Artikel • Eine schonende Alternative

Leberzellkrebs-Therapie ohne Skalpell

Leberzellkrebs stellt weltweit eine der häufigsten Krebserkrankungen dar. Die Zahl der Patienten mit einem hepatozellulären Karzinom (HCC) wird in Deutschland über die nächsten zehn bis fünfzehn Jahren dramatisch ansteigen. Hauptgrund hierfür ist u. a. auch das zunehmende Auftreten von Fettleberhepatitis.

portrait of Thomas Helmberger
Prof. Dr. Thomas Helmberger ist seit 2007 Chefarzt des Institutes für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin des Klinikums Bogenhausen, München.

Das bedeutet, dass auch Interventionelle Radiologen sich in Zukunft vermehrt mit der Behandlung von Leberzellkrebs-Patienten auseinander setzen müssen. Unter den radiologisch-interventionellen Verfahren nehmen die perkutane Thermoablation und die Chemoembolisation beim HCC einen sehr hohen Stellenwert ein und bedeuten für viele Patienten einen erfolgreichen Therapieansatz.  Doch welche Methode sollte wann zum Einsatz kommen? Welche Fragestellungen und Kontraindikationen gilt es zu berücksichtigen? 

Eine spannende Einführung in das weiter an Aktualität zunehmende Thema der Tumortherapie der Leber wird unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Helmberger, Chefarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Bogenhausen, München, statt finden. Als Initiator und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie liegt ihm die Fort- und Weiterbildung in der Interventionellen Radiologie besonders am Herzen. „Wir sind immer noch ein relativ kleiner Trupp an Spezialisten und leisten gerne Aufklärungsarbeit an vorderster Front“,  bemerkt  er nicht ohne Humor. „Der Bayerische Röntgenkongress bietet dafür eine prima Gelegenheit.“

Bei der Therapie von lebereigenen Tumoren und Metastasen bildet die Interventionelle Radiologie zusammen mit der internistischen Hepatologie und Onkochirurgie ein starkes Gespann. Das liegt vor allem daran, dass ein zunehmender Konsens über eine stratifizierte Behandlung des Leberkarzinoms herrscht. Anhand sehr fortgeschrittener leitlinienartiger Therapieempfehlungen lässt sich die richtige Intervention beim HCC unter der Obhut der richtigen Fachärzte zielsicher wählen. Wenn eine operative Entfernung des Karzinoms nicht möglich ist, schlägt die Stunde der interventionellen minimal-invasiven Verfahren. 

„Unser Fachgebiet gewinnt in den letzten Jahren immer mehr an eigenständiger Bedeutung. Neben der Gefäßmedizin konnten wir mit modernen Technologien, wie sie in dem Refresherkurs vorgestellt werden, auch in der Onkologie Fuß fassen. Chirurgische Eingriffe werden so  häufig durch bildgeführte unblutige Verfahren ersetzt“, so Helmberger.

Einen heißen Trend im wahrsten Sinne des Wortes stellt die Radiofrequenzablation (RFA) bei primären und sekundären Lebertumoren dar. Dabei wird eine Sonde ähnlich einer Punktionsnadel in das Tumorgewebe eingeführt. In der Sonde befinden sich Antennen, die im malignen Gewebe z. B. wie ein Schirm ausgefahren werden. Durch einen Radiofrequenzgenerator wird in die Antennen hochfrequenter Wechselstrom geleitet, der Hitze erzeugt und den Tumor verkocht. Doch das Verfahren hat seine Grenzen erklärt Helmberger: „Die Hitzeausdehnung um die Antennen ist auf etwa 4 bis 7 cm limitiert.  Das heißt, dass der Tumor eine Größe von drei bis sechs Zentimetern nicht überschreiten und die Ränder außerdem gut bestimmbar sein sollten. Bei größeren Tumoren können mehrere Sondenplatzierungen durchgeführt werden, um den Tumor vollständig zu erfassen. Dies ist jedoch nicht nur zeitaufwändig, auch das Risiko, dass der Tumor nicht vollständig zerstört wird nimmt dabei zu.“ 

Thermoablation und SIRT

Die Thermoablation bietet große Chancen auch in anderen Bereichen der Onkologie. Der spannenden Frage, auf welche Anwendungsgebiete die RFA sich noch übertragen lässt, wird im Rahmen des Refresherkurses Prof. Dr. Josef Tacke vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie/Neuroradiologie, Klinikum Passau, nachgehen.

Mit SIRT steht in Europa seit 2003 eine neuartige Behandlungsmethode zur Verfügung, die besonders effektiv bei der diffusen multi-fokalen Tumorbildung ist. Prof. Helmberger führte die noch junge Methode der Selektiven internen Radiotherapie, kurz SIRT, als erster in Europa ein und wird das Verfahren in diesem Refresherkurs vorstellen. Das Besondere dieser Embolisationstechnik ist, dass die Partikel radioaktiv angereichert sind und die Krebsherde auf diese Weise direkt in der Leber bestrahlt werden können. Als Radiotherapeutikum in den Kügelchen wird das Isotop Yttrium-90 verwendet. Die Mikrosphären (Durchmesser ca. 35 µm) haben eine physikalische Halbwertszeit von etwa 64 Stunden und erreichen lokal eine hohe Strahlenwirkung von etwa 300 Gy Dosis mit einer geringen Reichweite von ca. 1 cm. Die Mikrosphären werden über die Leberarterie in die Leber injiziert und gelangen bis in die kleinsten Gefäßverästelungen. Metastasen, die über die Leber verstreut sind, können auf diese Weise optimal erreicht werden. 

