a: konfluierende mikroangiopathische Läsionen (Fazekas 3), b: Metastasen, c:...
a: konfluierende mikroangiopathische Läsionen (Fazekas 3), b: Metastasen, c: tuberöse Sklerose, d: multiple Sklerose, e: erweiterte perivaskuläre Räume (Virchow-Robin Räume), f: CADASIL

Artikel • Hirn mit Hirn

Wenn das Gehirn weiß wird

Ein diffiziles Thema sind weiße Flecken im Gehirn. Während schon die Termini vielfältig sind, gestaltet sich die Differentialdiagnose noch umfangreicher. Es hilft jedoch Prävalenzen zu kennen und zu wissen, welche Mittel zur Diagnose einzelner Erkrankungen zur Verfügung stehen, wie PD Dr. Gunther Fesl, Radiologe in der Praxis Radiologie Augsburg, zu ­berichten weiß.

Bericht: Marcel Rasch

„Die Differentialdiagnose weißer Flecken im Gehirn ist schwierig. Schon die Begrifflichkeiten gehen sehr weit auseinander. So sprechen wir von Leukoaraiose oder Leukencephalopathie; zudem existieren Begriffe wie White Matter Lesions, White Matter Hyperintensities, White Matter Changes oder White Matter Disease“, klärt Gunther Fesl auf. Da sich die zugrunde liegenden Krankheitsbilder allerdings signifikant unterscheiden, muss der Radiologe seine Differentialdiagnose entsprechend präzise vornehmen.

„Allein anhand eines T2-gewichteten Bildes ist es meist unmöglich, eine präzise Diagnose zu stellen, wie schon das Beispielbild zeigt. Die Liste der Differentialdiagnosen ist lang. „Weiße Flecken reichen vom normalen Alterungsprozess eines Menschen bis hin zu sehr seltenen Krankheiten“, weiß Fesl aus seiner langjährigen Erfahrung zu berichten. Je älter man wird, desto mehr weiße Flecken lassen sich im Gehirn auffinden. „Die Übergänge vom normalen Altern bis hin zum Krankheitswert sind fließend“, erklärt Fesl. Aus diesem Grund ist es kritisch, die Grenze zur eigentlichen Erkrankung zu bestimmen. „Lässt man physiologische Vorgänge wie den Alterungsprozess, Caps, Bands oder perivaskuläre Räume, die oftmals per Zufallsbefund diagnostiziert werden, einmal außen vor, so kann man es immer noch mit hypoxisch-ischämischen oder entzündlich/autoimmunen Vorgängen, bis hin zu toxischen, infektiösen, gar traumatischen Vorgängen im Hirn zu tun haben. Auch Tumore oder Metastasen gilt es auszuschließen“, so Fesl.

Mikroangiopathie, Fazekas Score
v.l.: punktförmig, beginnend konfluierend,...
Mikroangiopathie, Fazekas Score
v.l.: punktförmig, beginnend konfluierend, konfluierend

Ein genauer Blick hilft

„Während beginnend konfluierende Flecken oft noch dem Alterungsprozess von Mitte Sechzigjährigen zugeordnet werden können, erscheint ein rein konfluierendes Bild pathologisch “, so Fesl. Anhand des Fazekas Scores lassen sich Mikroangiopathien hervorragend klassifizieren. „Bei Mikroangiopathien gibt es eine Korrelation mit Demenzen, Depression, Schlaganfällen und sogar Tod. Das heißt, das relative Risiko eines dieser Erlebnisse zu erleiden, vergrößert sich mit der Zunahme weißer Flecken im Hirn. Alle diese Erscheinungsformen unterliegen jedoch einem fließenden Übergang.“

Die Ursachen üblicher Mikroangiopathien sind klar zu definieren. „Neben dem Alterungsprozess zählen Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes Mellitus und einige andere vaskuläre Faktoren zu den Auslösern“, so Gunther Fesl. Darüber hinaus ist es ratsam, sich bestimmte Häufigkeiten von Erkrankungen anzuschauen, denn glücklicherweise lassen sich bestimmte Erkrankungen zumeist aufgrund ihrer Prävalenzrate bereits oft ausschließen. So dürfte es beruhigen, dass hereditäre Erkrankungen als sehr selten eingestuft werden und sogar die beständig durch die Medien geisternde Neuro-Borreliose nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 100.000 auftritt. „In den meisten Fällen hat es der Radiologe mit hypoxisch-ischämischen Erkrankungen zu tun, die genauer abzuklären sind. Bei den entzündlichen Erkrankungen ist die Multiple Sklerose mit einer Prävalenz von 100 zu 100.000 am häufigsten“, so Fesl. Alles andere ist seltener, sollte aber trotz allem ausgeschlossen werden.

Differentialdiagnose weiße Flecken
Differentialdiagnose 'weiße Flecken'

Klinische Angaben sind signifikant

„Für den Radiologen werden T2-gewichtete Bilder zur Differentialdiagnose immer wichtiger, denn mit ihrer Hilfe lassen sich Mikroblutungen detektieren. Auch helfen kontrastverstärkte Bilder, Tumore, Metastasen und Entzündungsmuster leichter zu diagnostizieren. Für Erkrankungen wie die Multiple Sklerose sind die ergänzende MRT-Untersuchung des Rückenmarks und MRT-Kontrollen des Schädels zentrale Punkte des Erkenntnisgewinns“, verdeutlicht Fesl die Feinheiten der Differentialdiagnose. Auch CT-Bilder sind zum Nachweis oder Ausschluss von Blutungen und Verkalkungen oft wichtige Bestandteile einer gewissenhaften Diagnose.

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Gunther Fesl, Radiologe in der Praxis Radiologie Augsburg.

„Darüber hinaus muss man feststellen, dass wir Radiologen nichts ohne die notwendigen klinischen Angaben sind. Eine dreißigjährige Patientin wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unter einer Mikroangiopathie leiden. Die Kommunikation mit den Zuweisern ist daher unglaublich wichtig. Wir sind auf die Anamnese, auf Ergebnisse der klinischen Untersuchung und Werte aus Blut und Liquor angewiesen, um eine adäquate Diagnose vornehmen zu können“, stellt Fesl die Signifikanz solcher Angaben dar. „Ich bin der Überzeugung, dass Tools wie KI oder Big Data künftig sehr dabei helfen können, die Differentialdiagnose einfacher zu gestalten und zu beschleunigen. Mustererkennung, letztlich das, was der Radiologe mit seinen eigenen Augen in seiner täglich begrenzten Zeit vornehmen kann, lässt sich wesentlich einfacher mit Hilfe von Tools umsetzen, die der Radiologe als Grundlage für seine Diagnose nutzen kann“, freut sich Fesl auf die Zukunft. Aber auch das ist nichts ohne die Kommunikation mit den Zuweisern und ein umfassendes Hintergrundwissen über den Patienten. „Tools können nur ergänzen, nie ersetzen“, stellt Fesl klar.

Profil:
Seit 2015 ist PD Dr. Gunther Fesl als niedergelassener Radiologe in der Praxis Radiologie Augsburg Friedberg ÜBAG u. Radiologische Privatpraxis H15 tätig. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte setzt der Neuroradiologe klar bei der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), der Hirnanatomie, Interventionellen Schlaganfalltherapie sowie weiteren modernen neurointerventionellen Therapieverfahren. Zuvor war Fesl als Oberarzt an der Abteilung für Neuroradiologie des Klinikums der Universität München und Leiter des Bereichs Interventionelle Neuroradiologie tätig.

29.09.2018

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