Artikel • Fehlbildungen im Visier

Pränataldiagnostik - Ultraschall als Nonplusultra

„In der Pränataldiagnostik, vor allem im ersten Trimester, spielt der Ultraschall nach wie vor die entscheidende Rolle bei der Suche nach Fehlbildungen“, bekräftigt Prof. Dr. Markus Hoopmann, stellvertretender Leiter des Bereiches für Pränatalmedizin und gynäkologische Sonographie an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen.

Bericht: Michael Krassnitzer

Diese Klarstellung hat ein besonderes Gewicht bekommen, seit die Möglichkeit besteht, aus zellfreier fetaler DNA – also DNA des Fötus, die frei im mütterlichen Blutkreislauf zirkuliert – auf das Risiko für Trisomie 21 (Down-Syndrom) beim ungeborenen Kind zu schließen. „Als dieser Bluttest aufkam, haben viele schon das Totenglöckchen für die Pränataldiagnostik, insbesondere im ersten Trimenon, läuten hören“, sagt Hoopmann – und widerspricht dieser Befürchtung mit Nachdruck.

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Prof. Dr. Markus Hoopmann ist stellvertretender Leiter des Bereiches für Pränatalmedizin und gynäkologische Sonographie an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen.

Zwar sei die Erkennungsrate des Bluttests von 99 Prozent für Trisomie 21 mit der Ultraschall-Erstsemesteruntersuchung nicht zu erreichen, räumt der Tübinger Pränataldiagnostiker ein: „Doch viele vergessen, dass die Bestimmung der zellfreien fetalen DNA ein Screening-Test und kein diagnostischer Test ist. Für eine vollständige Diagnose braucht man repräsentative Zellen des Kindes – und dazu bedarf es einer Punktion.“ Schwerer aber wiege der verbreitete Irrglaube, mit einem Trisomie-21-Screening sei es in der Pränataldiagnostik getan. „Chromosomenstörungen machen nur 10 Prozent aller Fehlbildungen aus – und von diesen zehn Prozent ist nur die Hälfte Trisomie 21“, unterstreicht Hoopmann. Den wesentlich größeren Anteil machten strukturelle Anomalien aus, etwa Fehlbildungen des Herzens, Anenzephalie oder Holoprosencephalie. „Die Hälfte davon kann man mit Ultraschall schon sehr gut im ersten Trimenon darstellen“, betont Hoopmann. Auch ein offener Rücken (Spina bifida) lasse sich neuerdings aufgrund spezifischer Veränderungen im Bereich der hinteren Schädelgrube besser erkennen: „Durch zunehmende Bildauflösung der Ultraschall-Geräte lassen sich immer mehr anatomische Details herauskitzeln.“

Linkes Bild: Unauffälliges fetales Profil in der 12+2...
Linkes Bild: Unauffälliges fetales Profil in der 12+2 Schwangerschaftswoche.
Rechtes Bild: Hypoplastisches Nasenbein in der 16. Schwangerschaftswoche.

Auch von einer anderen, vermeintlich oder tatsächlich revolutionären, Neuerung hält Hoopmann – zumindest in der Pränataldiagnostik – nicht viel: von dem Einsatz Künstlicher Intelligenz, die zum Beispiel der automatisierten Nackentransparenzmessung zugrunde liegt. „Qualitätssicherung kann nicht ersetzt werden durch eine Automatisierung von Messprozessen“, ist der Tübinger Gynäkologe überzeugt. Viel entscheidender als das Setzen der Messpunkte, um das Ausmaß der Flüssigkeitsansammlung im Nackenbereich in der Zeit zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche festzustellen, ist die exakte Einstellung der Schnittebene am Ultraschallgerät. „Wenn man da nur um einige Grad abweicht, so hat das große Effekte. Die richtige Einstellung des Sagittalschnitts ist nur manuell möglich“, erläutert Hoopmann und verweist zudem auf die Komplexität der pränatalen Ultraschalldiagnostik: „So ausführlich und in seiner Gesamtheit wird der Körper eines Menschen – vom kleinen Finger bis zur Herzklappe – nie mehr im Leben untersucht wie im ersten Trimenon. Diese Komplexität ist meines Erachtens maschinell nicht zu bewältigen. Vielleicht aber bin ich an dieser Stelle auch zu wenig utopiefreudig.“

Die entscheidende Frage lautet: Wie schaffen wir es, die bestmögliche Bildauflösung an möglichst viele Stellen zu bringen?

Markus Hoopmann

Auch in Sachen 3D-Ultraschall verfolgt Hoopmann einen eher bodenständigen Kurs: „Bislang ist es nicht gelungen, 3D-Ultraschall im Pränatalbereich als überlegene Methode zu etablieren.“ Schätzungsweise 95 Prozent der Diagnosen stellt er allein mit zweidimensionalen Bildern. 3D-Ultraschall könne allerdings durchaus eine Hilfestellung bieten, etwa bei der exakten Beurteilung des Kleinhirnwurms (Vermnis). „Man darf aber nicht vergessen, dass ein 3D-Volumen immer eine etwas schlechtere Bildauflösung hat als ein zweidimensionales Bild“, fügt der Ultraschallspezialist hinzu: „Wenn wir über Fortschritt im Bereich des Ultraschalls reden, dann lautet die entscheidende Frage: Wie schaffen wir es, die bestmögliche Bildauflösung an möglichst viele Stellen zu bringen?“

Seit einigen Wochen arbeitet Hoopmann mit einer innovativen Ultraschallsonde – der eL18-4 von Philips –, die ihm das gewünschte Ergebnis bietet. „Diese Sonde bietet mir die beste Auflösung bei Untersuchungen im ersten Trimenon bei abdominalem Zugang“, begeistert sich der Tübinger Gynäkologe. Älteren linearen Sonden habe es an der notwendigen Eindringtiefe gemangelt, berichtet er, weist aber auch auf die Grenzen der neuen Sonde hin: Wenn ein Fötus bereits acht Zentimeter lang sei, falle es schwer, diesen zur Gänze noch in einem Bild zu erfassen. Die Sonde spiele daher ihre volle Stärke im ersten Schwangerschafts-Trimester aus, wenn der Fötus noch entsprechend klein ist.


Profil:

Prof. Dr. Markus Hoopmann ist seit 2009 stellvertretender Leiter des Bereiches für Pränatalmedizin und gynäkologische Sonographie an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen und hat seit April 2017 eine außerplanmäßige Professur an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin ist seit 2006 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Ultraschalldiagnostik in Gynäkologie und Geburtshilfe (ARGUS).


Veranstaltungshinweise:

Raum: Kongresssaal

Donnerstag, 12. Oktober 2017, 14:00 – 15:30

RK 12 Fetale Dopplersonographie abseits ausgetretener Pfade

AV-Malformationen

Markus Hoopmann (Tübingen/DE)


Raum: Split-Meeting 8 + 9

Donnerstag, 12. Oktober 2017, 13:30 – 17:30

Iota Zertifizierungskurs

"Simple rules" zur Adnex Beurteilung

Markus Hoopmann (Tübingen/DE)

12.10.2017

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