Pathologie

Verbesserung der Effizienz und der Qualität durch Digitalisierung

Zunehmende Ansprüche an die Spezialisierung und diagnostische Qualität der Pathologie auf der einen und die Bedeutung pathologischer Befunde für die Behandlungsplanung auf der anderen Seite erfordern neue Lösungen in der pathomorphologischen Diagnostik. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die sich rasant entwickelnde Möglichkeit der Diagitalisierung und Kommunikationssysteme, die die Speicherung und Übertragung großer Datenmengen erlauben. Dies eröffnet neue Möglichkeiten in der Pathologie, die unter dem Schlagwort ‚Digitale Pathologie‘ zusammengefasst werden. „Digitale Pathologie sind Verfahren, die der Qualitätsverbesserung und dem verbesserten Austausch mit Kollegen im gleichen Fach dienen, die eine andere oder spezielle Expertise haben bei bestimmten Entitäten. Und es dient der Verbesserung der Kommunikation mit der Klinik intern und über eine größere räumliche Distanz“, erklärt Prof. Dr. Hans-Peter Sinn, Pathologisches Institut, Universitätsklinikum Heidelberg.

Telepathologische Darstellung eines Brusttumors in der virtuellen Mikroskopie.
Telepathologische Darstellung eines Brusttumors in der virtuellen Mikroskopie.
Quelle: Prof. Dr. Hans-Peter Sinn
Prof. Dr. Hans-Peter Sinn, Pathologisches Institut, Universitätsklinikum...
Prof. Dr. Hans-Peter Sinn, Pathologisches Institut, Universitätsklinikum Heidelberg.

Telemedizin in der Pathologie wurde früher als ‚Telepathologie‘ bezeichnet. Doch der Begriff bedeutet lediglich, dass man Diagnosen über eine gewisse Entfernung an konventionellen Präparaten stellt. Er ist historisch geprägt, denn in den 90er Jahren gab es Anstrengungen, diagnostische Bilder über gebündelte ISDN-Leitungen oder ähnliches zu übertragen. Also überholte Wege, die längst verlassen wurden auf Grund der unbefriedigenden Technik und beschränkten Aussagen. Hinzu kommt, dass die Pathologie, insbesondere die Tumorpathologie, zunehmend nicht-morphologische Verfahren wie NGS (next generation sequencing) integriert und Klassifikationen davon abhängig sind. Histologische Präparate werden heutzutage primär digitalisiert und serverseitig mittels virtueller Mikroskopie zur Verfügung gestellt. „Der Begriff ‘digitale Pathologie‘ beinhaltet nicht nur die Übertragung von Bildern, sondern auch deren Metadaten und weitere Zusatzinformationen, die den Fall betreffen und mit denen sich der Pathologe ein komplexeres Bild machen kann als nur mit einem mikroskopischen Bild“, erläutert Sinn.

Prozess der Digitalisierung ist unaufhaltsam...

Die Digitalisierung in der Pathologie ermöglicht eine verbesserte Standardisierung, Transparenz und die digitale Archivierung der Mikroskopie. Doch es gibt auch noch einen weiteren wichtigen Faktor. „Die Telemedizin in der Pathologie erlaubt auf unkomplizierte Art und Weise die Vernetzung der Pathologen untereinander, insbesondere was Spezialgebiete betrifft. So gibt es Netzwerke der Hämapathologie oder der Gynäkopathologie, in denen Inhalte wie histologische Präparate, Forschungskonzepte oder molekulare Methoden untereinander ausgetauscht werden können“, berichtet Sinn. Die Telemedizin findet demnach nicht nur am Patienten oder am Einzelfall (Telekonsultation) statt, sondern beinhaltet auch Fortbildungen, Qualitätszirkel, Lehrserien, Tumorregister und Referenzzentren.

Also, alles nur positiv? Mitnichten! „Der Prozess der Digitalisierung ist unaufhaltsam, hat aber in der Routinepathologie gerade erst begonnen und stellt die Pathologie vor besondere Herausforderungen.  Dies betrifft zum Beispiel die noch mangelnde Standardisierung der Plattformen, Bildformate und Schnittstellen der virtuellen Mikroskopie mit Pathologie- und Klinikinformationssystemen. Derzeit mangelt es zudem auch an herstellerunabhängigen Lösungen für die Vernetzung von Subsystemen, die die Molekularpathologie und Immunhistochemie betreffen.“ Darüber hinaus spielen auch Kostenaspekte eine wichtige Rolle. Es wäre irreführend anzunehmen, dass durch Digitalisierung und elektronische Bereitstellung von histologischen Präparaten und Befunden a priorie eine Kostensenkung ausgeht, in dem zum Beispiel Doppeluntersuchungen vermieden werden. „Das trifft für die digitale Pathologie in nicht in erster Linie zu“, sagt der Experte und begründet: „Es ist mit höheren Kosten verbunden, histologische Präparate oder anderweitige pathologische Befunde zu digitalisieren, elektronisch vorzuhalten und gegebenenfalls zu übermitteln. Wir sind angewiesen auf die klassischen histologischen, immunhistologische und molekularen Techniken und müssen diese erst sekundär digitalisieren. Die Digitalisierung ist also ein zweiter kostenaufwändiger Schritt. Es ist heute noch einfacher und günstiger, wenn man Schnittpräparate in den Briefumschlag steckt und dann verschickt. Die Kosten für die digitale Pathologie bewegen sich im hohen sechsstelligen Bereich und liegen damit erheblich höher, als wenn wir Präparate auf dem konventionellen Wege austauschen.“

...trotz der hohen Datenmengen

Die enormen Datenmengen, die es zu verarbeiten gilt, sind ein weiteres Problem. „Auf Grund der geforderten mikroskopischen Auflösung belegen die Bilddaten wesentlich mehr Speicherplatz als beispielsweise in der Radiologie. Ein einzelnes histologisches Präparat ist digitalisiert etwa ein Gigabyte groß. Wenn wir unsere gesamte mikroskopische Diagnostik digitalisieren wollten, dann würden wir im Jahr mehrere hundert Terabyte an Speichervolumen erzeugen und über mehrere Jahre hinweg wären wir bei einer routinemäßigen Bilddokumentation der Mikroskopie für ein Institut im Petabyte-Bereich. Das ist auch ein Grund, warum die Digitalisierung in der Pathologie noch wesentlich weniger weit verbreitet und standardisiert ist als in anderen Teilbereichen der Medizin“, erklärt der Fachmann.

Sinn ist grundsätzlich ein Befürworter der weiteren Digitalisierung, die er auch für unaufhaltsam hält. Dennoch mahnt er abschließend davor, diese nur blauäugig zu betrachten. „Durch die Einführung der Telemedizin im breiten Ausmaß erhöht sich vor allem die Qualität der Versorgung, nur in zweiter Linie die Effizienz. In Zukunft wird sich durch die vermehrte Digitalisierung medizinischer Befunde die Möglichkeit ergeben, objektiver und vernetzter zu arbeiten. Der Patient hat dadurch potenziell den Vorteil einer verbesserten Versorgung, aber die hohen Kosten und der deutlich höhere zeitliche und sächliche Aufwand sind limitierende Faktoren, insbesondere für die Pathologie.“

14.04.2016

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