Microfotografie eines IPTO: Das aus pluripotenten Stammzellen gezüchtete...
Microfotografie eines IPTO: Das aus pluripotenten Stammzellen gezüchtete Gehirn-Organoid ist grün dargestellt, die Zellen des Mini-Tumors sind rot eingefärbt.

Bildquelle: Liu/DKFZ

News • Vorhersage von Therapieansprechen

Personalisierte Hirntumor-Organoide für individuelle Therapien

Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und von der ShanghaiTech University haben ein innovatives Verfahren entwickelt, um Hirntumoren individueller Patienten besonders naturnah im Labor nachzubilden.

Medikamententests in diesem Modell stimmten sehr gut mit den tatsächlichen Patientenreaktionen überein, was es zu einer wertvollen Methode für die Untersuchung von Therapieansprechen macht. Die Forscher stellen ihre Erkenntnisse im Fachjournal Cell Stem Cell vor

Tumor-Organoide, also Minitumoren, die aus chirurgischem Material in der Kulturschale herangezogen werden, werden heute in der Krebsforschung vielfältig genutzt. Zahlreiche Forschungsgruppen haben bereits Ansätze entwickelt, um auch Hirntumoren, insbesondere für die sehr aggressiven Glioblastome, im Labor zu kultivieren. Allerdings ist die Komplexität der Tumoren eine große Herausforderung für diese Forschung. Bei vielen der existierenden Methoden verlieren die Mini-Tumoren schnell wichtige Eigenschaften oder die Wechselwirkungen zwischen Tumorzellen und ihrer Umgebung können nicht angemessen dargestellt werden.

Mit den IPTOs können wir erstmals nicht nur die Struktur und Heterogenität der Tumoren erhalten, sondern auch ihre Reaktion auf verschiedene Therapien vorhersagen

Haikun Liu

Das neue Modell von Haikun Liu, DKFZ, setzt auf zerebrale Organoide – eine Art „Mini-Gehirne“, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen gezüchtet werden. In diesen Organoiden, die Gehirn-ähnliche Bedingungen aufweisen, lassen die Forschenden frisch entnommene Tumorproben heranwachsen. Auf diese Weise entsteht ein Abbild des Tumors, das die Vielfalt der Zelltypen, die komplexe Tumorumgebung und die molekularen Eigenschaften des Ursprungstumors genau nachahmt. Die neue „IPTO“ (Individualized Patient Tumor Organoid) genannte Methode wurde mit Patientenmaterial aus Kliniken in Heidelberg und Mannheim erprobt und in Kooperation mit der ShanghaiTech University an einer großen Anzahl von Hirntumor-Patienten aus Shanghai validiert. 

„Mit den IPTOs können wir erstmals nicht nur die Struktur und Heterogenität der Tumoren erhalten, sondern auch ihre Reaktion auf verschiedene Therapien vorhersagen“, erklärt Studienleiter Haikun Liu. Das Besondere: Die Methode ist auf eine breite Palette von Tumoren des Zentralnervensystems anwendbar – von aggressiven Hirntumoren wie Glioblastomen bis hin zu Hirnmetastasen, die bei etwa 20% aller Krebspatienten auftreten. In der aktuellen Studie züchtete das Team IPTOs von 48 Tumorarten, darunter verschiedene kindliche Hirntumoren, unterschiedlichen Formen von Glioblastomen sowie Hirnmetastasen von Brust-, Lungen- oder Darmkrebs. „Wir gehen davon aus, dass die Kommunikation zwischen Neuronen und Krebszellen im IPTO-Modell das Wachstum von Tumoren des zentralen Nervensystems begünstigt, was die jüngsten Entwicklungen in der Krebs-Neurowissenschaft widerspiegelt“, erklärt Liu.

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Als besonders eindrucksvoll bewerteten die Forschenden die Eignung des IPTO-Modells für Wirksamkeits-Tests von Chemotherapien oder anderen Krebsmedikamenten auf individuelle Tumoren. In einer prospektiven Untersuchung an 35 Glioblastom-Patienten konnten sie mithilfe der IPTOs das Ansprechen auf das wichtige Medikament Temozolomid präzise vorhersagen. Auch in Versuchen mit aus Hirnmetastasen gezüchteten IPTOs spiegelten die Mini-Tumoren in der Kulturschale die Therapieergebnisse mit zielgerichteten Medikamenten genau wider – ein entscheidender Schritt hin zu einer personalisierten Medizin. Da auch die Menge an Immunzellen zwischen IPTOs und ihren Eltern-Tumoren übereinstimmt, prüft das Team um Liu bereits, ob die Mini-Tumoren zur Vorhersage der Wirksamkeit von Immuntherapien geeignet sind. 

„Wir freuen uns, dass bereits Ärzte aus verschiedenen Ländern an uns herangetreten sind, um zu erörtern, wie das IPTO-Modell eingesetzt werden kann, um schneller und zuverlässiger die besten Behandlungsmöglichkeiten für ihre Patienten zu finden“, sagt Haikun Liu. Der Stammzell-Experte hat kürzlich gemeinsam mit Kollegen ein DKFZ-Spin-off gegründet, um das Potenzial von IPTOs für die Arzneimittelprüfung weiter zu evaluieren. 

Die hochwertigen molekularen Daten aus der medikamentösen Behandlung sollen außerdem gesammelt und für das Training fortgeschrittener KI-Modelle verwendet werden, die dabei helfen können, die beste Behandlung für Hirntumorpatienten zu finden. Bevor sie in der Patientenversorgung eingesetzt werden kann, muss die Methode jedoch noch weiter evaluiert werden. 


Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum

13.02.2025

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