Artikel • Demenz-Diagnostik verbessern

„Vaskuläre kognitive Beeinträchtigungen sind unterdiagnostiziert“

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein gutes Werkzeug, um der Ursache einer Demenz auf die Spur zu kommen – doch es gibt noch Verbesserungspotenzial.

Artikel: Michael Krassnitzer

Bildquelle: Adobe Stock/Nomad_Soul

Bis vor Kurzem bestand die Aufgabe der MRT in Zusammenhang mit Demenz darin, bestimmte Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik (Gehirntumor, Subduralhämatom) auszuschließen. „Heute wird die MRT eingesetzt, um die Ursache einer Demenzerkrankung in Subtypen zu klassifizieren“, betont Prof. Dr. Meike Vernooij, Professorin für Neuroradiologie am Erasmus University Medical Center in Rotterdam (Niederlande). In ihrem Vortrag beim diesjährigen Europäischen Radiologie-Kongress (ECR) gebrauchte sie dazu den Begriff „ätiologische Diagnostik“. 

Es sind vor allem zwei Dinge, auf die Neuroradiologen bei der Ursachenforschung in Zusammenhang mit Demenz zu achten haben: Anzeichen von Atrophie, also des Verlustes von Hirnsubstanz, sowie Gefäßläsionen. Die Schwierigkeit dabei: Die radiologischen Befunde korrelieren oft nicht lehrbuchmäßig mit der Erkrankung. Und es gibt eine Vielzahl an Mischformen, also an Demenzerkrankungen, bei denen Atrophie und Gefäßläsionen Hand in Hand gehen. „Das Bewusstsein, dass es typische und untypische Krankheitsursachen gibt, ist essentiell“, bekräftigt Vernooij: „Denn man findet meist nur, wonach man gezielt sucht.“ 

Eine Hippocampus-Atrophie bedeutet nicht automatisch, dass eine Alzheimer-Erkrankung vorliegt

Meike Vernooij

So gilt zum Beispiel ein Schwund des Gehirngewebes im Hippocampus als typisches Kennzeichen für eine beginnende Alzheimer-Erkrankung. „Doch eine Hippocampus-Atrophie bedeutet nicht automatisch, dass eine Alzheimer-Erkrankung vorliegt“, unterstreicht Vernooij. Bei vielen Patienten, die mit den Anzeichen einer Alzheimer-Demenz versterben, stellt sich postmortal heraus, dass sie gar nicht an Alzheimer erkrankt waren. Andere Patienten wiederum, bei denen aus radiologischer Sicht alles auf eine Alzheimer-Erkrankung hinweist, entwickeln bis zu ihrem Tod keine Demenz. Aus diesen Gründen liegt die Sensitivität von MRT bei der Diagnostik der Alzheimer-Erkrankung bei nur ungefähr 85%, die Spezifität bei 88%. Zum Beispiel kann eine Alzheimer-Demenz leicht mit einer Semantischen Demenz (SD) verwechselt werden, eines Subtypus der Frontotemporalen Demenz (FTD).

Plädoyer für die MR-Volumetrie

Eine Verbesserung der diagnostischen Unsicherheit könnte der Einsatz von MR-Volumetrie bringen, also die Quantifizierung des Hirnvolumens mittels T1-gewichteter MRT-Sequenzen. „MR-Volumetrie ist automatisiert, reproduzierbar und objektiv“, argumentiert Vernooij. Auf diese Weise können die Daten individueller Patienten mit den vorliegenden Referenzdaten verglichen werden – etwa mit Alterskohorten oder mit Patienten gleichen Geschlechts. 

Wenn die Ursache einer Demenz in einer Gefäßerkrankung liegt, ist die Neuroradiologie besonders gefragt. „Vaskuläre kognitive Beeinträchtigungen sind ganz klar unterdiagnostiziert“, stellt Vernooij klar. Unter dem Begriff der vaskulären kognitiven Beeinträchtigung (vascular cognitive impairment, VCI) wird das gesamte Spektrum vaskulärer Gehirnerkrankungen (ischämisch oder hämorrhagisch) zusammengefasst, die zu einer kognitiven Beeinträchtigung beitragen – von subjektiver kognitiver Beeinträchtigung bis hin zu vaskulärer Demenz. Die Bandbreite der Ursachen reicht dabei von Mikroblutungen bis zum ischämischen Schlaganfall. 

Während Hirninfarkte im MR sofort auffallen, sind Mikroblutungen schwieriger zu detektieren. Dabei treten winzige Blutmengen aus den Gefäßen aus. Bis vor Kurzem waren derartige Blutungen lediglich per Biopsie zu diagnostizieren. Mittlerweile können sie auch per MRT aufgespürt werden. Allerdings ist dies noch nicht in ausreichendem Maß in den Köpfen der Neuroradiologen verankert, wie die niederländische Neuroradiologin mahnt: „Wir müssen unbedingt noch mehr auf die Mikroblutungen achten und diese in den Befund mit aufnehmen.“ 

Dies gilt auch bei mutmaßlichen Alzheimer-Patienten. „Unter den älteren Patienten haben bis zu 40% gemischte Pathologien“, erinnert Vernooij. Das heißt: mittels MRT sind bei über einem Drittel der Patienten sowohl Anzeichen für Gefäßläsionen als auch für eine Alzheimer-Erkrankung erkennbar. „Das muss unbedingt im radiologischen Befund angeführt werden“, sagt Vernooij: „Denn davon hängen Therapieentscheidungen ab.“ 

11.09.2023

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