Gastrointestinaltrakt

Von der Morphologie zur Funktion

Die Entwicklung neuer Techniken hat in den vergangenen zwei bis drei Jahren zu einem Paradigmenwechsel bei der MRT des Gastrointestinaltrakts geführt. In der Vergangenheit haben sich die Radiologen primär Strukturen angeschaut - also wie eine Darmwand aussieht. Heute steht die Funktion des Gastrointestinums im Mittelpunkt, berichtet Prof. Dr. Thomas Lauenstein, stellvertretender Direktor des Instituts für Radiologie am Universitätsklinikum Essen.

Prof. Thomas C. Lauenstein
Prof. Thomas C. Lauenstein

Die technische Weiterentwicklung der MRT gewährt Radiologen heute Einblicke in Funktionsabläufe des Gastrointestinaltrakts, die sie vor ein paar Jahren eben noch nicht hatten. „Das hilft uns Krankheitsprozesse besser zu verstehen und zu erkennen und im nächsten Schritt präzisere Therapiekontrollen durchzuführen. Also zu sehen, ob ein Medikament die gewünschte Wirkung entfaltet oder nicht“, schildert der Experte die Vorteile.

Für Lauenstein stehen dabei vor allem drei Funktionen im Mittelpunkt. Da ist zum einen die Diffusionswichtung/Diffusionsbildgebung zu nennen, die Neuroradiologen bei der Schlaganfalldiagnostik schon seit Jahren nutzen. Die Diffusion – nämlich die Messung der Bewegung von Wassermolekülen in der MRT – ist bei bestimmten Krankheitsprozessen gestört und kann zum Beispiel ein Hinweis auf Entzündungsprozesse sein. „Dank dieser Technik können wir analysieren, ob bestimmte Entzündungsprozesse im Darm mit einer deutlichen Diffusionsbeeinträchtigung oder -störung einhergehen und sind in der Lage bei der Medikation zu ermitteln, ob die Diffusionsstörung relativ schnell abnimmt und wieder zum Normalzustand zurückkehrt. Also, ob die Behandlung anschlägt“, erklärt der Radiologe.

Zweitens spielt die Bewegungsanalyse als Funktion eine Rolle. Der Darm bewegt sich, transportiert Nahrung und Flüssigkeit mittels peristaltischer Wellen. Dank neuer Software kann der Radiologe diese Funktion sehr gut quantifizieren und durch Farbkodierung darstellen. So kann diagnostiziert werden, ob sich Teilstücke im Darm vermehrt oder vermindert stark bewegen und kontrahieren. Dies erlaubt, Entzündungsprozesse zu detektieren und im Verlauf zu sehen, ob sich die Erkrankung verbessert. „Die Entzündung geht häufig mit einer verminderten Bewegung einher und die gesunden Darmschlingen versuchen dies zu kompensieren und bewegen sich sogar schneller als der Rest. Die Bewegungsanalyse ist ein wichtiger Schritt zum Beispiel für die Diagnose von Morbus Crohn“, berichtet Lauenstein.

Drittens gibt es die relativ neu entwickelte PET/MRT-Hybridbildgebung, die zunehmend Einzug in die klinische Praxis hält. Diese gibt Einblick in den Gewebestoffwechsel, also wie stark ein Gewebetyp oder die Zellen in einem Gewebe Zucker verbrauchen. Die PET-FDG ist hilfreich, um bei Patienten mit Morbus Crohn oder Entzündungspatienten im Allgemeinen zu differenzieren, ob eine akute oder eine sogenannte ausgebrannte Entzündung mit vernarbter Fibrose vorliegt. Diese Information ist vor allem für die Überweiser wichtig, weil die Therapie ganz unterschiedlich ist. Eine akute Entzündung behandelt man mit einem anti-inflammatorischen Medikament, während bei einem ausgebrannten Herd, der in den MRT-Bildern sehr ähnlich ausschauen kann wie ein aktiv-entzündlicher Prozess, der Chirurg die fibrotischen Teile des Darms resektieren muss. „Die akute Entzündung verstoffwechselt FDG in einem sehr hohen Maße – da gehen alle Lampen in den Bildern an. Die Narbe wiederum, die eine abgelaufene Entzündung dokumentiert, verstoffwechselt sehr viel weniger“, beschreibt Lauenstein den Vorteil der PET/MRT abschließend. 

 

Profil:
Prof. Thomas C. Lauenstein hat in Bonn und Valencia/Spanien Humanmedizin studiert. Von 1999 bis 2005 absolvierte er die Facharztausbildung, 2000 promovierte er. Der Radiologe habilitierte sich 2007 zum Thema „Morphologische und funktionelle MRT des Gastrointestinaltrakts“. Von 2006 bis 2008 war Lauenstein als Assistant Professor im Department of Radiology an der EMORY University in Atlanta/USA tätig. Seit 2008 ist er am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Universitätsklinik Essen tätig, deren Stellvertrender Direktor er ist.

27.01.2015

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