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Künstliche Intelligenz als Entlastung für den Arzt
Viele technologische Innovationen setzen vermehrt auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Ob bei der Fahrt mit der fahrerlosen U-Bahn, der Nutzung eines Online-Übersetzers oder der Ansprache von digitalen Sprachassistenten, wie Alexa und Siri – KI begegnet uns mittlerweile schon an zahlreichen Stellen des Alltags.
Gezielt eingesetzt kann sie dem Menschen von großem Nutzen sein. Zahlreiche Branchen haben das bereits erkannt und KI fest in ihre Produkte und Abläufe integriert. Auch für die Medizin verspricht ihre Etablierung zuvor nicht geahnte Möglichkeiten. In der Zukunftsvision eines Smart Hospitals könnte ihr Einsatz nicht nur bei den Aufnahmeformalitäten zu erheblichen Arbeitserleichterungen führen: Insbesondere bei der Diagnostik und im OP-Saal bietet KI das Potenzial, Ärzte gezielt zu entlasten, eine genauere Präzision zu erzielen und noch dazu kostbare Zeit einzusparen.
Die Chancen von KI und die Implementierung in medizintechnische Systeme sind eine Facette der vielen Zukunftsthemen der Medizintechnik, denen die Fachmesse MedtecLIVE vom 21. – 23.Mai im Messezentrum Nürnberg eine Plattform bieten wird: „Innovationen und Entwicklungen von etablierten Unternehmen ebenso wie Start-ups feiern nicht nur beim Innovation Market Place und dem Neuheitenstand der MedtecLIVE ihre Premiere: Alle Akteure der Medizintechnikbranche haben hier die Möglichkeit, sich über die nächste Generation von medizinischen Geräten zu informieren“, sagt Alexander Stein, Director MedtecLIVE bei der NürnbergMesse.
Kompagnon für den Arzt
Ärzte im Dauerstress und ein zunehmender Mangel an medizinischen Fachkräften – ein Problem, mit dem viele Kliniken und Praxen hierzulande derzeit zu kämpfen haben. Der Einsatz von KI in der medizinischen Praxis hat das Potenzial, Ärzte gezielt zu entlasten. Welche attraktiven Möglichkeiten neue Technologien bieten, können Besucher der internationalen Fachmesse für alle Hersteller und Zulieferbereiche der Medizintechnik, der MedtecLIVE, erleben: „Auf der MedtecLIVE treffen sich Entwickler und Experten aus aller Welt um sich auszutauschen und gemeinsam Innovationen zu gestalten“, verspricht Alexander Stein.
An Unterstützung für den Arzt mittels KI arbeitet Siemens Healthineers. Unter anderem aufgrund des Mangels an Fachkräften werde diese dringend benötigt: Um zehn bis zwölf Prozent steige beispielsweise die Anzahl der durchgeführten CT‘s im Jahr an, die Anzahl der Radiologen jedoch nur um drei bis vier Prozent. Aus diesem Grund habe der Radiologe meist nur einige Minuten Zeit, gezielt auf ein Bild zu schauen. Studien zufolge steige die diagnostische Fehlerrate mit Erhöhung der Befundungsgeschwindigkeit, schildert Jörg Aumüller, Head of Digitalizing Healthcare Marketing bei Siemens Healthineers, eine bestehende Problematik. „Mit dem AI-Rad Companion Chest CT, einer auf KI basierenden Anwendung für die Computertomographie, soll es Radiologen ermöglicht werden, Aufnahmen des Thorax schneller und präziser interpretieren zu können“, beschreibt Aumüller eine der rund 40 KI enthaltenen Applikationen von Siemens Healthineers. Dass KI den Arzt in Zukunft einmal ganz ersetzen wird, glaubt Aumüller nicht. Vielmehr solle er diesem als eine Art Begleiter unterstützend zur Seite stehen. „Aus diesem Grund steckt auch das Wort Companion in den Produktbezeichnungen. Die Familie der digitalen Begleiter ergänzt neben dem AI-Rad Companion auch der sogenannte AI-Pathway Companion. Es hilft Ärzten zum Beispiel, in onkologischen Fragestellungen Arbeitsabläufe zu standardisieren und zu beschleunigen. Als Erweiterung der Präzisionsmedizin unterstützt die KI hier den Arzt bei Entscheidungen im klinischen Behandlungspfad.“
Mittlerweile sind bereits über 40 KI-basierte Applikationen in den Produkten von Siemens Healthineers integriert. Ein weiteres Beispiel ist die FAST 3D Camera der Somatom go Computertomographen. „Gestützt auf KI und Deep-Learning-Technologien ermöglicht diese Kamera die automatische, präzise isozentrische Positionierung der Patienten “, erklärt Jörg Aumüller. Laut Studien besteht bei über 90 Prozent der Aufnahmen Verbesserungspotential hinsichtlich der Lagerung des Patienten. Doch schon kleine Unterschiede in der Positionierung des Patienten können von Bedeutung sein: „Bereits wenige Zentimeter Abweichung von der idealen Position können sich negativ auf die Röntgendosis sowie die Bildqualität auswirken“, sagt Aumüller. Ausgestattet sind die Somatom go Computertomographen dafür mit einer 3D Infrarot-Kamera, die auf KI und Deep-Learning-Technologien basiert. „Bereits zu Beginn der diagnostischen Kette können somit unerwünschte Abweichungen reduziert und potentielle Wiederholungsscans vermieden werden“, so Aumüller.
