News • Von A wie Adenovirus bis Z wie Zoonosen

GfV tagt zu aktuellen Herausforderungen in der Virologie

Neueste Erkenntnisse zur Virologie werden Anfang März in Hamburg umfassend vorgestellt und diskutiert - von der Grundlagenforschung bis hin zur veterinärmedizinischen, translationalen und klinischen Virologie. Die Welt der Virologie steht vor neuen Herausforderungen. Tagungspräsident Prof. Dr. Thomas Dobner, Leiter der Abteilung Virale Transformation am Leibniz-Institut für Virologie (LIV) in Hamburg, gibt im Interview Einblicke hinter die Kulissen der aktuellen Forschung.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie aktuell in der Virologie, die auf dieser Tagung besonders im Fokus stehen sollen?

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Tagungspräsident Prof. Dr. Thomas Dobner, Leiter der Abteilung Virale Transformation am Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg, gibt im Interview Einblicke hinter die Kulissen der aktuellen Forschung.

Foto: Udo Thomas/GARP, Grafik: Conventus

Prof. Dobner: „Bei der Planung der diesjährigen Tagung haben wir uns im wissenschaftlichen Organisationskomitee bemüht, die drängendsten aktuellen Herausforderungen in der Virologie thematisch in den Workshops, den dazugehörigen Posterpräsentationen sowie in Übersichtsvorträgen international renommierter Gastsprecher abzubilden. Neben den Klassikern Antiviral Therapy and Resistance, und Viral Vectors and Vaccines wurden alle Beiträge zu dem wichtigen Thema One Health passgenau auf verschiedene Workshops verteilt vor allem Epidemic Threats und Emerging Virus/Zoonosis. Darüber hinaus werden weitere wichtige Themen in Extra-Seminaren behandelt wie z.B. Gain-of-Function und Dual Use Research of Concern (DURC). Erstmals wurden zudem die Themen Systems Virology und Viral Data Science in das Programm einer GfV-Tagung implementiert. Hier werden international renommierte Virologen Übersichtsvortrage zu KI und Machine Learning in der virologischen Grundlagenforschung halten – zwei Themen die zunehmend an Bedeutung gewinnen.“

Könnten Sie uns Ihre Forschung zu humanen Adenoviren etwas näherbringen und welche Implikationen haben Ihre Ergebnisse für die Entwicklung neuer Therapien?

„Wir befassen uns seit vielen Jahren insbesondere mit grundlegenden Fragestellungen zur Steuerung des produktiven Infektionszyklus und der Adenovirus-vermittelten Zelltransformation. Das übergeordnete Ziel dieser Arbeiten ist es, allgemeingültige und übergeordnete Strategien viraler Replikation und Onkogenese zu identifizieren und auf molekularer Ebene zu verstehen. Weltweit nehmen analoge Forschungskonzepte in diesem Bereich eine zentrale Stellung ein, da sie die Grundlage für neue Ansätze in der Tumortherapie und der Entwicklung antiviraler Wirkstoffe schaffen. Vor diesem Hintergrund und basierend auf den Ergebnissen unserer Grundlagenforschung werden antivirale Zielstrukturen und niedermolekulare Hemmstoffe zur Behandlung von Adenovirus-Infektionen bei immunsupprimierten Personen entwickelt.“

Wie beurteilen Sie die Entwicklung neuer antiviraler Therapien, insbesondere im Hinblick auf resistente Viren?

Die Entwicklung von Strategien zur Vorbeugung von Resistenzen [ist] ein zentrales Anliegen, da diese die Wirksamkeit von Therapien langfristig sichern

Thomas Dobner

„Die Entwicklung neuer antiviraler Therapien spielt eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung viraler Erkrankungen und ist von zentraler Bedeutung für die globale Gesundheit. Innovative Ansätze wie gezielte Wirkstoffe, die spezifisch auf virale Proteine abzielen, Kombinationstherapien zur gleichzeitigen Bekämpfung mehrerer Angriffspunkte des Virus sowie die Nutzung neuartiger Technologien eröffnet dabei völlig neue Möglichkeiten. Diese Technologien erlauben nicht nur die gezielte Deaktivierung viraler Gene, sondern auch eine schnelle Anpassung an neue Erreger oder mutierte Virenstämme. Darüber hinaus ist die Entwicklung von Strategien zur Vorbeugung von Resistenzen ein zentrales Anliegen, da diese die Wirksamkeit von Therapien langfristig sichern. Gleichzeitig bleibt die frühzeitige Überwachung des Krankheitsverlaufs, die kontinuierliche Anpassung bestehender Behandlungsansätze und die globale Vernetzung von Forschungsergebnissen essenziell, um effektive und nachhaltige Lösungen zu schaffen.“

Stichwort Rotaviren: Inwiefern stellt das Rotavirus weiterhin eine Gefahr für Säuglinge und Kleinkinder dar?

