Illustration eines Uterus mit Endometriose

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Artikel • Gynäkologische Klassifikationen

#ENZIAN und FIGO: Moderne Werkzeuge zur Bewertung von Endometriose und Tumoren

Zwei Klassifikationen haben sich in den letzten Jahren als wertvolle Instrumente in der Diagnostik und Therapieplanung von Endometriose und gynäkologischer Tumoren etabliert: Die #ENZIAN- und die FIGO-Klassifikation. Radiologen spielen bei beiden Klassifikationen eine Schlüsselrolle.

Artikel: Sonja Buske

Endometriose betrifft weltweit etwa 10% der Frauen im reproduktiven Alter und stellt sowohl für Gynäkologen als auch für Radiologen eine Herausforderung dar. Besonders die tiefe infiltrierende Endometriose (TIE) erfordert eine präzise Diagnosestellung, da sie häufig mit schwerwiegenden Symptomen und Komplikationen einhergeht. Die #ENZIAN-Klassifikation, die ursprünglich für die intraoperative Bewertung entwickelt wurde, hat mittlerweile durch ihre radiologische Adaption an Bedeutung gewonnen. 

Das Konzept der #ENZIAN-Klassifikation basiert auf einer systematischen Erfassung der Lokalisation und des Schweregrads der Endometriose. Es erweitert die herkömmliche rASRM-Klassifikation, die sich primär auf oberflächliche Läsionen konzentriert, um eine detaillierte Bewertung tiefer infiltrierender Herde und ihrer Auswirkungen auf angrenzende Strukturen. Radiologisch wird die Klassifikation insbesondere durch transvaginalen Ultraschall (TVUS) und Magnetresonanztomographie (MRT) unterstützt, die beide eine hohe Sensitivität und Spezifität für die Darstellung von Endometriosen haben. Die Klassifikation unterteilt die Erkrankung in verschiedene Kompartimente (A, B, C) und ermöglicht zusätzlich die Beurteilung von Veränderungen an Organen wie Darm, Harnblase oder Ureteren.

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Artikel • Gynäkologie und Geburtshilfe

Endometriose: Neues zu Forschung und Therapien

Die Endometriose rückt immer mehr in den Fokus der Medizin und Forschung. Eine gute Nachricht für rund 190 Millionen betroffene Frauen weltweit, davon allein zwei Millionen in Deutschland. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in Berlin stellten Experten die neuesten Erkenntnisse und Therapien rund um die chronisch verlaufende Krankheit vor.

Im Fokus der #ENZIAN-Klassifikation steht die dreidimensionale Bewertung tiefer infiltrierender Endometriose, die durch die radiologische Bildgebung präzise dargestellt werden kann. Kompartiment A umfasst Veränderungen im Bereich des retrozervikalen Raumes und des Uterus, während Kompartiment B für die Parametrien und das seitliche Becken steht. Kompartiment C bezieht sich auf den tiefen retrorektalen Raum und den Rektosigmoidbereich. Die Einbeziehung weiterer Buchstaben (z. B. F für frei flottierende Läsionen oder O für ovarielle Beteiligung) erlaubt eine noch differenziertere Beschreibung komplexer Befunde. 

Die radiologische Anwendung der #ENZIAN-Klassifikation erfordert eine präzise Technik und Erfahrung. Im MRT, insbesondere in hochauflösenden T2-gewichteten Sequenzen, können die typischen Merkmale tiefer Endometriose wie hypointense fibrotische Strukturen, Signalalterationen durch zyklische Blutung oder assoziierte Adhäsionen klar identifiziert werden. Der transvaginale Ultraschall, häufig mit einer kontrastierenden Rektalspülung kombiniert, ermöglicht eine hochdetaillierte Visualisierung peritonealer und subperitonealer Endometrioseherde. 

Die standardisierte Anwendung der #ENZIAN-Klassifikation bietet sowohl klinische als auch wissenschaftliche Vorteile. Sie verbessert die Kommunikation zwischen Radiologen, Gynäkologen und Chirurgen und schafft eine Grundlage für eine individuell angepasste Therapieplanung. Darüber hinaus erlaubt sie eine einheitliche Dokumentation und Vergleichbarkeit von Studien, was die Endometriose-Forschung fördert. Radiologen spielen in diesem Prozess eine Schlüsselrolle, da ihre Expertise entscheidend ist, um die strukturellen Merkmale der Erkrankung zuverlässig zu erkennen und korrekt zuzuordnen. Die Adaption der #ENZIAN-Klassifikation in die radiologische Praxis trägt maßgeblich dazu bei, die oft verzögerte Diagnosestellung dieser komplexen Erkrankung zu beschleunigen. Für Radiologen bedeutet dies jedoch auch eine Verpflichtung, sich intensiv mit der spezifischen Bildgebung und den Klassifikationskriterien vertraut zu machen, um die bestmögliche Versorgung der Patientinnen sicherzustellen.

