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Artikel • Fachgesellschaft betont Bedeutung der Sonografie
Ultraschall: Mittel der Wahl bei Erkrankungen im Gehirn
Eine Lanze für den Ultraschall zur Diagnose diverser Erkrankungen im Gehirn brachen kürzlich Mediziner im Rahmen einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM). Sie warnten davor, dass sich die Bildgebung komplett in Richtung CT und MRT verschiebt – dabei sei Ultraschall in vielen Fällen eine gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Methode.
Artikel: Sonja Buske
„Auf uns rollt eine Parkinson-Pandemie zu“, verkündete Prof. Dr. Daniela Berg direkt zu Beginn ihres Vortrags. Die Direktorin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) sprach sich mit Nachdruck dafür aus, Parkinson früher zu diagnostizieren, um die jährlich mehr als 40.000 Fälle allein in Deutschland deutlich zu reduzieren. „Wir fangen erst mit der Therapie an, wenn die ersten Symptome wie Steifheit oder Zittern, die auf einen Dopamin-Verlust zurückzuführen sind, auftauchen. Doch dann sind bereits viele Zellen irreversibel zerstört“, weiß Berg. „Hinzu kommt, dass die Diagnosestellung komplex ist und die Krankheit oft um Jahre verschleppt wird, da Bewegungsprobleme gerade im Alter nicht ungewöhnlich sind und auch auf andere Erkrankungen hinweisen können. Erst zusätzliche Auffälligkeiten wie Verstopfung, Depressionen, Schlafstörungen und eine gestörte Geruchswahrnehmung festigen meist die Diagnose.“
Bereits Mitte der 90er-Jahre wurden mit Ultraschall typische Veränderungen wie ein hoher Eisengehalt und vermehrte Entzündungsquellen im Mittelhirn entdeckt, die auf eine Parkinson-Erkrankung hindeuteten. Inzwischen wird diese Methode auf der ganzen Welt angewandt. „Die Veränderungen können sogar schon bei gesunden Menschen nachgewiesen werden, die erst Jahre später die ersten Symptome entwickeln würden“, zeigt sich die Neurologin begeistert. „Mittels transkraniellem Ultraschall können wir Risikopatienten somit frühzeitig entdecken.“
MRT-gesteuerter fokussierter Ultraschall
Bei einem essentiellen Tremor setzt man aktuell auf eine medikamentöse Therapie als erstes Mittel der Wahl. Damit kann das Zittern um bis zu 50 Prozent reduziert werden. „Bei manchen Patienten reichen diese 50 Prozent jedoch nicht aus, um selbstständig essen oder schreiben zu können“, erklärt Dr. Steffen Paschen. Berufsunfähigkeit, sozialer Rückzug und deutliche Beeinträchtigungen im Alltag seien die Folge. Der nächste Schritt wäre die tiefe Hirnstimulation. „Doch auch wenn es sich hierbei um ein etabliertes Standardverfahren handelt, das direkt beidseitig angewendet werden kann und einen über Jahrzehnte anhaltenden Effekt bietet, birgt diese Form der Behandlung Risiken, da sie am offenen Gehirn durchgeführt wird“, erläutert der Oberarzt an der Klinik für Neurologie am UKSH.
Vielversprechend ist daher eine relativ neue Technik zur Bekämpfung des essentiellen Tremors, der MRT-gesteuerte fokussierte Ultraschall (MRgFUS). Mittels Ultraschalls wird hierbei im MRT Hirngewebe verödet. Zunächst wird jedoch eine Testerwärmung durchgeführt, die die Nervenzellen vorübergehend lahmlegt. Treten keine störenden Nebenwirkungen auf, wird mit der irreversiblen Verödung begonnen. Der Schädel muss während der gesamten Behandlung gekühlt und die Haare abrasiert werden.
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MRgFUS: Mit fokussiertem Ultraschall gegen den Tremor
Eine neue Art der Behandlung könnte Parkinsonpatienten wieder Hoffnung bringen: Mit Magnetresonanz-gesteuertem, hoch fokussiertem Ultraschall (MRgFUS) haben Ärzte am Universitätsklinikum Bonn erfolgreich zwei Patienten mit schwerem therapieresistentem essentiellem Tremor behandelt. Dabei kam ein Gerät zum Einsatz, das in Deutschland bislang einzigartig ist.
„Wir erreichen mit dieser Methode eine Besserung des Zitterns von 80 Prozent“, zeigt sich Paschen begeistert. Noch ist die Behandlung nur einseitig möglich, es laufen jedoch bereits Studien für einen beidseitigen Einsatz. Weltweit wurden bisher rund 4000 Patienten mit MRgFUS therapiert. Paschen betont, dass die Auswahl der geeigneten Patienten unbedingt interdisziplinär erfolgen muss: „Der Austausch zwischen Radiologen, Neurochirurgen, Gerinnungsmedizinern, aber auch Psychiatern ist sehr wichtig.“
Kopf-Untersuchungen bei Säuglingen nur mit Ultraschall
Professor Dr. Karl-Hein Deeg rät regelrecht davon ab, Untersuchungen am Schädel von Früh- und Neugeborenen im MRT durchzuführen. Der ehemalige Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendliche am Klinikum Bamberg spricht sich klar für den Einsatz von Ultraschall aus, um Blutungen oder Fehlbildungen sowie Ventrikelerweiterungen im Gehirn zu erkennen. „Der Schädel eines Säuglings ist im Gegensatz zu dem eines Erwachsenen noch nicht geschlossen“, erklärt er. „Durch die Fontanellen sind intrakranielle Strukturen mittels Ultraschalls sehr gut darstellbar, die Bildqualität ist optimal. Für eine Untersuchung im MRT müsste man die Kinder sedieren. Ultraschall ist dagegen selbst auf der Intensivstation im Inkubator durchführbar.“
Auch bei älteren Babys, die zum Beispiel vom Wickeltisch gefallen sind oder ein Schütteltrauma durch Misshandlungen erlitten haben, seien Veränderungen im Gehirn mit einem hochauflösenden Ultraschallgerät viel besser erkennbar als im MRT. Deeg: „Wichtig ist jedoch, dass kein Druck auf die Fontanellen ausgeübt werden darf und viel Gel verwendet werden muss, um die dünne Haut zu schützen.“
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Bei der Aufdeckung einer Kindesmisshandlung kommt der Kinderradiologie eine Schlüsselrolle zu. Ob die Verletzung eines Kindes durch Unfall oder Gewalt entstanden ist, kann meist erst mit Hilfe von Sonographie, Röntgen, Magnetresonanz- bzw. Computertomografie beurteilt werden.
Engmaschiges Monitoring am Krankenbett
PD Dr. Michael Ertl, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie am Universitätsklinikum Augsburg, machte abschließend deutlich, dass der Einsatz von Ultraschall auch aus Zeit- und Personalgründen Vorteile mit sich bringt. „Ultraschall ist ein Verfahren, das beliebig oft ohne großen Aufwand am Patientenbett durchgeführt werden kann. Dadurch kann man einen sehr guten Eindruck vom Verlauf der Erkrankung bekommen und Komplikationen frühzeitig entdecken. Dieses engmaschige Monitoring ist im MRT oder CT nicht möglich und der regelmäßige Transport von Intensivpatienten zudem gefährlich.“
14.06.2022