Artikel • Präzisionsdiagnostik

Künstliche Intelligenz zur Diagnose von Lungenerkrankungen

Unter dem Begriff diffuse parenchymatöse Lungenerkrankungen (DPLD) wird eine Gruppe von mehr als 200 Erkrankungen zusammengefasst, die vom Alveolarepithel, dem Endothel der Lungenkapillaren oder dem pulmonalen Interstitium der Lunge ausgehen.

Bericht: Michael Krassnitzer

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Ass.-Prof. Dr. Helmut Prosch ist Bereichsleiter für Thoraxradiologie an der Universitätsklinik für Radiodiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien.

Die große Zahl an Erkrankungen, verbunden mit der Seltenheit der einzelnen Entitäten und deren Vielzahl an Manifestationsformen, stellt Pneumologen, Radiologen und Pathologen in der Diagnose der einzelnen Erkrankungen gleichermaßen vor Probleme. Eine präzise Diagnose ist aber von außerordentlicher Bedeutung, da sich die verschiedenen Erkrankungen in ihrer Prognose und Therapie deutlich unterscheiden.

Um Diagnose und Prognoseabschätzung zu verbessern, setzt die Thoraxradiologie große Hoffnungen auf Künstliche Intelligenz. Weltweit arbeitet eine Reihe von Forschungsgruppen an Programmen und Algorithmen, die Ärzte bei der Diagnostik und Abschätzung des weiteren Krankheitsverlaufs unterstützen, unter anderem auch an der Medizinischen Universität Wien. „Wir Radiologen beschränken uns bei der Diagnose von DPLDs auf eine Handvoll Muster, deren Verteilung unsere Differenzialdiagnose bestimmt. Der Computer ist aber in der Lage, eine größere Anzahl von Mustern eindeutig zu identifizieren. Daher haben wir die Hoffnung, dass wir computerunterstützt bessere Diagnosen treffen können“, erläutert Ass.-Prof. Dr. Helmut Prosch, Bereichsleiter für Thoraxradiologie an der Universitätsklinik für Radiodiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien, den Forschungsansatz. 

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Typische Muster einer idiopathischen pulmonalen Fibrose, die allerdings nur bei rund 30-60 Prozent der Patienten mittels Computertomographie nachgewiesen werden können.

Dabei gibt es zwei Ansätze: Beim ersten wird auf sogenanntes supervidiertes Lernen gesetzt, eine Methode, bei der ein künstliches System aus Beispielen lernt und diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinert. Zu diesem Zweck markiert der Radiologe auf CT-Bildern die Muster, die er zur Diagnose einer bestimmten Lungenerkrankung heranzieht, und der Computer erkennt schließlich selbstständig Muster und Gesetzmäßigkeiten, die den markierten Stellen gemeinsam sind. „Das funktioniert ganz gut. Allerdings ist dann der Computer nur so gut wie sein Lehrer“, erklärt Prosch. Dieses Problem versucht man mit einem zweiten Ansatz zu umschiffen: dem unsupervidierten Lernen. Das bedeutet: der Computer wird mit zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommenen Bilddaten von Patienten und mit Informationen über den Krankheitsverlauf gefüttert. Daraus versucht er nun, selbstständig Muster zu erkennen, die eine prognostische Bedeutung haben.

„Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend“, bekräftigt Prosch. So wird eine Software bereits für Studien verwendet, um den Therapieerfolg zu messen. Mit Hilfe eines anderen Programms namens „CALIPER“ ist es gelungen, das Volumen von Gefäßen als Parameter für die Prognose von Lungenfibrosen zu identifizieren.

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Doch von Marktreife sind all diese Systeme noch weit entfernt, ist der Wiener Radiologe überzeugt, trotz des Hypes um Künstliche Intelligenz in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit. „Die Robustheit der Methoden muss noch deutlich verbessert werden“, betont Prosch. Der Computer sei zwar zu beeindruckender Diagnosegenauigkeit und Prognoseabschätzung in der Lage, allerdings nur bei den exakt gleichen Untersuchungsbedingungen. „In dem Moment, wo man auch nur einen Parameter ändert, geht die Aussagekraft der Computerberechnungen massiv nach unten“, sagt Prosch.

Insofern hält der Radiologe die in jüngster Zeit immer häufiger geäußerten Befürchtungen, der Computer könnte die Radiologen demnächst überflüssig machen, für maßlos übertrieben. Intelligente Software wird nicht dafür gemacht, um die Radiologen zu ersetzen, sondern um sie zu unterstützen. „Natürlich werden die Radiologen computerunterstützt andere Dinge machen als jetzt, aber dabei kann man nicht von Ablöse sprechen“, bekräftigt er: „Dass das Berufsbild in zehn, fünfzehn Jahren anders ausschaut – ja hoffentlich! Unser Fach muss und wird sich weiterentwickeln.“


Profil:

Ass.-Prof. Dr. Helmut Prosch ist Bereichsleiter für Thoraxradiologie an der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien. Sein Medizinstudium absolvierte der in Brixen (Südtirol) Geborene und Aufgewachsene in Wien. Nach dem Studium war er zwei Jahre lang Forschungsassistent im Forschungsinstitut für krebskranke Kinder im St. Anna Kinderspital Wien. Anschließend folgte die Ausbildung zum Facharzt für Radiologie im Otto-Wagner-Spital in Wien. 2010 wechselte er als Bereichsleiter ins AKH Wien beziehungsweise an die Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin, wo er sich im Fach Radiologie habilitierte. Proschs fachliche und wissenschaftliche Schwerpunkte sind Diagnose und Staging des Lungenkarzinoms, Tuberkulose und Lungenfibrosen.

15.01.2018

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