Interview • Moderne Anforderungen

CT: Mehr Details und weniger Strahlung

Bewegte Organe sind immer eine besondere Herausforderung für bildgebende Verfahren. „Schneller, breiter, schärfer“ titelt daher das Lunch-Symposium am 10. Oktober 2009 auf dem bayerischen Röntgenkongress in Murnau. Über heute schon Mögliches und einen gewagten Blick in die bildgebende Zukunft sprach Radiologia Bavarica (RB) mit dem Moderator des Symposiums, Professor Dr. habil. Ph.D. Willi A. Kalender, Direktor des Institutes für Medizinische Physik an der Universität Erlangen Nürnberg.

Interview: Daniela Zimmermann

RB: Verraten Sie mir, was Sie zurzeit bei der Entwicklung des CT umtreibt, wo Ihr Herz schlägt?

portrait of willi kalender
Prof. Dr. habil. Ph. D. Willi A. Kalender leitet seit 1995 den damals neu eingerichteten Lehrstuhl für Medizinische Physik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Willi A. Kalender: Ja, sehr gerne. Denn gerade in letzter Zeit hat sich erneut bestätigt, dass wir mit der Entwicklung der Spiral-CT den richtigen Weg beschritten haben. Spiral-CT erlaubt schnelle Aufnahmen mit hohem Pitch-Wert, sprich: einem sehr schnellen Tischvorschub. Durch diese schnelleren Aufnahmen kann gleichzeitig auch die Strahlendosis reduziert werden. Mit dem hohen Pitch sind Lungen-Aufnahmen in weniger als einer Sekunde möglich. Auch bei Körperstamm-Untersuchungen schlanker Personen erzielen wir exzellente Ergebnisse in ein bis zwei Sekunden. Dabei liegt die Strahlendosis lediglich in einem Bereich von nur ein bis zwei Millisievert. Die Schnelligkeit der Scans zeigt sich besonders bei Aufnahmen von beweglichen Organen wie dem Herzen, das komplett in einer Viertelsekunde in allerhöchster Qualität aufgenommen werden kann. Durch den höheren Tischvorschub überlappen die Aufnahmen nicht mehr, die Detailtreue des Spiral-CT geht aber auch bei dieser größeren Abdeckung nicht verloren.

RB: Welche Anforderungen stellen sich in der täglichen klinischen Routine an ein CT?

Willi A. Kalender: Dazu kann ich Ihnen Beispiele nennen: Die atembedingten Inkonsistenzen und Verluste an Bildqualität bei Volumenaufnahmen mit herkömmlichen CT-Methoden waren der Grund für die Entwicklung der Spiral-CT. Das hat sich allgemein bewährt. Bei der Aufnahme des Herzens werden aber zurzeit unterschiedliche Konzepte diskutiert: Spiral-CT versus Step-and-Shoot-Verfahren. Bei letzterem sind mit den heutigen Geräten in den meisten Fällen zwei oder mehr Scans notwendig.. Wenn der Patient nicht wie auf den Bildern, die auf Konferenzen gezeigt werden, perfekt den Atem anhält, entstehen atemabhängige Stoßstellen und Übergangszonen, welche die Beurteilung erschweren können. Bei der Lunge sind die Unterschiede aufgrund des größeren Volumens, noch erhöht. Für solche Fälle ist Spiral-Scan sehr viel besser, denn der Scan kann heute während einer einzigen Atemanhalte-Phase und eines einzigen Herzschlags erfolgen. Mit Dual Source CT und einer Gesamtscanzeit von ca. einer Viertelsekunde für das komplette Herz erzielen wir inzwischen hervorragende und sehr zuverlässige Ergebnisse. Natürlich ist bei allen Untersuchungen, die über die typischen 12 Zentimeter wie beim Herzen hinausgehen,  Spiral-CT die Methode der Wahl.

RB: Welche neuen Entwicklungen wird es mit dem Spiral-CT künftig geben?

Die CT der Brust werden wir in wirklich guter Qualität mit sehr schnellen Aufnahmen und akzeptabel niedriger Dosis erreichen können.