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Ganganalyse für eine optimierte Medikation
„Im Schnitt sieht ein Arzt seinen Patienten typischerweise einmal im Quartal für 15 Minuten“, sagt Ralph Steidl, Geschäftsführer der 2016 im MedicalValley Erlangen-Nürnberg gegründeten Portabiles Healthcare Technologies GmbH. Mitbegründer des jungen Unternehmens sind Professor Björn Eskofier, Inhaber des Lehrstuhls für maschinelles Lernen und Datenanalytik der Universität Erlangen-Nürnberg und Professor Jochen Klucken, Neurologe und Parkinson-Experte an der Universitätsklinik Erlangen und medizinischer Direktor des Medical Valley Digital Health Application Centers. Das Unternehmen entwickelt eine Ganganalyse, das Mobile GaitLab, die die Wirkung einer Therapie bei Patienten mit Bewegungserkrankungen, insbesondere dem Parkinson Syndrom, objektiv messen soll. Gerade diese Patienten leiden unter sehr starken Schwankungen in ihrer Bewegungsfähigkeit, sagt Steidl: „Der Arzt weiß also nicht, in welcher Verfassung er den Patienten vor sich hat. Bereits eine ,normale‘ Ganganalyse – ohne KI – bietet dem Arzt den Vorteil eines objektiven, ganzheitlichen Bildes über den motorischen Zustand seines Patienten.“ Die Messung selbst erfolgt dabei über in Schuhe integrierte Bewegungssensoren. Dadurch, dass die Patienten diese Schuhe im Alltag ganztägig tragen können, habe der behandelnde Arzt die Möglichkeit, tagesaktuell die Bewegungsfähigkeit des Patienten zu überprüfen. „So kann er rechtzeitig und zielgerichtet seine Therapie individuell auf den Patienten anpassen.“ Unterstützt werden soll die Innovation durch den Einsatz von KI. Eine große Möglichkeit bietet diese in der Herstellung von Kausalität: „Obwohl eine klare Zuordnung von Ursache und Wirkung mittels KI nicht immer möglich ist, kann sie auch heute schon helfen, Zusammenhänge zwischen Symptomen und Krankheit zu erforschen. So kann sie die Entwicklung von ,herkömmlichen‘ mathematik-basierten Algorithmen befruchten, die eine höhere Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse ermöglichen“, meint Ralph Steidl. Bereits heute sei es möglich, mit Deep Learning Algorithmen hochpräzise Gangparameter zu berechnen. KI jedoch kann noch mehr: „Durch die Zuhilfenahme Künstlicher Intelligenz wollen wir aus dem Gangbild den Krankheitsverlauf ein Stück weit vorhersagen und beispielsweise berechnen, wie hoch die individuelle Sturzgefahr des Patienten ist.“ Auf diese Weise habe der Arzt die Möglichkeit, seine Therapie rechtzeitig und individuell auf den Patienten anzupassen.
In der Prognostik mittels Sensoren sieht auch Dr. Marc Batschkus, der sich auf die medizinische Informationsverarbeitung spezialisiert hat und auch beratend tätig ist, den Mehrwert der KI: „Kleine Geräte werden besonders chronisch Kranken bessere Anzeigen zu ihrem Verlauf und eventuell nötigen Interventionen geben können. Im Vordergrund sind hier die Sensoren, weniger die KI. Allerdings werden diese Daten für große Datensammlungen benutzt und daraus Prognosen abgeleitet.“
Maschinelles Lernen
Damit die KI derartige Aufgaben überhaupt erfüllen kann, muss sie zunächst angelernt werden. „Beim Maschinellen Lernen stellt der Mensch einem Algorithmus Daten zur Verfügung“, erklärt Dr. Matthias Weidler von ASTRUM IT, einem im Medical Valley ansässigen Dienstleister, der sowohl IT-Consulting als auch Software Engineering anbietet. Damit, erklärt Weidler, müsse die KI entsprechend trainiert werden: „Dazu werden dem System beispielsweise Bilder von gesunden und gebrochenen Knochen gezeigt. Das Ziel ist es, anhand der Daten dem System beizubringen, was zu welcher Klasse gehört“, so Weidler. Wichtig dafür sei es zudem, dass die Daten die gesamte Vielfalt abbilden und qualitativ hochwertig sind.
