Artikel • Befundung mit Hybrid

Kritische Kriterien

Woran erkennt man, ob ein Tumor auf die jeweilige Behandlung anspricht? Die kriterienbasierte Befundung kann dafür einen Referenzrahmen bieten – doch der ist nicht immer zuverlässig, wie Prof. Dr. Clemens Cyran erläutert.

Bericht: Daniela Zimmermann

Der Oberarzt PET/CT an der Klinik und Poliklinik für Radiologie des Klinikums der Universität München befasst sich auf dem CT-Symposium in Garmisch mit den bisher angesetzten Kriterien und zeigt Alternativen aus der Hybridbildgebung auf. „In der onkologischen Bildgebung ist die kriterienbasierte Evaluierung im Primärstaging, im Therapiemonitoring, aber auch in der Rezidivdiagnostik von großer Bedeutung, um eine objektivierbare Nachvollziehbarkeit der Befunderhebung zu gewährleisten“, sagt Cyran. Die Reproduzierbarkeit ist entscheidend, damit Untersuchungen identischer Fälle in verschiedenen Zentren auch zu gleichen Schlüssen führen.

Morphologische oder metabolische Kriterien?

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Prof. Dr. Clemens Cyran ist Oberarzt PET/CT an der Klinik und Poliklinik für Radiologie des Klinikums der Universität München.

Zur Unterteilung der Patienten in Responder und Non-Responder existieren für klinische Studien bislang die etablierten Kriterien nach RECIST 1.1 (Response Evaluation Criteria In Solid Tumors), die sowohl von der Europäischen Arzneimittel-Agentur als auch von der FDA anerkannt sind. „Allerdings hat die rein morphologische Bildgebung wie die Computertomographie, die die Basis für die RECIST-Kriterien darstellt, nur eine sehr eingeschränkte Sensitivität und Spezifität“, sagt Cyran. „Durch Verfahren der Hybridbildgebung, insbesondere der PET/CT, kann eine signifikante Verbesserung erreicht werden.“ Der Schlüsselbegriff in diesem Zusammenhang lautet „Change in management“: Dabei wird verglichen, ob eine andere Therapie angesetzt würde, wenn statt des reinen CT-Stagings eine Bestimmung per PET/CT zugrunde liegt. „Das ist bei etwa 20 Prozent der Patienten der Fall. Deshalb brauchen wir neben RECIST auch Kriterien, die das metabolische Ansprechen objektivierbar und nachvollziehbar machen. Dieser Aspekt wird zu selten in die therapeutischen Überlegungen einbezogen“, konstatiert Cyran.

Für die Evaluierung der Stoffwechselaktivität kommen derzeit zwei metabolische Kriterien in Betracht: Die von der European Organisation for Research and Treatment of Cancer erarbeiteten EORTC-Kriterien sowie die PERCIST-Kriterien (PET Response Criteria in Solid Tumors). Cyran: „Beide ermöglichen eine sehr sensitive Evaluierung der metabolischen Aktivität und Vitalität, anstatt die reine Tumorgröße als Maßstab anzusetzen.“ Als Tracer kommt der radioaktiv markierte Zucker 18-Fluordesoxyglukose (FDG) zum Einsatz. Meta-Analysen, die PERCIST- und RECIST-Kriterien im Einsatz an verschiedenen Tumorentitäten und Therapien miteinander vergleichen, bescheinigen dem stoffwechselbasierten Ansatz eine signifikant höhere Sensitivität und Spezifität als rein morphologische Kriterien.

FDG-PET/CT ist bislang eine Frage der Kostenerstattung

„Im klinischen Alltag der Onkologie gewinnt die Hybridbildgebung immer größere Bedeutung“, sagt Cyran. „Allerdings übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die ambulanten Behandlungskosten nur unter sehr spezifischen Voraussetzungen, etwa in bestimmten Konstellationen bei Lymphomen oder bei Bronchialkarzinomen. Das ist weiterhin eine große Herausforderung.“ Hoffnung auf eine Verbesserung dieser Situation weckt der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom November 2017, die Evaluierung der PET/CT bei Melanomen weiter voranzubringen. Dies könnte dazu führen, dass künftig mehr Patienten von den Vorteilen der Hybridbildgebung profitieren.