Es gibt ein entscheidendes Ausschlusskriterium für die Anwendung der SIRT beim Leberzellkarzinom und das ist die Leberzirrhose

Thomas Helmberger

Die Evaluierung von Daten und Studienergebnissen mit SIRT beim Leberzellkarzinom ist jedoch schwierig, weil die Methode nur für eine begrenzte Patientengruppe geeignet ist. Die Therapieerfolge werden an vergleichsweise wenig Fällen festgemacht. Prof Helmberger erklärt wieso: „Es gibt ein entscheidendes Ausschlusskriterium für die Anwendung der SIRT beim Leberzellkarzinom und das ist die Leberzirrhose. In Europa tritt Leberkrebs aber fast immer als Folge einer entzündlichen Leberschädigung auf. Während die normale Leber ihre Blut- und Nährstoffzufuhr zu 80 Prozent aus der Pfortader und nur zu 20 Prozent aus der Leberarterie bezieht, ändert sich dieses Versorgungsverhältnis bei einer Leberzirrhose. Ein Verschluss der Leberarterie mittels SIRT hätte dann fatale Folgen.“ SIRT kann daher nur bei weitgehend lebergesunden Patienten angewendet werden, z. B. beim Dickdarmkarzinom mit Lebermetastasen oder milden Leberzirrhosen.

„Des Weiteren gilt es vor einer Yttrium-90-Therapie unbedingt zu prüfen, ob beim Patienten angeborene oder erkrankungsbedingte Kurzschlussverbindungen zwischen den Gefäßen der Leber und Lunge oder anderen Organen bestehen“, berichtet Helmberger. „Sollte dies  übersehen werden, kommt es zu einer Strahlenpneumonitis oder einer unerwünschten Bestrahlung z. B. des Dünndarms.“ Die so genannten Kurzschlussgefäße funktionieren wie eine direkte Abkürzung zwischen Leberarterie und -Vene. Das bedeutet, die Yttrium-Partikel gelangen gar nicht erst ins Lebergewebe, sondern fließen direkt in die Lebervenen ab. Diese transportieren das Radiotherapeutikum über das Herz in die Lunge, wo sie sich in den peripheren Gefäßen ablagern und die Lunge von innen heraus bestrahlen. Komplikationslos ist SIRT deshalb nur dann, wenn die Mikrosphären nach der Verabreichung sicher in der Leber verbleiben.

Innovative Verfahren wie Radiofrequenzablation und SIRT können eine operative Entfernung des HCC zwar nicht ersetzen, ermöglichen jedoch den Zugang zu schonenden Behandlungsalternativen. Damit leisten radiologische Interventionen wichtige Pionierarbeit für eine Tumortherapie auf höchstem Niveau zum Wohle der Patienten.


Über die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR):

Im Januar 2008 wurde aus der Arbeitsgemeinschaft Interventionelle Radiologie innerhalb der Deutschen Röntgengesellschaft die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR). Damit ist den sieben Vorstandsmitgliedern unter der Leitung von Prof. Thomas Helmberger ein wichtiger Schritt zur Etablierung der Interventionen als quasi Subspezialität (Anmerkung: definitiv kein Teilgebiet) der Radiologie gelungen. „Die Zeit dafür war reif. Unser Fach bedient ein immer größeres Spektrum an gefäßmedizinischen und onkologischen Behandlungsmethoden. Trotzdem fehlte uns lange Zeit der offizielle Rahmen, um uns gegenüber anderen Disziplinen zu behaupten. Jetzt können wir endlich einen Dialog auf Augenhöhe mit den anderen Fachgesellschaften führen und den Blick der Öffentlichkeit auf radiologische Interventionen und ihre hohe klinische Relevanz schärfen“, so Helmberger. Die DeGIR ist unter dem Dachverband Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe (CIRSE) untergebracht und unterhält ihren eigenen Kongress, das Interventionell Radiologische Olbert Symposium (IROS).


Profil:

Prof. Dr. Thomas Helmberger ist 49 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Söhne. Seit Frühjahr 2007 ist der gebürtige Regensburger Chefarzt des Institutes für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin des Klinikums Bogenhausen, München. Von 2001 – 2004 war Helmberger Oberarzt am Institut für Klinische Radiologie, Universität München, Klinikum Großhadern. Danach leitete er 2 ½ Jahre die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin und das medizinische Leistungszentrums 5 (Radiologie, Nuklearmedizin, Neuroradiologie und Strahlentherapie) des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Prof. Helmberger ist Mitherausgeber der Fachzeitschriften „Der Radiologe“ und „CardioVascular and Interventional Radiology“ (CVIR) und engagiert sich als Gutachter für weitere Publikationen wie „RöFo“ oder das „European Journal of Radiology“. Er ist darüber hinaus aktiv in zahlreichen Fachgesellschaften, u. a. als Gründungsmitglied der DeGIR und der International Liver Cancer Association (ILCA).

09.10.2009

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