Artikel • Transfusionsmedizin
Bluttransfusionen: so sicher wie nie und unverzichtbar
Die Sicherheit von Bluttransfusionen wird in den Publikumsmedien immer mal wieder in Zweifel gezogen. Mal soll das „böse“ Blut Infektionen verursachen, mal Jahre nach der Transfusion zu Krebserkrankungen führen. Tatsache ist, dass das zu übertragende Blut höchsten Sicherheitsstandards unterliegt - dazu gibt es gesetzlich klar festgelegte Regelungen, die die Anwendung des jeweils aktuellsten Stands der Wissenschaft sicherstellen.
Bericht: Anja Behringer
Allerdings wird der „Lebenssaft“ zukünftig knapp werden, denn durch die zunehmende Lebenserwartung der Bevölkerung steigt der Anteil älterer Patienten, bei denen ein deutlich höherer Bedarf an Blutkonserven besteht. Gleichzeitig nimmt die Bereitschaft zur Blutspende ab: der Anteil der Vollblutspender an der Gesamtbevölkerung ist zwischen 2008 und 2016 von 3,3% auf 2,8% gefallen. Zudem sinkt der Anteil jüngerer Menschen an der Gesamtbevölkerung und ab einem Alter von 68 Jahren muss der Arzt entscheiden, ob eine Blutspende noch in Frage kommt. Dabei sind es vor allem die Älteren, die zukünftig auf Transfusionen angewiesen sein werden.
Der zukünftige Bedarf an Blutkonserven lässt sich kaum vorhersagen. Der medizinische Fortschritt wird zwar die Nachfrage an Blutprodukten durch verfeinerte Operationstechniken oder neuartige Medikamente in der Krebstherapie senken, die demografische Entwicklung wird aber transfusionsbedürftige Krankheiten wie z.B. Krebserkrankungen ansteigen lassen und damit auch den Bedarf an Blutkonserven.
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Artikel • Weniger Organe, weniger Experten
Hat die Transplantationsmedizin in Deutschland eine Zukunft?
„Wollen wir eine Transplantationsmedizin, und wenn ja, was sind wir bereit politisch, gesellschaftlich und medizinisch dafür zu ändern?“ Diese Frage kennzeichnet die aktuelle Situation dieser medizinischen Disziplin. Seit dem Transplantationsskandal ist laut der Deutschen Stiftung für Organtransplantation ein stetiger Rückgang an Organspenden zu verzeichnen. Die Gründe sind vielfältig.
Sicherheit des Spenderbluts
Die Zahl an Hepatitis-Infektionen wird voraussichtlich in den nächsten Jahren noch weiter sinken, denn seit den 1990er Jahren sieht der Impfkalender eine Impfung gegen HBV bereits im Kindesalter vor
Holger Hennig
Bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI) in Lübeck wurden alle Aspekte diskutiert. Klar ist, dass Blutspenden Leben retten können. Damit ist aber auch die potenzielle Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern verbunden. Um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten, werden Blutprodukte auf die wichtigsten Krankheitserreger getestet oder so behandelt, dass möglicherweise enthaltene Viren oder Bakterien inaktiviert werden. Sich bei einer Transfusion anzustecken, sei extrem unwahrscheinlich.
