Interview • Im Fokus
HIFU: Ultraschall heizt Tumoren ein
Hochintensiver fokussierter Ultraschall (HIFU) ist eine vergleichsweise junge Technik, die bei der Therapie von Tumoren allerdings schon vielversprechende Ergebnisse gezeigt hat. PD Dr. Dr. Milka Marinova arbeitet in der Radiologischen Klinik des Universitätsklinikums Bonn mit einem der aktuell zwei in Deutschland installierten HIFU-Systeme. Die Radiologin spricht im Interview über die Vorteile, aber auch die Limitationen des fokussierten Ultraschalls in der Tumortherapie.
Interview: Wolfgang Behrends
Anders, als der Name vermuten lässt, schwingen HIFU-Wellen sogar langsamer als ihr diagnostisches Gegenstück: Während in der Sonographie Frequenzen zwischen 2 und 20 Megahertz (MHz) eingesetzt werden, sind es bei HIFU „nur“ 1 bis 3,5 MHz. Die therapeutische Wirkung ergibt sich aus der Bündelung der Schallwellen, durch die ein hohes Maß an Energie entsteht.
Wie wird fokussierter Ultraschall gegen Tumoren eingesetzt?
Marinova: Im ersten Schritt lokalisieren wir über Ultraschall-gestützte Bildsteuerung die zu behandelnde Struktur im Körper. Anschließend generieren wir therapeutische Schallwellen, die über spezielle Wandler stark gebündelt werden – ganz ähnlich wie eine Lupe das Sonnenlicht fokussiert. Diese hochkonzentrierten Wellen mit einem Fokusbereich von ca. 3-5 mm Breite und 8-15 mm Länge richten wir zielgenau auf den Tumor und zerstören ihn so Schicht für Schicht.
Dabei spielen zwei Wirkmechanismen eine Rolle: Zum einen wird der Fokusbereich durch die starke Bündelung auf ca. 80°C erhitzt. Zum anderen kommen neben der thermischen Wirkung auch mechanische Effekte zum Tragen, die durch räumliche Verschiebung eine Kavitation des Tumorgewebes und die Implosion von Mikrobläschen auslösen. Schließlich wird die Blutzufuhr des Tumors unterbrochen. So kommt es im Laufe der Zeit zu einer Schrumpfung des inaktivierten Gewebes, dieses kann in Einzelfällen in den Wochen nach der Behandlung sogar ganz verschwinden.
Bei welchen Tumoren kommt HIFU zum Einsatz?
Anwendungsgebiete sind unter anderem Pankreastumoren, Myome und Adenomyose der Gebärmutter, Lebertumoren und -metastasen und Nierenzellkarzinome. Zu den selteneren Erkrankungen, die mit HIFU behandelt werden können zählen Desmoid-Tumoren. Bei Mammakarzinomen ist HIFU zwar nicht die leitliniengerechte Therapie, aber bei Patientinnen, die die reguläre Behandlung verweigern, ist das eine Alternative. Ist ein Leiomyosarkom im Bauchraum gut zu erreichen, haben wir mit HIFU ebenfalls gute Erfahrungen gemacht. Darüber hinaus können wir auch Fibroadenome in der Brust sowie Knochentumoren und -metastasen in den Extremitäten auf diesem Weg behandeln.
Je nach Größe des Tumors und Behandlungsdauer wird der Eingriff unter Vollnarkose oder Analgosedierung durchgeführt. Bei einem Myom der Gebärmutter bekommt die Patientin Schmerz- und Beruhigungsmittel, ist aber während des Eingriffs wach. Die Behandlung eines Pankreaskarzinoms, die sich über mehrere Stunden hinziehen kann, findet unter Vollnarkose statt.
Welche Vorteile bringt HIFU im Vergleich zu anderen therapeutischen Methoden? Wo liegen die Limitationen?
Wir können auf Lageveränderungen reagieren und Tumoren behandeln, die ihre Position beispielsweise durch die Atmung des Patienten verändern
Milka Marinova
Der große Vorteil von HIFU ist seine Nicht-Invasivität. Dadurch schließen wir das Risiko von Blutungen oder die Verschleppung von Tumorzellen in andere Körperregionen fast völlig aus. Im Gegensatz zum MR-gestützten fokussierten Ultraschall (MRgFUS) bietet der Ultraschall eine Echtzeit-Bildgebung. Das heißt, wir können auf Lageveränderungen reagieren und Tumoren behandeln, die ihre Position beispielsweise durch die Atmung des Patienten verändern. MR-gesteuerte Systeme erzeugen ein statisches Bild – sobald sich der Patient bewegt, muss eine neue Aufnahme angefertigt werden. Auch die Bedienung des HIFU-Systems ist vergleichsweise einfach. Weil die Bauchwand des Patienten während des Eingriffs mit Wasser gekühlt wird, ist die Gefahr von Hautverbrennungen geringer als bei MR-Systemen, die meist mit Gelkissen arbeiten.
Natürlich lässt sich nicht jeder Tumor mit HIFU behandeln. Grundsätzlich hat die Technik die gleichen Limitationen wie der diagnostische Ultraschall: Tumoren in gasgefüllten Strukturen wie der Lunge oder dem Darm können nicht mit Ultraschall „gesehen“ oder behandelt werden. Aufgrund der Bauweise der Geräte eignet sich HIFU nicht für die Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren. Auch tiefer liegende Karzinome – mehr als 20 cm – werden von den gebündelten Schallwellen nicht erreicht. Die Behandlungsdauer wird zudem durch die Narkose limitiert, denn diese sollte nicht länger als sechs Stunden andauern.
Wird HIFU in Zukunft eine größere Rolle bei der Tumortherapie spielen?
Ich denke schon. Die Zulassung für Europa hat HIFU vor etwa zehn Jahren erhalten. In Deutschland gibt es zurzeit nur zwei Systeme, europaweit sind es zehn. Fallberichte und Beobachtungen mit großen Patientenzahlen liegen bislang vor allem aus China vor, was die Frage aufwarf, ob sich die Ergebnisse auf Tumorerkrankungen bei Europäern übertragen lassen. Bis dato fehlen belastbare Studien, die die genauen Effekte im Verlauf evaluieren. Inzwischen haben wir etwa 180 Patienten mit HIFU therapiert und sehr gute Ergebnisse mit dieser Technik erzielt. Mittlerweile werden in unserer Klinik in Kooperation mit den Gastroenterologen, Onkologen und Gynäkologen Studien mit verschiedenen Patientenkollektiven nach europäischen Standards durchgeführt.
Ich gehe davon aus, dass sich HIFU nach den ersten Erfolgen auch in Europa allmählich stärker verbreiten wird. Der G-BA hat die Technik bei der Behandlung von Pankreaskarzinomen als vielversprechend eingestuft. Von der Beantragung des Systems über Planung und Genehmigung bis zur Inbetriebnahme können allerdings mehrere Jahre vergehen, so dass diese Entwicklung nicht über Nacht passieren wird.
Profil:
PD Dr. Dr. Milka Marinova ist Oberärztin an der Radiologischen Klinik des Universitätsklinikums Bonn. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählt der klinische Einsatz von hochintensivem fokussierten Ultraschall (HIFU) zur Therapie von Tumorerkrankungen, insbesondere von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Für ihre Arbeiten in diesem Bereich wurde die Radiologin 2017 mit dem DEGUM-Wissenschaftspreis ausgezeichnet.
09.11.2018