Das ist letztlich auch im Interesse der Kassen, denn die FDG-PET/CT zeigt bei Studien exzellente Ergebnisse und einen Mehrwert für die Patienten, plädiert der Experte: „Mit einer exakten und zielgerichteten Diagnostik können Therapien besser gesteuert, wirkungslose Behandlungen früher abgebrochen und Patienten auf effektivere Therapieoptionen umgestellt werden.“ Jedoch sind Studien, die beweisen, dass die Hybridbildgebung zu einem längeren Überleben mit besserer Lebensqualität der Patienten führt, schwer durchzuführen. In Zeiten evidenzbasierter Medizin sind aber konkrete Daten das einzig gültige Argument – und diese Daten liegen derzeit nicht vor, räumt Cyran ein.

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Sehen und gesehen werden – die neue Beziehung zum Patienten

Ein Teil des Problems ist für den Experten auch die Beziehung zwischen Patient und Radiologe, die meist geringer ausgeprägt ist als zu seinem Onkologen. „Zum einen muss der Beitrag, den die diagnostische Radiologie leistet, wahrnehmbarer werden, z. B. durch vermehrte Patientengespräche. Zum anderen müssen wir die Patienten ganzheitlich begreifen, was bedeutet, dass wir bei Überbringen lebensverändernder Diagnosen auch therapeutische Perspektiven aufzeigen. Dafür ist fundiertes Wissen über die therapeutischen Optionen unverzichtbar.“

KI und strukturierte Befundung bauen die Brücke in die Zukunft

Es herrscht unter Radiologen Einigkeit darüber, dass das Fach einen viel stärkeren klinischen Bezug braucht – Algorithmen zur automatisierten Befundung könnten genau das erreichen

Clemens Cyran

„Künftig werden sich Radiologie und Nuklearmedizin wandeln müssen, um eine zukunftsweisende Weiterentwicklung zu ermöglichen“, sagt Cyran. Mit großem Interesse wird etwa das Thema Künstliche Intelligenz (KI) beobachtet, das vor allem in der automatisierten Diagnostik großes Potenzial hat. „Es herrscht unter Radiologen Einigkeit darüber, dass das Fach einen viel stärkeren klinischen Bezug braucht – Algorithmen zur automatisierten Befundung könnten genau das erreichen“, ist der Radiologe überzeugt. Anstatt allein die Bildgebung heranzuziehen und alles andere auszublenden, soll der Bildbefund KI-gestützt harmonisch in den klinischen Kontext des Patienten eingefügt werden.

Dazu soll auch die strukturierte Befundung mit praxisnahen, standardisierten Kriterien beitragen. „So können Radiologen die Fragen, die Therapeuten und auch Patienten an sie stellen, viel besser beantworten“, sagt Cyran. Denn das ist trotz der umfangreichen Befunde, die etwa von der PET/CT generiert werden, viel zu selten der Fall. Darüber hinaus sollen die Befunde in einem maschinenlesbaren Format erstellt werden, sodass auch Datamining-Tools sie auswerten können. „Konkret bedeutet das, dass nicht nur die Lage eines Tumors beschrieben wird, sondern dass der Befund nach standardisierten Tumorklassifikationen wie BIRADS erstellt und mit einer therapeutischen Konsequenz verknüpft wird.“

In der Kombination aus KI und strukturierter Befundung sieht Cyran zudem einen großen Mehrwert für die Ausbildung: „Wenn ein System automatisch eine Warnung einblendet, sobald etwa ein unerfahrener Befunder die Kriterien nicht regelkonform anwendet, hätte das einen starken edukativen Charakter.“ Die Überprüfung durch einen Facharzt würde das zwar nicht ersetzen, aber sehr effektiv den Umgang mit den Kriterien vermitteln.


Profil:

Prof. Dr. Clemens Cyran ist Oberarzt PET/CT, Oberarzt Personalentwicklung und federführender QM-Beauftragter an der Klinik und Poliklinik für Radiologie des Klinikums der Universität München. Als Research Fellow forschte er von 2006 bis 2007 am Center for Pharmaceutical and Molecular Imaging der University of California, San Francisco, USA. Seit 2012 ist Cyran als Facharzt für Radiologie anerkannt, seit 2015 mit der Fachkunde Nuklearmedizin, und seit 2013 an der Ludwig-Maximilians-Universität München habilitiert. 2017 folgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor. Er wurde mehrfach mit dem ‚RSNA Award for Young Investigators in Molecular Imaging‘ ausgezeichnet und hat 2010 den Preis des Deutschen Netzwerks Molekulare Bildgebung erhalten.


Veranstaltung:

Freitag, 19.01.2018,

11:30-11:50 Uhr

Hybrid-Bildgebung und kriterienbasierte Befundung

Clemens Cyran, D-München

Session: Onkologie

15.01.2018

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