Behandlungskonzepten nachweisen. Dennoch ist die Methode noch nicht ausreichend validiert.
Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert auch die CT-Dichtemessung, so Stattaus weiter: „Hier werden ebenfalls Gewebe-Eigenschaften gemessen, nämlich die CT-Dichte in den Tumorzellen. Spricht eine Therapie an, nimmt die Röntgendichte im malignen Herd ab. Bei Verlaufskontrollen von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) hat sich die Methode schon etabliert.“
Große Forschungsanstrengungen werden außerdem in Richtung CT-Perfusion und dynamisches MRT (DCE-MRI) unternommen. „Es liegen bereits kleinere Studien vor, die bei der einen oder anderen Tumorentität in Kombination mit einem zielgerichteten Behandlungskonzept Erfolge gezeigt haben. Wir sind jedoch noch weit davon entfernt, es mit anerkannten Messmethoden zu tun zu haben“, schließt Dr. Stattaus.
IM PROFIL
PD Dr. Jörg Stattaus wurde 1963 in Münster/Westfalen geboren. Seit Oktober 2011 leitet er die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Bergmannsheil Buer in Gelsenkirchen. Zuvor war er viele Jahre am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Essen beschäftigt. Sein Medizinstudium absolvierte er in Essen und Aachen. Jörg Stattaus habilitierte 2009 zum Thema „Stellenwert der perkutanen Schneidbiopsie mithilfe der Computertomographie und Magnetresonanztomographie in der Diagnostik onkologischer Erkrankungen“. Die Krebsdiagnostik, speziell Gewebebiopsien, gehört heute noch zu seinen besonderen Forschungsgebieten.
12.11.2013