Rotaviren unter dem Mikroskop
Humanes Rotavirus (Rotaviren). Transmissions-Elektronenmikroskopie, Negativkontrastierung. Maßstab = 100 nm

© RKI

„Rotaviren sind die häufigste Ursache viraler Darminfektionen bei Kindern. Frühgeborene haben in den ersten beiden Lebensjahren ein erhöhtes Risiko, aufgrund einer Rotavirus-Gastroenteritis im Krankenhaus stationär behandelt werden zu müssen. Auch Säuglinge und Kleinkinder können an einer Rotavirus-Gastroenteritis erkranken, selbst wenn sie gegen Rotaviren geimpft sind. Rotavirus-Impfung bietet vor allem einen Schutz vor schweren Rotavirus-Erkrankungen, die dann in der Regel weniger schwer verlaufen.“

Welche Forschungsfragen müssen in Zukunft noch beantwortet werden, um die Endemisierung von Mpox besser zu verstehen und zu bekämpfen?

„Mpox ist eine Zoonose, also eine Infektionskrankheit, die von infizierten Tieren auf den Menschen übertragen werden kann. Bislang ist jedoch nicht vollständig geklärt, welche tierischen Reservoirs das Pockenvirus langfristig erhalten und auf welche Weise genau die Übertragung zwischen Tieren und Menschen erfolgt. Zudem besteht Forschungsbedarf hinsichtlich der Rolle asymptomatischer oder mild verlaufender Infektionen, da unklar ist, inwieweit diese zur stillen Verbreitung des Virus beitragen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Untersuchung der langfristigen Immunität nach einer Infektion oder Impfung sowie potenzieller Virusmutationen, die sowohl die Übertragbarkeit als auch die Schwere der Erkrankung beeinflussen könnten.“

Besitzt H5N1 das Potenzial, eine Pandemie auszulösen?

Allen vier Influenza-Pandemien gemeinsam ist ihre zoonotische Herkunft: Sie stammen ursprünglich von Vögeln und wurden häufig über einen Zwischenwirt, wie das Schwein, auf den Menschen übertragen

Thomas Dobner

„In den vergangenen 100 Jahren gab es sechs Pandemien: die Spanische Grippe (H1N1) im Jahr 1918, die Asiatische Grippe (H2N2) 1957, die Hongkong-Grippe (H3N2) 1968, die HIV-Pandemie in den 1980er Jahren, die Schweinegrippe (H1N1) 2009 und die Sars-CoV-2-Pandemie 2020. Fünf dieser sechs Pandemien wurden durch respiratorische Viren verursacht, vier davon durch Influenza-A-Viren, während Sars-CoV-2 als Novum erstmals eine Coronavirus-Pandemie auslöste. Dies verdeutlicht, dass von respiratorischen Viren, die über die Atemwege und Aerosole übertragen werden, ein besonders großes pandemisches Risiko ausgeht. 

Allen vier Influenza-Pandemien gemeinsam ist ihre zoonotische Herkunft: Sie stammen ursprünglich von Vögeln und wurden häufig über einen Zwischenwirt, wie das Schwein, auf den Menschen übertragen. Das aktuell zirkulierende H5N1-Virus weist ein erhebliches pandemisches Potenzial auf, da es bereits pandemisch unter Zugvögeln verbreitet ist, die menschliche Bevölkerung weitgehend immunologisch naiv gegenüber H5N1 ist und das Virus bereits erste Artengrenzen überschritten hat, indem es Säugetiere infizierte – darunter zahlreiche Wildtiere sowie erste menschliche Infektionen.“

Wie wichtig ist der One Health-Ansatz bei der Bekämpfung dieser Viren?

„Der One-Health-Ansatz ist essenziell für die Pandemiebekämpfung. Viele sprechen über One Health, doch es gibt kaum Netzwerke, die diesen Ansatz tatsächlich leben. Das am LIV angesiedelte Leibniz Lab Pandemic Preparedness: One Health, One Future bündelt Wissen aus 41 Leibniz-Instituten – darunter Virologie, Bakteriologie, Mykologie, Immunologie, Ökologie, Agrarwissenschaften sowie Gesundheitstechnologien, Kommunikationswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Bildungsforschung – um zukünftig besser auf aufkommende Pandemien vorbereitet zu sein.“

Welche Rolle spielt die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Viruserkrankungen?

