Artikel • Experten-Runde

Mit KI das Gesundheitswesen verbessern

Wie kann das deutsche Gesundheitswesen besser werden? Diese Frage stellten sich Prof. Felix Nensa, Radiologe am Universitätsklinikum Essen, und Simon Rost, Chief Marketing Officer Enterprise Imaging & AI Portfolio bei GE HealthCare, im Rahmen einer digitalen Expertenrunde. Schnell wurde klar, dass es auf diese komplexe Frage nicht nur eine richtige Antwort geben kann. Künstliche Intelligenz (KI) und Nachhaltigkeit haben sich jedoch als die zwei wichtigsten Ansatzpunkte herauskristallisiert.

Artikel: Sonja Buske

© ArtemisDiana – stock.adobe.com 

Auslöser für die Fragestellung waren die alarmierenden Ergebnisse diverser, von GE HealthCare in Auftrag gegebener Studien: Demzufolge empfinden 40% der befragten Patienten den Zugang zum deutschen Gesundheitswesen als unterdurchschnittlich. Ein Drittel würde gerne virtuelle Arzttermine nutzen, doch in der Realität bieten nur fünf Prozent der Krankenhäuser eine adäquate virtuelle Behandlung an. Zudem leidet ein Drittel der befragten Ärzte unter starken körperlichen und psychischen Belastungen, und nur 30% der Ärzte und Pflegekräfte können sich vorstellen, ihren Beruf bis zum Eintritt der Rente auszuüben. Hinzu kommt: Im Jahr 2035 werden in Deutschland 1,8 Millionen Stellen im Gesundheitswesen nicht besetzt sein.

portrait of felix nensa
Prof. Felix Nensa

Foto: zvg

Beide Experten sehen aufgrund dieser Erkenntnisse akuten Handlungsbedarf. Hauptgrund für diese besorgniserregenden Zahlen ist ihrer Meinung nach die Überforderung des Gesundheitspersonals. Nensa: „Ärzte verbringen die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit administrativen Tätigkeiten wie Dokumentationen. Diese sind zwar wichtig, haben jedoch ein Ausmaß angenommen, das in der Realität viel zu viel Energie sowie Zeit für die Patienten raubt. Niemand hat Medizin studiert, um später Dokumentationsfachkraft zu werden.“ Mit digitalen Tools könnte hier seiner Meinung nach sehr viel verbessert werden. Visitengespräche sollten komplett automatisiert und von einer KI transkribiert werden. „Die KI könnte sogar Rückfragen stellen und den Arzt auf fehlende Daten aufmerksam machen“, zeigt sich Nensa überzeugt. 

In Bereichen wie dem Controlling oder der Rechtsabteilung sei generative KI bereits angekommen. In seinem Fachbereich, der Radiologie, liege dagegen noch viel Potential brach. „Ein durchschnittliches Krankenhaus produziert 50 Petabytes an Daten im Jahr, davon werden jedoch nur drei Prozent genutzt, um die Behandlung zu verbessern. KI kann sowohl bei der Auswertung radiologischer Bilder unterstützend eingesetzt als auch für die intelligente Terminvergabe genutzt werden. Das Ergebnis wären effizientere Auslastungen von Geräten und Betten, was wiederum zu verbesserten Arbeitsabläufen führt.“ Geht man einen Schritt zurück, so könne durch gute Prävention ein Krankenhausaufenthalt sogar verhindert werden. Nensa: „Wearables wie zum Beispiel Smartwatches können helfen, rechtzeitig Herzrhythmusstörungen zu erkennen. Wir müssen all diese Daten zusammenbringen, und daraus Informationen generieren. KI ist der Treiber, der das System verbessern kann.“

portrait of simon rost
Simon Rost

Foto: zvg

Spricht man über Daten, kommt man an dem Thema Cloud-Speicherung eigentlich nicht vorbei. Simon Rost sprach das häufig angeführte Datenschutz-Problem an, doch Nensa konnte dies entkräften. „Natürlich werde ich keine Patientendaten auf einen Server in die USA schicken, aber es ist durchaus möglich, Daten in Deutschland sicher in einer Cloud zu hosten.“ Problematisch sind seiner Meinung nach eher die hohen Kosten und das schwer kalkulierbare Budget. „Ich bin pro Cloud, aber das sollte nicht die einzige Option sein. Klar ist jedoch auch, dass vieles lokal einfach nicht möglich ist.“ 

Gesundheitseinrichtungen, die in der Zukunft bestehen und erfolgreich sein wollen, dürfen auch das Thema Nachhaltigkeit nicht vernachlässigen, finden die beiden Experten. Rost lieferte dazu beeindruckende Zahlen: „Ein Krankenhausbett verbraucht im Jahr so viel Energie wie vier Haushalte, und eine Stunde Narkose kommt einer 750 Kilometer langen Autofahrt gleich.“ GE HealthCare ist daher bereits vor einiger Zeit dazu übergangen, die Energieeffizienz von Geräten zu verbessern, etwa indem weniger Helium in MRTs verwendet wird. Um den Lebenszyklus von Technologien zu verlängern, werden zudem alte Geräte aufgearbeitet und wiederbenutzt. 

Nensa setzt beim Thema Nachhaltigkeit ebenfalls auf KI: „Ein MRT verbraucht auch im Leerlauf sehr viel Strom. Tools können uns helfen, Patientenströme zu leiten und die Geräte effizienter zu nutzen.“ Er setzt zudem KI ein, um den Kontrastmittelverbrauch zu reduzieren. Darüber hinaus sagt ein eigens am Universitätsklinikum Essen entwickelter Algorithmus voraus, wie hoch der Thrombozytenverbrauch in einem bestimmten Zeitraum sein wird. Dadurch kann die Produktion und die Lagerung optimiert werden, und Blutprodukte müssen nicht ungenutzt entsorgt werden. 

Beide Experten waren sich am Ende einig, dass der Einsatz generativer KI im Gesundheitswesen dazu beitragen wird, das System zu verbessern. Die Akzeptanz und das Vertrauen in die Technik ist jedoch noch nicht ausreichend gegeben und bremst den Prozess. 

13.03.2024

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