Ein Mehr an Möglichkeiten in der Mammadiagnostik
von Meike Lerner
Bereits zum 31. Mal findet in der Zeit vom 23.-25. Juni 2011 der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie statt. In diesem Jahr können sich die mehr 2.500 erwarteten Teilnehmer auf das wunderschöne Dresden als Veranstaltungsort und damit auf ein Wiedersehen freuen...
...nicht nur, dass Dresden bereits 2006 Heimat der Veranstaltung war, auch der damalige Kongresspräsident Prof. Rüdiger Schulz-Wendtland wird die Gäste in eben dieser Funktion 2011 erneut begrüßen. Alles andere als eine Wiederholung sind hingegen die Kongressthemen: Die rasanten technologischen Entwicklungen ziehen immer neue Debatten hinsichtlich Einsatz und Nutzen nach sich, die auf dem Kongress ausführlich diskutiert werden. Neben den Schwerpunktthemen Neoadjuvanz und Adjuvanz, Translationale Forschung und Intraoperative Radiotherapie (IORT) steht die digitale Mammographie, die Fusionstechnologien und das Molecular Imaging im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Programms. Über Letzteres sprach EUROPEAN HOSPITAL (EH) bereits im Vorfeld des Kongresses mit Rüdiger Schulz-Wendtland (R.S.-W.).
EH: Eine Session, deren Vorsitz Sie haben, beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Molekularen Bildgebung mit Hybridsystemen. Welche Methoden stehen hier im Vordergrund?
R.S.-W.: Momentan werden mehrere Ansätze verfolgt, verschiedene bildgebende Systeme zu fusionieren oder zu hybridisieren. Hier gilt es zunächst einmal die Begrifflichkeiten zu unterscheiden. Bei der Hybridisierung koppelt man zwei unterschiedliche Systeme hintereinander, wie beim PET-CT. Bei der Fusionierung besteht der Ansatz darin, aus zwei Geräten eins werden zu lassen. Ein gutes Beispiel für Letzteres ist die Methode, MRT-Bilder in das Ultraschallgerät einlaufen zu lassen, so dass die Informationen beider Modalitäten gleichzeitig in die Befundung einfließen. Ein weiterer Weg, den wir an der Universität Erlangen gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut und der Industrie verfolgen ist, die Bilder aus Mammographie und Ultraschall zu fusionieren.
Einen weiteren Schwerpunkt werden die Möglichkeiten der MRT bilden. Zum einen spektroskopische Verfahren, die auf molekular-biologischer Ebene die Prozesse in der Brust darstellen. Zum anderen wird es aber auch darum gehen, dass wir qualitätsgesicherte Standards für die MRT der Brust benötigen, die es so – in Deutschland – derzeit noch nicht gibt. Mit zu den spannendsten Themen im Bereich der MRT zählt außerdem der Stellenwert der DCIS. Hierzu hat Prof. Christiane Kuhl bereits einiges publiziert und gezeigt, dass aggressive high-grade DCIS anreichern, obwohl man eigentlich weiß, dass diese nur bei einer Neoangiogenese im MRT sichtbar werden. Auf diese Ergebnisse wollen wir aufbauen und DCIS weiter quantifizieren. Wir möchten der Frage nachgehen, ob high-grade DCIS, die sich im MRT anreichern, Rezeptoren aufweisen, die darauf hindeuten, dass die aggressiven DCIS später auch zu aggressiven Tumoren werden.
EH: Welche Rolle spielt die Tomographie?
R.S.-W.: Die dreidimensionale Darstellung der Brust spielt natürlich eine ganz entscheidende Rolle. Zum Beispiel in Form der Tomosynthese, bei der zusätzlich zur zweidimensionalen Aufnahme Aufnahmen in einem Winkelbereich von +/- 15 oder +/- 25 Grad gemacht werden. Unternehmen wie GE, Siemens oder Hologic arbeiten sehr intensiv an diesen Lösungen. Einen anderen Ansatz wählt die Firma Fuji, die nach wie vor 2D-Aufnahme erstellt, die allerdings durch eine parallaxe Verschiebung dreidimensional auf dem Monitor dargestellt werden. Derzeit ist hierfür noch eine spezielle Brille notwendig, neuere Monitore erzielen diesen 3D-Effekt auch ohne Brille.
Diese unterschiedlichen 3D-Optionen sind ein Thema der Sitzung und – das ist mir ganz wichtig – bilden nicht etwa ferne Zukunftsmusik, sondern ganz konkrete Optionen, die für die Klinik relevant sind.
EH: Wo bleibt der Ultraschall?
R.S.-W: Auch dem werden wir uns ausführlich widmen. Zunächst in Bezug auf den Einsatz im Mammographie-Screening. Derzeit besteht die Anforderung, bei Drüsengewebe der Dichte 3 oder 4 den Drüsenkörper zusätzlich zur Mammographie zu schallen. Diese Anforderung basiert auf Studienergebnissen aus Screening-Szenarien unter Einsatz analoger Mammographiesysteme. Da wir hier in Deutschland im Screening generell digital arbeiten, muss die Frage nach der Dichte des Drüsenkörpers jedoch geringer gestuft werden. Und die wichtige, bisher jedoch rein hypothetische Frage, lautet: Kann über die Tomosynthese, die unter Umständen in der Zukunft den Weg ins Screening findet, ganz auf den Ultraschall im Screening verzichtet werden? Das ist natürlich eine provokante These.
EH: Zumal dem Ultraschall aufgrund neuer technologischer Entwicklungen eigentlich eine wachsende Bedeutung in der Mammadiagnostik zukommt….
R.S.-W.: Ja, die Elastographie beispielsweise hat hier bestimmt Fortschritte gemacht. Jedoch sind die Indikationen der Elastographie derzeit noch nicht klar genug definiert. Sie scheint eine große Rolle bei der Differentialdiagnostik benigner und maligner Tumore zu spielen und wahrscheinlich im Follow-up der neoadjuvanten Chemotherapie, weil eben auch die Morphologie berücksichtigt wird.
Um es abschließend zusammenzufassen: Die neuen Methoden bieten, jede für sich, große Potenziale, deren Einsatzbereich sich in den kommenden Jahren jedoch erst noch herauskristallisieren muss.
EH: Wir danken für das Gespräch.
16.06.2011