News • Ambulanz in Ulm eröffnet
Hilfe für Opfer von Gewaltverbrechen
Laut einer Auswertung des Bundeskriminalamts wurden 2019 mehr als 141.000 Fälle von häuslicher Gewalt polizeilich erfasst. Experten gehen jedoch von einer erheblichen Dunkelziffer aus, denn die Scham und Angst gewaltsame Übergriffe anzuzeigen ist noch immer groß – vor allem, wenn diese innerhalb einer Familie oder Beziehung stattfinden.
Um Betroffenen, die sich nicht direkt an die Polizei wenden möchten, dennoch unbürokratisch und schnell zu helfen, hat das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Ulm (UKU) am 3. Mai mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Soziales und Integration eine Gewaltopferambulanz eröffnet. Dort werden Betroffene kompetent beraten, Verletzungen dokumentiert und Spuren gesichert.
Die Gewaltopferambulanz bietet Opfern körperlicher Gewalt ab sofort werktags von 9:00 – 16:00 Uhr nach telefonischer Anmeldung unbürokratische und kostenlose Hilfe. Melden können sich alle Personen, die körperliche Gewalt erfahren haben und die Spuren dokumentieren lassen möchten. „Erfahrungsgemäß sind das eher Frauen, was jedoch nicht heißt, dass Männer nicht betroffen sind. Bei ihnen ist die Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen, nur deutlich höher“, sagt Prof. Sebastian Kunz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Rechtsmedizin. Um die Ambulanz betreiben zu können, wurden eigene Räumlichkeiten am Standort Michelsberg ausgebaut und renoviert, sodass nun ein Wartebereich und ein speziell ausgestattetes Untersuchungszimmer zur Verfügung stehen. Geleitet wird die Ambulanz von der Rechtsmedizinerin Anna Müller.
„Menschen, denen körperliche oder sexuelle Gewalt angetan wurde, scheuen sich oft, diese bei der Polizei anzuzeigen. Das kann viele Gründe haben, Scham oder Angst vor dem Täter oder der Täterin spielen dabei eine große Rolle. Findet die Gewalt innerhalb einer Partnerschaft statt, ist der Grund aber oft einfach, dass die Betroffenen sich trotz allem nicht trennen möchten“, erklärt Anna Müller. „Unsere Gewaltambulanz bietet Betroffenen eine niederschwellige Zwischenlösung: wir sichern alle Spuren und dokumentieren Verletzungen gerichtsverwertbar. Und das ohne Beteiligung der Polizei.“ Bei Bedarf, etwa im Falle einer späteren Gerichtsverhandlung, können die erhobenen Befunde als Beweismittel für die Tat verwendet werden. Die Entscheidung, ob oder wann ein Übergriff angezeigt wird, liegt jedoch gänzlich bei den Betroffenen. Denn die Rechtsmediziner unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht und können Informationen nicht selbstständig an die Polizei weitergeben. „Als Rechtsmediziner sind wir darauf spezialisiert, Verletzungen durch äußere Gewalteinwirkung zu dokumentieren und zu beurteilen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass sich Betroffene an uns wenden und sich nicht nur in einer Notaufnahme behandeln lassen“, betont Prof. Sebastian Kunz.
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Die Rechtsmediziner arbeiten eng mit anderen Kliniken des UKU – wie der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – zusammen. Dort gibt es mit der Kinderschutzgruppe und dem Angebot der vertraulichen Spurensicherung, ebenfalls Ansprechpartner für Opfer von Gewalt- oder Sexualverbrechen. „Die Gewaltopferambulanz steht aber nicht in Konkurrenz zu diesen Angeboten. Im Gegenteil: wir unterstützen und beraten uns gegenseitig und entscheiden gemeinsam, wer bestimmte Untersuchungen durchführt“, sagt Anna Müller. Um die Opfer nach der Untersuchung auch psychologisch unterstützen zu können, besteht außerdem eine Kooperation mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III.
Das Land unterstützt den Aufbau neuer Gewaltambulanzen in Ulm, Freiburg und Stuttgart bis Ende 2021 mit rund 450.000 Euro. „Gewaltopferambulanzen sind in Deutschland leider noch nicht flächendeckend verfügbar. Daher freuen wir uns sehr, dass wir den Menschen der Stadt und Region nun mit Unterstützung des Sozialministeriums ein niederschwelliges Hilfsangebot machen können“, sagt Prof. Dr. Udo X. Kaisers, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Ulm.
Quelle: Universitätsklinikum Ulm
03.05.2021