„Internationale Zusammenarbeit in der Forschung, insbesondere in der Virologie, ist von zentraler Bedeutung, um globale Herausforderungen effektiv zu bewältigen. Viren kennen keine Grenzen, weshalb eine koordinierte und grenzüberschreitende Zusammenarbeit essenziell ist, um neue Erreger frühzeitig zu erkennen, ihre Verbreitung einzudämmen und effektive Gegenmaßnahmen wie Impfstoffe und Therapien zu entwickeln. Der Austausch von Wissen, Daten und Ressourcen ermöglicht es, wissenschaftliche Fortschritte zu beschleunigen und gleichzeitig die globale Gesundheitssicherheit zu stärken. Gerade in Krisensituationen, wie bei Pandemien, zeigt sich, dass nur ein gemeinsames, internationales Vorgehen dazu in der Lage ist, langfristige Lösungen für Mensch und Umwelt zu finden.“

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Welche Rolle spielen Impfstoffe in der Prävention von Viruserkrankungen und welche Herausforderungen gibt es bei der Entwicklung neuer Impfstoffe?

„Impfstoffe sind ein zentraler Pfeiler der Prävention von Viruserkrankungen. Bei der Entwicklung neuer Impfstoffe stehen jedoch mehrere Herausforderungen im Fokus: Dazu gehören die genetische Variabilität von Viren, wie aktuell wieder bei Influenza-Viren beobachtet, sowie die Notwendigkeit schneller Reaktionen auf neu auftretende Erreger und Virusvarianten. Dies konnte insbesondere mit dem Ausbruch von Sars-CoV-2 beobachtet werden. Zentrale Herausforderungen sind die Sicherstellung von Sicherheit, Wirksamkeit und globalem Zugang der Impfstoffe. Zusätzlich erfordert die Entwicklung neuartiger Impfplattformen, wie mRNA- oder Vektor-Impfstoffe, fortlaufende Forschung und Investitionen.“

Wie gut ist die Welt auf zukünftige Virusausbrüche vorbereitet?

Das Vertrauen in die Wissenschaft und die internationale Zusammenarbeit haben stark gelitten, während Desinformation zunahm

Thomas Dobner

„Leider zeigt sich, dass die Welt nach der Corona-Pandemie schlecht auf zukünftige Gesundheitskrisen vorbereitet ist. Das Vertrauen in die Wissenschaft und die internationale Zusammenarbeit haben stark gelitten, während Desinformation zunahm. Zudem mangelt es an systematischen Vorbereitungen, vor allem bei der Impfstoffentwicklung und -verteilung. Auch das Gesundheitssystem ist nicht optimal auf neue Bedrohungen eingestellt. Es ist daher dringend notwendig, schnell Maßnahmen zu ergreifen, um besser auf zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das am LIV angesiedelte Leibniz Lab Pandemic Preparedness: One Health, One Future (siehe auch die Frage zu One Health).“

Welches sind für Sie wichtige Highlights der Tagung? Worauf freuen Sie sich besonders?

„Die Vorträge der eingeladenen Gastsprecher zu aktuellen Themen der Virologie sowie die Festveranstaltung zur Verleihung der GfV-Forschungspreise gehören neben den Seminaren/Workshops sicherlich zu den Highlights der Veranstaltung. Zudem freut es mich, dass die junge GfV und verschiedene Arbeitskreise sich auch in diesem Jahr wieder proaktiv am Programm der Tagung beteiligen. Last but not least bin ich sehr stolz darauf, dass in diesem Jahr die Freie und Hansestadt Hamburg als einer der international wichtigsten Standorte in der Infektionsforschung, die Gastgeberin für die diesjährige GfV-Tagung ist. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei allen Kollegen des lokalen wissenschaftlichen Organisationkomitees für ihre Mithilfe und ihren Einsatz bei der Planung und Organisation bedanken. Ohne sie wäre dieses spannende und hochaktuelle wissenschaftliche Programm der Tagung nicht zustande gekommen.“ 

Die Fragen stellte Katrin Franz.


Quelle: Conventus Congressmanagement & Marketing

17.02.2025

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