Willi A. Kalender

Willi A. Kalender: Eine ganz neue Entwicklung, die noch in den Anfängen steckt, ist die CT der Brust – ein Verfahren, zu dem es derzeit nur Vorüberlegungen zum Gerät gibt, aber bereits erste Experimente und Simulationen. Liegt die Patientin auf dem Bauch, befindet sich die Brust dank der Schwerkraft im Messfeld, möglichst weit weg von der Brustwand. Röhre und Detektor kreisen ausschließlich um die Brust. Die Leistung und die Dosis werden reduziert, da nicht der gesamte Thorax exponiert ist. Die Brust wird dabei nicht komprimiert. Somit ist sie dann auch für eine eventuelle Biopsie oder Therapie zugänglich. Weiterhin ist dynamische CT geplant, mit der die Kontrastmittel-Kinetik gemessen und eine Differenzialdiagnose durchgeführt werden kann. Das bedeutet ein Scan vor der Kontrastmittel-Injektion bei null Sekunden und nachfolgend zum Beispiel nach jeweils 60 Sekunden mit unterschiedlichen Anreicherungen. CT erlaubt eine hohe zeitliche Auflösung und es können ganze Anreicherungs-Kurven ohne eine wesentliche Dosissteigerung aufgezeichnet werden. Je nachdem, wie stark und schnell sich das Kontrastmittel anreichert, lassen sich benigne von malignen Veränderungen im Gewebe unterscheiden, wie bereits in klinischen Studien mit MR und CT belegt wurde. Hinsichtlich der Strahlendosis konzentrieren wir uns darauf, die Größenordnung der Richtwerte für Mammographie und Tomosynthese nicht zu überschreiten. Die CT der Brust werden wir in wirklich guter Qualität mit sehr schnellen Aufnahmen und akzeptabel niedriger Dosis erreichen können. Voraussetzung ist jedoch, dass neue Technologien entwickelt und ein Spezialgerät auf der Basis der Spiral-CT gebaut wird werden. Das wird erst in eineinhalb oder zwei Jahren zur Verfügung stehen. Die Aussichten für dieses Projekt sind faszinierend. 

RB: Wie bewerten Sie die Tomosynthese als Alternative zur Mammographie oder auch die MR für diese hinsichtlich der klinischen Tauglichkeit und Strahlendosis?

Nach meiner Einschätzung wird die CT entscheidende diagnostische Aussagen liefern.

Willi A. Kalender

Willi A. Kalender: Der Tomosynthese werden zwar 2,5 Dimensionen zugesprochen, die dritte Dimension aber nur mit geringer Auflösung. Dies stellt immerhin einen wesentlichen Fortschritt dar, erfordert aber weiterhin Kompromisse in der Bildqualität, die nach meiner Meinung nicht gemacht werden sollten. Hinsichtlich der Strahlendosis gibt es für die Tomosynthese noch keine festgelegten Richtwerte, da das Verfahren noch neu ist. Nach meiner Einschätzung wird die CT entscheidende diagnostische Aussagen liefern: neben der für sie typischen, ausgezeichneten morphologischen Darstellung mit hoch aufgelösten 3D-Darstellungen von Mikrokalzifikations-Clustern, die mit MR nicht erfasst werden, auch dynamische Untersuchungen - also das, was bisher hauptsächlich die MR auszeichnet.

RB: Gehen Sie zum Bayerischen Festabend unter dem Motto »Dosis und Larmor in Dirndl und Lederhosen: Bitte kommt’s in der Tracht«?

Willi A. Kalender: Ich werde nicht nur kommen, ich habe mich auch schon orientiert. Ich habe zwar keine Tracht, aber ich habe eine Quelle, wo ich mir eine Lederhose leihen kann. Ich bin schon zwei Mal in Lederhose angetreten. Es war jeweils eine große Gaudi, wie man in Bayern sagt.

RB: Vielen Dank für das Gespräch! 


Profil:

Prof. Dr. Willi A. Kalender, geboren 1949 in Thorr, Bergheim, studierte Mathematik und Physik in Bonn und Medizinische Physik an der Universität von Wisconsin, USA, wo er 1979 auch promovierte. 1988 folgte die Habilitation an der Universität Tübingen. Von 1976 bis 1995 war Kalender auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung bei der Siemens AG in Erlangen tätig, wo er ab 1988 die Abteilung Medizinische Physik leitete. Seit 1991 lehrte Kalender außerdem als Associate Professor an der Universität von Wisconsin sowie 1993 bis 1995 als Privatdozent an der TU München. Seit 1995 leitet er den damals neu eingerichteten Lehrstuhl für Medizinische Physik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Prof. Kalender ist Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Vereinigungen, Gremien und Komitees und wurde als Wissenschaftler mit hohen internationalen Auszeichnungen geehrt. So wurde er als erster Nicht-Amerikaner in das „Board of Directors“ der Amerikanischen Gesellschaft für Medizinische Physik gewählt und erhielt 2007 von der Europäischen Wissenschaftsstiftung den Latsis-Preis in Anerkennung seiner herausragenden Forschungsbeiträge auf dem Gebiet der medizinischen Bildgebung. Er ist Pionier der Spiral-CT, die vor 20 Jahren den Durchbruch von der zwei- zur dreidimensionalen Bildgebung mit sich brachte. Im vergangenen Jahr erhielt er die Röntgenplakette der Stadt Remscheid, dem Geburtsort Röntgens. Prof. Kalender ist außerdem Ehrendoktor der RWTH Aachen.

09.10.2009

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