© Universitätsklinikum / Philip Benjamin
News • Knochenmark-Krebs
Multiples Myelom: Forscher prüfen Nutzen der Blutstammzelltransplantation
Das Multiple Myelom ist eine der häufigsten Formen des Knochen- bzw. Knochenmarkkrebses in den westlichen Ländern. Neben der Hochdosis-Chemotherapie gefolgt von einer Blutstammzelltransplantation haben vor allem neue Medikamente die Situation der Betroffenen in den letzten Jahren deutlich verbessert.
Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) haben nun im Rahmen einer multizentrischen Studie der „German-speaking Multicenter Myeloma Group“ (GMMG) die Therapieverfahren miteinander verglichen und den Stellenwert einer erneuten Blutstammzelltransplantation bei fortgeschrittener Erkrankung untersucht. Dabei stellten sie fest, dass bereits eine alleinige Behandlung mit den neuen Medikamenten sehr gute Überlebenszeiten erzielen kann. Trotzdem profitierte am Ende die Patientengruppe, die eine erneute Blutstammzelltransplantation erhielt.
Die Forscher publizierten ihre Erkenntnisse im Journal Leukemia.
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Angst vor COVID-19 gefährdet Krebspatienten
Weil sie sich vor einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 fürchten, bleiben viele Menschen aktuell Arztpraxen und Kliniken lieber fern. Doch das kann zu einer Verzögerung in der Diagnostik und Therapie anderer, lebensgefährlicher Erkrankungen führen. Das betrifft auch Krebserkrankungen.
Nach dem Non-Hodgkin-Lymphom ist das Multiple Myelom die zweithäufigste Blutkrebsart, kommt aber im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen mit bis zu 7.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland vergleichsweise selten vor. Myelompatienten mit gutem Allgemeinzustand werden in der Regel mit einer Hochdosis-Chemotherapie mit nachfolgender Blutstammzelltransplantation behandelt. In den letzten Jahren haben aber vor allem neue Wirkstoffe dazu beigetragen, dass Betroffene inzwischen länger und besser mit der Erkrankung leben können.
Die neuartigen Medikamente kommen in verschiedenen Behandlungsphasen teilweise allein oder in Kombination mit anderen Substanzen zum Einsatz. Die ersten „neuen Substanzen“ waren die immunmodulatorischen Wirkstoffe Thalidomid und Lenalidomid und der Proteasom-Hemmer Bortezomib. „Durch die neuen Medikamente konnte erstmals seit Einführung der Hochdosis-Chemotherapie ein deutlicher Überlebensvorteil für Patienten mit Multiplem Myelom erzielt werden. Der Stellenwert dieser neuen Substanzen im Vergleich zu den herkömmlichen Verfahren plus Blutstammzelltransplantation bei Erkrankung mit Rezidiv wurde bislang allerdings nicht im Detail geprüft und bewertet“, erklärt Hartmut Goldschmidt, Leiter der Sektion Multiples Myelom an der Medizinischen Klinik V am UKHD und NCT Heidelberg.
In weiteren Analysen wollen wir nun die Relevanz der Blutstammzelltransplantation beim fortgeschrittenen Multiplen Myelom und die molekularen Hintergründe für das Therapieansprechen genauer untersuchen
Hartmut Goldschmidt
Wissenschaftler und Ärzte haben nun in einer Phase-3-Studie gemeinsam mit 16 GMMG Zentren in Deutschland zwei Behandlungswege bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Multiplen Myelom verglichen. 139 Patienten im sogenannten Transplantations-Arm sollten eine Therapie mit dem Medikament Lenalidomid und dem Kortisonpräparat Dexamethason gefolgt von einer Hochdosis-Chemotherapie und autologen Blutstammzelltransplantation sowie anschließend einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie erhalten. Im Kontroll-Arm der Studie wurden 138 Patienten bis zu einem Fortschreiten der Erkrankung mit Lenalidomid und Dexamethason ohne Blutstammzelltransplantation kontinuierlich behandelt.
Die Zeit ohne ein Fortschreiten der Erkrankung – das sogenannte progressions-freie Überleben – war bei beiden Behandlungswegen mit 20,7 versus 18,8 Monaten ähnlich. Allerdings konnten 29 Prozent der Patienten im Transplantations-Arm die Blutstammzelltransplantation aufgrund eines frühen Fortschreitens der Erkrankung oder aus anderen Gründen nicht erhalten. Betrachtet man die Patienten genauer, die in der Studie tatsächlich eine Blutstammzelltransplantation erhielten, zeigen die Ergebnisse einen Vorteil für die Therapieoption mit Blutstammzelltransplantation. „Unsere Erkenntnisse zeigen erstmalig, dass der Effekt einer Hochdosis-Chemotherapie und autologen Blutstammzelltransplantation für Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung im Zeitalter der neuen Therapiesubstanzen geringer ist, als zuvor angenommen“, sagt Marc-Andrea Bärtsch, Arzt und Wissenschaftler an der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am UKHD. „Trotzdem scheinen Patienten, denen wir nach einer anfänglichen Therapie mit Lenalidomid und Dexamethason eine erneute Blutstammzelltransplantation ermöglichen können, durch diese insgesamt Lebenszeit zu gewinnen.“
„In weiteren Analysen wollen wir nun die Relevanz der Blutstammzelltransplantation beim fortgeschrittenen Multiplen Myelom und die molekularen Hintergründe für das Therapieansprechen genauer untersuchen“, berichtet Goldschmidt. „Danken möchten wir an dieser Stelle der Dietmar Hopp Stiftung für die langjährige und substanzielle Förderung der Myelomforschung in Heidelberg mit insgesamt rund 20 Millionen Euro und insbesondere auch dieser wichtigen Studie.“
Quelle: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
27.07.2020