Für ihre Studie teilten die Wissenschaftler Brustkrebs-Gewebeproben in TMA...
Für ihre Studie teilten die Wissenschaftler Brustkrebs-Gewebeproben in TMA (Tissue Microarrays) ein. Die Bildgebung wurde mit einer Auflösung von 0,18 μm/Pixel durchgeführt.

Bildquelle: Zhang X et al., Nature Communications 2024 (CC BY 4.0)

News • Tumor-Einstufung per Chromatin-Bildgebung

DCIS zu IDC: KI charakterisiert Brustkrebs

Krebs ist nicht gleich Krebs. Manche Tumore wachsen sehr langsam oder wechseln kaum je das Stadium von einer eher harmlosen Vorstufe zu einer lebensbedrohlichen Form.

Bei den Männern gehört das Prostatakarzinom dazu, bei den Frauen eine Vorstufe von Brustkrebs in den Milchgängen, das sogenannte ductale Carcinoma in situ. Die kurz DCIS genannte Form entwickelt sich in 30%-50% der Fälle hin zu einem bedrohlichen invasiven Mamma-Karzinom. Weil das DCIS sehr gut heilbar ist, empfehlen Ärzte generell eine Behandlung. Den Ärzten fehlen bislang Anhaltspunkte, um verlässlich zu entscheiden, welcher Tumor harmlos bleibt oder in ein lebensbedrohliches invasives duktales Karzinom (IDC) übergehen wird.

Portraitfoto von G.V. Shivashankar
Prof. Dr. G.V. Shivashankar entwickelt derzeit am PSI verschiedene Verfahren zur Diagnose und Prognose von Krebs. Die aktuelle Studie lässt hoffen, dass eine Form von Brustkrebs besser charakterisiert werden kann.

© Paul Scherrer Institut PSI/Markus Fischer

Diese Wissenslücke bei der Charakterisierung von Brustkrebs war Anlass für eine neue Studie unter der Leitung von G.V. Shivashankar, Leiter des Labors für Biologie im Nanobereich am Paul Scherrer Institut (PSI) und Professor für Mechano-Genetik an der ETH Zürich, und Caroline Uhler, Direktorin des Eric and Wendy Schmidt Center am Broad Institute und Professorin für Elektrotechnik und Informatik am MIT. Die Forschenden entwickelten eine Bildanalyse, die mithilfe künstlicher Intelligenz das Krankheitsstadium zuverlässig einschätzen kann. "Unsere Arbeit eröffnet einen eigenständigen Ansatz zur Identifizierung des DCIS-Stadiums anhand von Bildern, die zeigen, wie die DNA in jeder einzelnen Zelle verpackt ist. Die Daten dafür sind leicht und kostengünstig zu erheben", erklärt Shivashankar. 

Im Fachjournal Nature Communications stellen die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse vor

Das DCIS macht etwa 25% aller Brustkrebsdiagnosen aus. Bei Patientinnen sind die Zellen, die die Milchgänge auskleiden, gegenüber gesundem Gewebe verändert, oft lassen sich Mikrokalkablagerungen feststellen. Eine Behandlung kann in einer Bestrahlung, einer Hormontherapie oder einer Operation bestehen. Um eine Prognose für das DCIS zu erstellen und eine geeignete Therapie zu wählen, nutzen Ärzte in der klinischen Praxis das sogenannte Grading. Das heißt, sie klassifizieren den Grad der Veränderungen und teilen ihren Befund in sieben verschiedene Stufen ein. Diese beschreiben beispielsweise die Größe des DCIS, das Aussehen seiner Zellkerne, ob es zu Wachstum (Hyperplasie) gekommen ist, ob die Zellen in benachbartes Gewebe eingewachsen sind (invasiv), sie sich in Lymph- oder Blutzellen ausgebreitet haben (aggressiv) oder dabei sind, Tochtergeschwulste zu bilden (metastasierend).

Billige und einfach zu beschaffende Chromatinbilder in Verbindung mit leistungsstarken KI-Algorithmen [liefern] genügend Informationen, um zu untersuchen, wie sich der Zellzustand und die Gewebeorganisation beim Übergang von DCIS zu IDC verändern, um das Krankheitsstadium genau vorherzusagen

Caroline Uhler

Der Weg von einem DCIS zu einer bedrohlichen Form des IDC ist jedoch keineswegs vorgezeichnet – 50%-70% der Fälle bleiben harmlos. Doch welche? Die Forschenden verfolgen verschiedene Ansätze, um Prognosen verlässlicher zu machen. Dazu gehört etwa aufwendige Bildtechnik, um anhand der Aufnahmen Indikatoren für das Risiko zu ermitteln, das von einer Frühform ausgeht. Ein anderer Ansatz besteht in umfangreichen sogenannten Transkriptomanalysen. Die Sequenzierung soll erfassen, wie viele und welche Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt in den verdächtigen Zellen aktiv sind. Jedoch sind diese Herangehensweisen bisher im klinischen Alltag nicht erprobt und kaum praktikabel, da sie zu aufwendig und zu teuer sind. Für betroffene Frauen bleibt die Unsicherheit bei der Therapieentscheidung, da sie vor einer Behandlung stehen, die möglicherweise nicht nur unnötig sein kann, sondern auch das Risiko von Nebenwirkungen birgt. 

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) kann das Staging mithilfe leicht und kostengünstig zu erhebender Daten verbessern, wie die aktuelle Studie zeigt. Die Forschenden um Shivashankar und Uhler stellten einem lernenden Algorithmus 560 Gewebeproben von 122 Patientinnen zur Verfügung. Diese waren mit dem Farbstoff DAPI versetzt worden, der das sogenannte Chromatin im Zellkern fluoreszierend leuchten lässt. Chromatin besteht unter anderem aus dem Erbmaterial DNA und Proteinen. Das Erscheinungsbild erlaubt Rückschlüsse auf die Organisation und somit die Aktivität der im Zellkern enthaltenen DNA. Nach einer Lernphase identifizierte das KI-Modell Muster in den Gewebeschnitten, die mit den von menschlichen Pathologen ermittelten Unterschieden übereinstimmten. "Unsere Analyse zeigt, dass billige und einfach zu beschaffende Chromatinbilder in Verbindung mit leistungsstarken KI-Algorithmen genügend Informationen liefern, um zu untersuchen, wie sich der Zellzustand und die Gewebeorganisation beim Übergang von DCIS zu IDC verändern, um das Krankheitsstadium genau vorherzusagen", erklärt Uhler. 

Die Forschenden sehen großes Potenzial für eine solche auf KI und Chromatin-Bildgebung basierende Tumoreinstufung. Vor einem Einsatz in der Praxis seien jedoch zahlreiche weitere Studien erforderlich, welche die Zuverlässigkeit und die Sicherheit des Ansatzes belegen müssen, so etwa die Langzeitbeobachtung von DCIS-Patientinnen. 


Quelle: Paul Scherrer Institut; Text: Werner Siefer

26.07.2024

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