FIGO-Klassifikation zur Stadieneinteilung gynäkologischer Tumoren

Eine weitere wichtige Klassifikation in der Gynäkologie ist die FIGO-Klassifikation. Sie wurde von der International Federation of Gynecology and Obstetrics entwickelt und hat sich als unverzichtbares Werkzeug für die Stadieneinteilung gynäkologischer Tumoren etabliert. Seit ihrer Einführung dient sie als international anerkanntes System, das eine einheitliche Diagnostik, Therapieplanung und Prognosebewertung ermöglicht. Die Klassifikation findet Anwendung bei malignen Tumoren des Gebärmutterhalses, des Endometriums, der Ovarien, der Vagina und der Vulva. Sie berücksichtigt dabei sowohl klinische als auch pathologische Befunde, um eine möglichst präzise und reproduzierbare Beschreibung des Tumorausmaßes zu gewährleisten. 

Im Mittelpunkt der FIGO-Klassifikation steht die Stadieneinteilung von gynäkologischen Malignomen anhand ihrer lokalen Ausbreitung, der Beteiligung von Lymphknoten und des Vorhandenseins von Fernmetastasen. Dabei wird eine enge Verbindung zur TNM-Klassifikation der Union for International Cancer Control (UICC) hergestellt, was die interdisziplinäre Zusammenarbeit erleichtert. Die Stufen reichen von Stadium I, das auf die Primärregion des Tumors beschränkt ist, bis zu Stadium IV, das durch die Ausbreitung auf entfernte Organe gekennzeichnet ist. Dieser systematische Ansatz bietet eine klare Orientierung für die Behandlungsplanung und erlaubt den Vergleich von Therapieergebnissen in wissenschaftlichen Studien. 

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Interview • Gynäkologische Bildgebung

Die Schlüsselrolle der MRT beim Zervixkarzinom

Das klinische Staging des Zervixkarzinoms erfolgt nach Kriterien der Fédération Internationale de Gynécologie et d'Obstétrique (FIGO) erläutert Dr. Evis Sala, Direktorin der Abteilung für gynäkologische Radiologie am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York, „weil die Mehrheit der Zervixkarzinome in Entwicklungsländern auftritt, wo der Zugang zu MRT-Systemen und…

Für die Bildgebung spielt die FIGO-Klassifikation eine zentrale Rolle, da moderne diagnostische Verfahren wie MRT, CT und Ultraschall entscheidend zur Stadieneinteilung beitragen. Besonders bei Gebärmutterhalskrebs und Endometriumkarzinomen ermöglicht die MRT eine detaillierte Beurteilung der Tumorinvasion in das Myometrium, den Parametrien oder benachbarte Organe. Auch die Detektion von Lymphknotenmetastasen, die in der FIGO-Klassifikation für viele Tumorarten als kritisches Kriterium dient, wird durch hochauflösende bildgebende Verfahren wie CT oder PET-CT unterstützt. Die Rolle der Radiologie geht jedoch über die reine Stadieneinteilung hinaus, da sie auch für die Therapiekontrolle und die Beurteilung des Ansprechens auf Behandlungen essenziell ist. 

Die kontinuierliche Weiterentwicklung der FIGO-Klassifikation spiegelt den Fortschritt in der Onkologie wider. Neuere Revisionen haben insbesondere die molekularbiologischen Eigenschaften von Tumoren stärker berücksichtigt, um den Paradigmenwechsel hin zu einer personalisierten Medizin zu unterstützen. Dies zeigt sich beispielsweise bei den Ovarialkarzinomen, bei denen genetische und histopathologische Unterschiede eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig bleiben die traditionellen Kriterien der Tumorausbreitung von zentraler Bedeutung, da sie die Grundlage für chirurgische Eingriffe und die Wahl adjuvanter Therapien bilden. 

Die FIGO-Klassifikation erleichtert Radiologen, Onkologen und Gynäkologen die interdisziplinäre Kommunikation, insbesondere in der Tumorkonferenz, da sie eine strukturierte Diskussion der Krankheitsstadien und Therapieoptionen ermöglicht. Die FIGO-Klassifikation bleibt ein dynamisches System, das sich an den Fortschritt in der Forschung und klinischen Praxis anpasst. Ihre Bedeutung für die gynäkologische Onkologie ist unbestritten, da sie sowohl die klinische Versorgung als auch die wissenschaftliche Vergleichbarkeit erheblich verbessert. 


Quellen: 

  1. Keckstein J, Hudelist G, Koninckx P, Keckstein S, Keckstein S. The #Enzian classification for the diagnosis and surgery of endometriosis: a narrative review. Gynecol Pelvic Med 2021; 4:40
  2. Prat J; FIGO Committee on Gynecologic Oncology. Stadieneinteilung für Krebs des Eierstocks, des Eileiters und des Bauchfells. Int J Gynecol Obstet 2014;124(1):1-5. Copyright Elsevier (2013)

09.04.2025

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