Bild: Karl-Heinz Nenning
Artikel • Maschinelles Lernen
Radiologie der Zukunft: Mensch und Maschine
Künstliche Intelligenz ist nach wie vor eines der heißesten Themen in der Radiologie.
Bericht: Michael Krassnitzer
„Die Auswertung von Mustern in Daten aus bildgebenden Untersuchungen und klinischen Informationen zu Patienten mittels Maschinellem Lernen wird unser Verständnis von Erkrankungen, deren Behandlung sowie deren Verlaufsabschätzung fundamental verändern“, davon ist Assoc. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Georg Langs, Leiter des Computational Imaging Research Lab (CIR) der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin an der Medizinischen Universität Wien, überzeugt.
Der österreichische Computerwissenschaftler sprach am Rande des Wiener Radiologischen Symposium über zwei wichtige zukünftige Anwendungsbereiche für Maschinelles Lernen – jene Form von „Artificial Intelligence“ (AI), bei der ein Computerprogramm aus einer Fülle an Beispielen lernt: Zum einen die automatisierte Erkennung von bereits bekannten Mustern, Markern oder Signaturen in Bilddaten, die diagnostisch relevant sind, die also dabei helfen, etwas über den zukünftigen Verlauf einer Erkrankung zu sagen oder ob bzw. wie ein bestimmter individueller Patient auf eine Behandlung ansprechen wird. Dazu gehört etwa die Suche nach kleinen Tumoren oder Metastasen.
Der zweite – und in Langs‘ Augen vielleicht sogar vielversprechendere – Anwendungsbereich ist die Entdeckung neuer, bislang unbekannter Muster, Marker oder Signaturen mit diagnostischer Relevanz. „Maschinelles Lernen liefert ganz gute Ergebnisse, wo wir mit herkömmlichen Markern nicht weitergekommen sind“, bekräftigt Langs. Ein gutes Beispiel dafür ist die Diagnostik der idiopathischen pulmonalen Fibrose (IPF), einer schwer zu diagnostizierenden seltenen Erkrankung der Lunge. Hier hat Langs‘ Forschungsgruppe in enger Zusammenarbeit mit dem Lungenfibrosespezialisten Univ.-Prof. Dr. Helmut Prosch an der Medizinischen Universität Wien sechs – von insgesamt 20 – Mustern in CT-Aufnahmen der Lunge identifiziert, die sich im Verlauf der Erkrankung konsistent ändern und mit der Prognose der Erkrankung in Verbindung gesetzt werden können.
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Veränderungen im Gehirn
Dieses Ping-Pong-Spiel zwischen Radiologen und Machine Learning-Experten funktioniert mittlerweile sehr gut und führt zum Fortschritt des Verständnisses auf beiden Seiten
Georg Langs
Auf Basis von MR-Bildern hat die Forschungsgruppe untersucht, wie sich die funktionelle Konnektivitätsarchitektur im Gehirn bei Patienten mit Epilepsie oder einem Glioblastom verändert. Obwohl diesen Erkrankungen fokale Läsionen zugrunde liegen, verändern sich bei den betroffenen Patienten die komplexen Netzwerke, die die Neuronen miteinander bilden, im gesamten Gehirn. „Es handelt sich um Plastizitätsmechnismen, die Kandidaten für Marker sind, mit denen strukturelle Veränderungen frühzeitig erkannt werden können“, erläutert Langs. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Bildanalyse von Gehirnfunktion so sensitiv sein kann, dass diese Mechanismen erkennbar sind, bevor noch eine Läsion in strukturellen MR Bildern sichtbar ist.
Bei all diesen Anwendungen besteht das Ziel darin, ein Prädiktionsmodell zu erstellen, das eine Vorhersage ermöglicht, wie die Krankheit weiter verlaufen wird. „Wenn allerdings Basis eines solchen Modells eine Behandlungsentscheidung getroffen wird, muss klar sein, welcher Mechanismus dahintersteckt“, betont Langs. Denn Maschinelles Lernen ist „agnostisch“, wie sich der Computerwissenschaftler ausdrückt: Es erkennt in einer Fülle an Beispielen ein Muster, das sich konsistent verändert und verwendet dies – ohne Rücksicht darauf, ob dieses Muster mit bekannten physiologischen Prozessen übereinstimmt. Wird ein solches Muster erkannt, dann spielen die Computerwissenschaftler den Ball zurück an die biologische Forschung. „Dieses Ping-Pong-Spiel zwischen Radiologen und Machine Learning-Experten funktioniert mittlerweile sehr gut und führt zum Fortschritt des Verständnisses auf beiden Seiten“, erzählt Langs.
AI ist eine Black Box
Auch das Problem, dass von außen nicht nachvollziehbar ist, wie ein auf maschinellem Lernen basierendes Programm zu seinen Erkenntnissen gelangt – man spricht vom „Black-Box-Problem“ – versuchen die Computerwissenschaftler in den Griff zu bekommen: „In den letzten zwei Jahren wurde die Entwicklung von Methoden für die Zurückverfolgen zur Quelle der Vorhersage forciert“, berichtet Langs, Beantwortet wird also folgende Frage: Was in den vorliegenden Daten hat zu einer Diagnose oder einer korrekten Vorhersage geführt? Auch diese Information wird an die Mediziner rückgemeldet, damit sie untersuchen können, welcher physiologische Prozess dahintersteckt. Diese Anstrengungen werden unter dem Schlagwort „Explainability“ zusammengefasst.
„Der Radiologe wird immer mehr zum Datenintegrator und Interpret subtiler Muster im diagnostischen Prozess – und Maschinelles Lernen ist ein mächtiges Werkzeug dafür“, antwortet Langs auf die Frage nach der Zukunft der Radiologie angesichts der zahlreichen Anwendungen von Künstlicher Intelligenz im Fach. „Die Radiologen werden sicherlich nicht von Maschinen abgelöst, aber ihr Aufgabenbereich wird sich ändern: Sie werden sich künftig auf die komplexeren Fragestellungen konzentrieren können.“
Profil:
Assoc. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Georg Langs ist Leiter des Computational Imaging Research Lab (CIR, www.cir.meduniwien.ac.at) an der Medizinischen Universität Wien. Er studierte Mathematik und Computerwissenschaft in Wien und Graz. Nach Jahren der Forschungstätigkeit an der Ecole Centrale in Paris und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA wurde Langs an die MedUni Wien geholt. Der Computerwissenschaftler, der auch an der Technischen Universität Wien lehrt, ist Reviewer für mehrere internationale Fachzeitschriften, unter anderem IEEE Transactions on Pattern Recogniton and Machine Intelligence und IEEE Transactions on Medical Imaging sowie Autor zahlreicher Fachartikel.
16.01.2019