„Bluttransfusionen sind heute so sicher wie nie zuvor“, sagte Professor Holger Hennig, stellvertretender Direktor am Institut für Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck und Tagungspräsident des DGTI-Kongresses. In Deutschland sei es heute, insbesondere durch die angewendeten molekularbiologischen Testungen, extrem unwahrscheinlich, sich über Blutprodukte eine gefährliche Virusinfektion zuzuziehen. So liegt das Risiko, dass das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) mit einer Bluttransfusion übertragen wird, bei weniger als 1:25 Millionen. Die Wahrscheinlichkeit, sich über Fremdblut mit Hepatitis-C-Viren (HCV) anzustecken, beträgt sogar nur weniger als 1 : 75 Millionen und nur rund eine von acht Millionen Blutkonserven ist mit Hepatitis-B-Viren (HBV) kontaminiert. „Diese Zahl wird voraussichtlich in den nächsten Jahren noch weiter sinken“, erklärte Hennig. „Denn seit den 1990er Jahren sieht der Impfkalender eine Impfung gegen HBV bereits im Kindesalter vor.“
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Artikel • Patient Blood Management
Dank PBM besser mit Patientenblut haushalten
Eine der wichtigsten Ressourcen der Menschheit ist das Blut. Und das ist weltweit aus zwei Gründen knapp. Erstens wird immer weniger Blut gespendet bei gleichzeitig steigendem Bedarf durch mehr Operationen. Zweitens wird zuviel Blut verschwendet, zum einen bei teilweise überflüssigen Bluttests und zum anderen durch zu große Mengen, die für Untersuchungen entnommen werden. Deshalb wird von…
Generell stoße die Einführung immer neuer Tests jedoch an finanzielle und organisatorische Grenzen – bereits die Einführung des HEV(Hepatitis-E-Virus) –Tests, nachdem seit 2013 in Deutschland vereinzelt Übertragungen des Virus durch Bluttransfusionen registriert werden, ist unter Experten kontrovers diskutiert worden. Deshalb stehe die Transfusionsmedizin vor einem Paradigmenwechsel: weg von der spezifischen Testung auf einzelne Pathogene und hin zur allgemeinen Inaktivierung von Krankheitserregern in Blutprodukten.
Von spezifischen Tests wird auch beim Umgang mit exotischen Krankheitserregern abgesehen, die mit Reisenden ins Land kommen können. Stattdessen müssen Spendenwillige, die aus Regionen mit hohem Infektionsrisiko für beispielsweise Malaria oder das Zika-, das West-Nil- oder das MERS-Virus zurückkehren, eine „Quarantäne“ von vier Wochen bis zu sechs Monaten einhalten, bevor sie wieder zur Blutspende zugelassen werden. Auf diese Weise wird die Weitergabe einer möglichen Infektion auch ohne aufwendige Tests sicher unterbunden.
Im Übrigen ist in Leitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten ein äußerst restriktiver Einsatz des Blutes geregelt. Durch das heutige Patient Blood Management werden darüber hinaus zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um einer Transfusionsbedürftigkeit vorzubeugen. So wird schon präoperativ eine möglicherweise bestehende Blutarmut behandelt. Interoperativ wird versucht, das Patientenblut weitgehendst wieder zu verwerten.
'Invisible organs' gegen Organabstoßung
Besonders viel Blut brauchen Patienten im Zusammenhang mit Organtransplantationen. Hier kommt es darauf an, das Risiko der Organabstoßung so klein wie möglich zu halten. Professor Rainer Blasczyk vom Institut für Transfusionsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover arbeitet daher mit seinem Team an der Technik des Organ Engineering, die zu für das Immunsystem des Empfängers Invisible Organs führt. In diesem Zukunftsszenario, das gerade an Großtieren getestet wird, soll eine Vermeidung der Abstoßung die Zahl verfügbarer Organe wegen einer seltener notwendigen Retransplantation deutlich erhöhen. Der Grundgedanke zur Vermeidung einer Abstoßung ist bisher immer die Modifizierung des Immunsystems des Empfängers zur Erreichung einer immunologischen Blindheit gegenüber dem transplantierten Organ, was durch eine meist lebenslange Immunsuppression erkauft werden muss. Nun ist das Forschungsziel genau umgekehrt: das Spenderorgan soll immunologisch unsichtbar gemacht werden.
Profil:
Der Humanmediziner Rainer Blasczyk wurde 1998 zum Universitätsprofessor und Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin an der Medizinischen Hochschule in Hannover (MHH) ernannt, nachdem er sich im Jahr zuvor für das Fach Transfusionsmedizin an der Charité, Humboldt-Universität zu Berlin, habilitierte. Seit 2009 gehört er dem Scientific Committee der European Federation for Immunogenetics an und seit 2014 ist er Mitglied des Management Boards des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums Transplantation (IFB-Tx) der MHH, das vom Bundesministerium (BMBF) gefördert wird. Im Arbeitskreis Blut am Robert Koch-Institut, Bundesministerium für Gesundheit, wirkt er seit vier Jahren.
23.04.2019