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Grenzen der KI
Allerdings gebe es dabei heutzutage noch gewisse Grenzen, gibt sein Kollege Dr. Jan Paulus zu bedenken: „Die KI ist noch weit davon entfernt, Regeln selbst weiter zu verarbeiten. Sie hat kein Bewusstsein, keine Kreativität und ist noch nicht imstande, zu erkennen, warum etwas so ist, wie es ist.“ Weidler fügt hinzu: „Alles auf was die KI nicht trainiert wurde, kann sie auch nicht zuordnen. Daher ist eine Vielzahl an Trainingsdaten unabdingbar. „Um an die erforderliche Menge an Trainingsdaten zu kommen, sind klinische Kooperationen unerlässlich“, gibt Aumüller zu bedenken. Siemens Healthineers setzt dabei auf internationale Zusammenarbeit: „Auf diese Weise kann die KI auch kontinentübergreifend trainiert werden und mittels zusammengeführter Daten verschiedene Populationen abdecken.“ Viel Arbeit in das Anlernen ihrer noch im Entstehungsprozess befindlichen KI hat auch Portabiles gesteckt: „Wir haben zu diesem Zweck mehr als 2.000 klinisch stratifizierte Ganganalysen, vor allem mit Parkinson Patienten, durchgeführt. Dadurch haben wir bereits einen großen Datenpool. Dieser wird durch drei klinische Studien, die gegenwärtig laufen, zusätzlich anwachsen“, berichtet Ralph Steidl.
Gerade in Europa ist die Gewinnung von Daten aufgrund der strengen Datenschutzverordnung mit vergleichsweise mehr Aufwand sowie damit einhergehenden Zeiteinbußen verbunden als in anderen Ländern wie beispielsweise in China, einem Vorreiter in Bezug auf die KI. Nicht zuletzt, um im internationalen Wettbewerb standhalten zu können, hat die Bundesregierung am 15. November 2018 die Strategie Künstliche Intelligenz verabschiedet. Das Ziel ist es, die Entwicklung und Forschung bezüglich der KI hierzulande zu fördern und Deutschland als Forschungsstandort für KI zu stärken. Das Problem des hohen Bedarfs an Daten für das Anlernen auf der einen, ein beschränkter Zugang zu ebendiesen auf der anderen Seite, ist dabei auch der Bundesregierung bekannt und soll mittels der Strategie verbessert werden: „Um mit den Potenzialen von Datenbeständen in anderen Regionen der Welt mitzuhalten, muss unmittelbar EU-weit gedacht und gehandelt werden. Die European Science Cloud (EOSC) bietet hier einen ersten Ansatzpunkt.“ Ebenso das Etablissement von sogenannten Datenpartnerschaften sieht die Bundesregierung als eine potentielle Lösung: „Gerade in industriellen Prozessen, in denen große Datenmengen erzeugt und ausgewertet werden, liegt im Datenaustausch und dem Datenpooling ein großes Potenzial. Die Bundesregierung prüft die Möglichkeiten, gegenseitige ,Datenpartnerschaften‘ zwischen Unternehmen zu unterstützen, etwa durch Erhöhung der Sichtbarkeit bestehender Plattformen wie den International Data Space (IDS).“ Ob die Strategie erfolgreich ist, wird sich in den nächsten Jahren zeihen – ihre Laufzeit ist noch bis 2025 angesetzt. Für ihre Umsetzung möchte der Bund bis dahin rund drei Milliarden Euro investieren.
Als eine weitere Problematik spricht Batschkus an, dass viele Daten allein noch nicht zum gewünschten Ergebnis führen: „Der Begriff und die Methodik der KI sind untrennbar mit Big Data verbunden, da große Datenmengen benötigt werden, um KI Systeme zu erstellen oder zu trainieren. Bei Big Data gibt es jedoch zahlreiche methodische Schwachstellen und eine voreilige Euphorie nach dem Motto ,Mehr Daten bedeutet mehr Erkenntnis‘. Teilweise wird hier ohne jeden theoretischen Ansatz gearbeitet und damit sind Fehler und Fehlentscheidungen bei der Entwicklung schon vorprogrammiert.“ Tatsächlich ist ein gewisses Know-how für das Anlernen der KI eine obligatorische Voraussetzung: „Häufig werden die Fehler nicht böswillig gemacht, sondern weil erforderliche Kenntnisse einfach nicht vorhanden sind“, bemerkt Paulus. Um in solchen Fällen Abhilfe zu schaffen, bietet ASTRUM IT eine unterstützende Beratung – und die ist zurzeit gefragter denn je: „Seit letztem Jahr bieten wir aufgrund der steigenden Nachfrage speziell zum Thema der Künstlichen Intelligenz Beratungen, Schulungen sowie Konzeptarbeiten. Das geht soweit, dass wir den gesamten Entwicklungsprozess begleiten“, so Weidler.
Quelle: MedtecLIVE
26.04.2019