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MRgFUS: Mit fokussiertem Ultraschall gegen den Tremor
Eine neue Art der Behandlung könnte Parkinsonpatienten wieder Hoffnung bringen: Mit Magnetresonanz-gesteuertem, hoch fokussiertem Ultraschall (MRgFUS) haben Ärzte am Universitätsklinikum Bonn erfolgreich zwei Patienten mit schwerem therapieresistentem essentiellem Tremor behandelt. Dabei kam ein Gerät zum Einsatz, das in Deutschland bislang einzigartig ist.
Quelle: Pixabay/mtmmonline
Eine leserliche Unterschrift war für Dieter Z. und Klaus J. vor kurzem noch eine unlösbare Aufgabe. Ein schwerer therapieresistenter essentieller Tremor ließ ihre Hände so stark zittern, dass selbst alltägliche Tätigkeiten nicht möglich waren. Diesem Zustand setzte das Team aus Neurologen, Radiologen und Neurochirurgen am Universitätsklinikum Bonn nun ein Ende: mit dem deutschlandweit ersten Gerät seiner Art behandelten sie den Tremor durch MRgFUS direkt im Gehirn – gezielt und ohne den Schädel zu öffnen. Die erfolgreiche Therapie an den beiden Patienten ist der vielversprechende Auftakt einer Studie zur Behandlung von Tremorpatienten.
© Neurologie / UK Bonn
Laut den bisherigen weltweit erzielten Ergebnissen, hat die Methode durchaus das Potential eine Alternative zur bereits etablierten Tiefenhirnstimulation zu werden
Hartmut Vatter
„Es war faszinierend: Ich kam aus der Röhre und meine Hand war ruhig. Ich kann endlich wieder ein Glas halten“, freut sich Dieter Z., der seit etwa fünf Jahren unter dem Tremor litt. Etwa drei Stunden dauerte seine Behandlung, bei der hochintensive Schallwellen von außen die dafür verantwortlichen Areale im Gehirn abschalteten. Dazu wurde dem 81-Jährigen für den hoch fokussierten Ultraschall eine Art Helm mit integrierter Wasserkühlung für das Schädeldach aufgesetzt. Von 1.024 Positionen werden bei diesem Verfahren Ultraschallwellen – jede für sich ungefährlich für das Hirngewebe – punktgenau auf den Zielpunkt im Thalamus gesendet und dort wie bei einem Brennglas gebündelt (Ultraschallkoagulation). Für die dafür notwendige hochpräzise Lokalisation sorgt die mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) gesteuerte Neuronavigation, damit nur der gewünschte Bereich in der Tiefe des Gehirns inaktiviert wird.
„Wo der ideale Zielpunkt ist, können wir durch MR-kontrollierte Energiesteigerung bei der Behandlung gefahrlos testen“, sagt Prof. Dr. Ullrich Wüllner, Leiter der Sektion Bewegungsstörungen an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikum Bonn. So tastet sich das Bonner Team Schritt für Schritt vor und prüft mit einer unterhalb 50 Grad Celsius umkehrbaren Hemmung, ob der Tremor bei dem während des Eingriffs wachen Patienten abnimmt. Ist auf diese Weise ein Zielpunkt gefunden, wird die Temperatur bis auf etwa 55 bis 60 Grad Celsius gesteigert. „Nur dort wird das Hirngewebe zerstört und so inaktiviert. Dabei ist die Präzision dank MR-Kontrolle sehr hoch“, sagt Prof. Dr. Hans Schild, Direktor der Klinik für Radiologie am Universitätsklinikum Bonn. „In 25 Jahren Neurologie habe ich es noch nicht erlebt, wie eine so starke Bewegungsstörung so deutlich gebessert werden kann. Ich halte die Methode für bahnbrechend und glaube, dass man vielen Betroffenen damit grundsätzlich helfen kann, aber auch viel über die Entstehung des essentiellen Tremors lernen wird“, ergänzt Prof. Wüllner nach dem erfolgreichen Eingriff.
© Johann Saba / UK Bonn
Nach den ersten internationalen Studien lässt sich durch die Kombination aus fokussierten Ultraschall und MR-Steuerung während des Eingriffs an einer Kopfhälfte das Händezittern auf der entgegengesetzten Körperseite signifikant verbessern. Das neue Verfahren ist zwar nicht invasiv, die Inaktivierung des Hirngewebes allerdings auch nicht reversibel. Auch ein erhöhtes Risiko für Sprechstörungen muss im Rahmen weiterer Studien untersucht werden. „Laut den bisherigen weltweit erzielten Ergebnissen, hat die Methode durchaus das Potential eine Alternative zur bereits etablierten Tiefenhirnstimulation zu werden – vor allem für Patienten mit erhöhtem OP-Risiko oder diejenigen, die eine Tiefen Hirnstimulation aufgrund des dafür erforderlichen chirurgischen Eingriffs ablehnen“, sagt Prof. Dr. Hartmut Vatter, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Bonn.
Quelle: Universitätsklinikum Bonn
31.07.2018