News • LOCUS-MENTAL-Projekt

Forscher wollen Risiko für psychische Erkrankungen am Auge ablesen

Das Forschungsprojekt LOCUS-MENTAL soll klären, ob ein Teil des Risikos für psychische Erkrankungen vorhergesagt werden kann, indem Reaktionen der Pupille bei Kleinkindern gemessen werden.

Portraitfoto von Dr. Nico Bast
Dr. Nico Bast

Bildquelle: Universitätsmedizin Frankfurt

Klein- und Schulkinder mit einem erhöhten Risiko könnten dann gezielt gefördert werden, um eine Ersterkrankung zu verhindern. Das Forschungsvorhaben von Dr. Nico Bast, Psychotherapeut und Leiter der Klinischen Forschung an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universitätsmedizin Frankfurt, wird jetzt im Rahmen des Emmy Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit zwei Millionen Euro gefördert. 

In Deutschland ist jährlich fast ein Drittel der Erwachsenen von einer psychischen Erkrankung betroffen. Oft zeigen sich Symptome bereits in der Kindheit. Wenn diese nicht erkannt oder sogar manifeste Erkrankungen übersehen werden, kann dies häufig schwerwiegende Folgen haben. Wer zum Beispiel als Kind an einer Angststörung leidet, hat als Erwachsener ein erhöhtes Risiko für eine schwere oder chronische Depression. „Genau hier setzt das Projekt LOCUS-MENTAL an: Die zentrale Frage ist, ob wir bestimmte biologische Risiken hinsichtlich der individuellen Entwicklung einer psychischen Erkrankung vorhersagen können. Dann könnten wir Kinder mit einem erhöhten Risiko gezielt sehr frühzeitig fördern“, erklärt Bast.

Portraitfoto von Prof. Christine Freitag
Prof. Dr. Christine M. Freitag

Bildquelle: Universitätsmedizin Frankfurt

Das Forschungsvorhaben wird im Rahmen des Emmy Noether-Programms der DFG mit einer Millionen Euro gefördert und stellt eine weitere Million Euro nach positiver Zwischenevaluation des Projektes in Aussicht. „Das ist eine der begehrtesten Forschungsförderungen in Deutschland – herzlichen Glückwunsch an Dr. Nico Bast. Die Förderung verdeutlicht, dass er mit LOCUS-MENTAL einen innovativen und vielversprechenden Forschungsansatz verfolgt“, sagt Professorin Dr. Christine M. Freitag, Direktorin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universitätsmedizin Frankfurt. 

LOCUS-MENTAL steht für „Locus-Coeruleus Norepinephrine functioning as a predictor of childhood mental health”. Konkret basiert das Forschungsprojekt auf der Eigenschaft von Menschen, unterschiedlich anfällig für Stress zu sein. Während manche Kinder unter widrigen Umständen eher aufblühen, sind andere Kinder bereits mit alltäglichen Anforderungen überfordert. „Dabei spielt wahrscheinlich das Locus Coeruleus – Norepinephrine System (LC-NE) eine moderierende Rolle“, erklärt Dr. Bast. Der LC-NE umschreibt einen winzigen Bereich im Hirnstamm, der für die Produktion des Botenstoffs Noradrenalins zuständig ist und mit seinen Verbindungen im Gehirn bestimmt, wie stark wir auf sensorische Reize reagieren. „Untersuchungen haben gezeigt, dass die Aktivität des LC-NE vorhersagt, ob Menschen auf herausfordernde Situationen eher mit psychischen Leid reagieren. Unsere Forschung hat gezeigt, wie wir dieses LC-NE System über die Reaktionen der Pupille mittels Kameras bei Kindern messen und charakterisieren können“, sagt Dr. Bast. Zusätzlich werden weitere biologische Parameter wie Kortisol in Speichel- und Haarproben bestimmt und das Temperament der Kinder mittels Fragebögen erfasst. Das Ziel ist, ein objektives Instrument zur Vorhersage des individuellen Erkrankungsrisikos zu schaffen.

Aufgrund der Kombination von Frühdiagnostik und Frühintervention haben wir [..] eine echte Chance, Kinder mit einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen frühzeitig zu identifizieren und zu fördern

Christine M. Freitag

Die Tests im Rahmen der Studie lassen sich gut in klinische Untersuchungen integrieren. Sie bedeuten kaum zusätzliche Belastung für die Kinder und machen Spaß, da sie am Computer durchgeführt werden. „Mit LOCUS-MENTAL bauen wir dafür in unserer Psychiatrischen Institutsambulanz eine Sprechstunde zur Früherkennung aus“, sagt Professorin Dr. Freitag. „Das weitere Ziel ist, ein Frühförderzentrum für Kleinkinder mit erhöhtem Risiko oder einer manifesten psychischen Störung (PTFZ) zu etablieren. Dies ist grundsätzlich von der Stadt Frankfurt als relevant und förderungswürdig anerkannt worden; die finanziellen Verhandlungen müssen noch abgeschlossen werden. Aufgrund der Kombination von Frühdiagnostik und Frühintervention haben wir mit beiden Einrichtungen und zusammen mit dem innovativen Forschungsprojekt LOCUS-MENTAL eine echte Chance, Kinder mit einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen frühzeitig zu identifizieren und zu fördern. So wollen wir zukünftig chronische psychische Erkrankungen sekundär präventiv deutlich reduzieren.“ 


Quelle: Universitätsmedizin Frankfurt

14.09.2024

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