Pneumokokken unter dem Elektronenmikroskop
Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Pneumokokkenstammes. Insgesamt sind bislang über 90 Pneumokokkenserotypen bekannt.

© Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) / Dr. Mathias Müsken (Das Bild entstand im Rahmen einer Kooperation mit der Abteilung von Prof. Dr. Sven Hammerschmidt, Universität Greifswald) 

News • Gefahr durch Grippeviren

Influenza-A-Infektion hinterlässt bleibende Schäden

Grippeviren (Influenza) können im Alveolarepithel, der Zellschicht, die die Lungenbläschen (Alveolen) auskleidet, epigenetische Veränderungen auslösen – also dauerhafte Veränderungen der Genaktivität ohne Veränderung der DNA selbst.

Diese Veränderungen beeinflussen nachhaltig nachfolgende Immunreaktionen und führen dazu, dass der Körper bei einer späteren Infektion mit Pneumokokken nicht mehr angemessen auf die bakteriellen Erreger reagieren kann. 

Ein Forschungsteam um Prof. Dunja Bruder (Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Universitätsmedizin Magdeburg; UMMD und Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung; HZI) hat in der Fachzeitschrift Cell Communication and Signaling neue Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen einer Influenza-A-Infektion in einem Mausmodell veröffentlicht. Die Studie zeigt, dass Veränderungen in der Lunge – speziell in den alveolären Typ-II-Epithelzellen (AECII) – über die Viruselimination hinaus bestehen bleiben. AECII sind zentrale Akteure bei Immunabwehr und Geweberegeneration. Die Forschenden untersuchten, wie eine überstandene Grippe deren Reaktion auf verschiedene Pneumokokken-Serotypen beeinflusst. Die Studie erfolgte in enger Kooperation mit der Universitätsklinik für Pneumologie an der UMMD sowie dem HZI in Braunschweig. 

Vier Personen stehen nebeneinander an eine Backsteinmauer gelehnt
Das Team um Prof. Dunja Bruder (von links): Prof. Dr. Dunja Bruder, Dr. Andreas Jeron, PD Dr. Sabine Stegemann-Koniszewski und Dr. Julia Boehme.

Bildquelle: UMMD; Fotografin: Melitta Schubert

In Folge der Influenzainfektion reagiert das Immunsystem verändert, wodurch schwere Lungenentzündungen durch Pneumokokken begünstigt werden. Diese gehen dann oft einher mit überschießender Entzündung und können die Lunge stark schädigen. 

Im Rahmen der Studie wurden Mäuse zunächst mit dem Influenza-A-Virus infiziert und anschließend mit verschiedenen Serotypen des Bakteriums Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) erneut infiziert. Dabei analysierte das Team sowohl die bakterielle Ausbreitung in der Lunge als auch die entzündlichen Reaktionen und Veränderungen auf Ebene der AECII. 

Unsere Arbeit zeigt, dass die Anfälligkeit für Pneumokokken auch in der Erholungsphase bestehen bleibt – allerdings vor allem gegenüber invasiven Serotypen

Dunja Bruder

Besonders deutlich waren die immunologischen Veränderungen beim Pneumokokken-Serotyp 7F: Dieser löste nach vorangegangener Grippeinfektion eine ausgeprägte Entzündungsantwort mit starker Produktion von Typ-I- und Typ-II-Interferonen aus – Botenstoffen, die das Immunsystem aktivieren. Die AECII zeigten zudem epigenetische Veränderungen, welche die Genaktivität langfristig beeinflussten. Dadurch wurde sichtbar, dass die Lunge auch nach Eliminierung des Virus in einem veränderten „Alarmzustand“ verbleibt. 

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Influenza in der Lunge einen „immunologischen Fußabdruck“ hinterlässt, der die Abwehr gegen spätere bakterielle Infektionen prägt. „Dieses Phänomen, bekannt als ‚trainierte Immunität‘, beschreibt die Fähigkeit von Zellen, sich an frühere Infektionen zu „erinnern“ und darauf basierend ihr Verhalten zu verändern“, erläutern Dr. Julia Boehme und Dr. Andreas Jeron aus der AG Bruder. 

Die Studie trägt dazu bei, besser zu verstehen, warum bestimmte Pneumokokken-Serotypen nach einer Grippe besonders gefährlich sein können. Zwar sind über 90 Serotypen bekannt, doch nur wenige verursachen invasive, lebensbedrohliche Infektionen. Das Team um Prof. Dunja Bruder konnte im präklinischen Mausmodell erstmals zeigen, wie eine überstandene Influenza-Infektion die Reaktion der alveolären Typ-II-Epithelzellen auf verschiedene Pneumokokken-Serotypen beeinflusst. „Im Gegensatz zu bisherigen Studien, die Sekundärinfektionen meist während der akuten Grippephase untersuchten, zeigt unsere Arbeit, dass die Anfälligkeit für Pneumokokken auch in der Erholungsphase bestehen bleibt – allerdings vor allem gegenüber invasiven Serotypen“, fasst Prof. Bruder zusammen. Die neuen Erkenntnisse über epigenetische und immunologische Veränderungen in AECII liefern wertvolle mechanistische Hinweise darauf, wie vorausgegangene Virusinfektionen die antibakterielle Abwehrfähigkeit der Lunge nachhaltig beeinträchtigen können – ein Aspekt, der langfristig für die Entwicklung verbesserter Therapie- und Diagnoseansätze bei bakteriellen Superinfektionen von Bedeutung sein könnte. Unterstützt wurde die Studie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Helmholtz Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF). 


Quelle: Otto–von-Guericke Universität Magdeburg 

02.07.2025

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