Face off Session: Wettlauf gegen die Zeit
Vier Firmen gingen bei der Face-off-Session im Kampf um das beste Post-Processing Management ins Rennen. Die Anforderungen waren in diesem Jahr extrem hoch. Die Moderatoren Prof. Hans-Christoph Becker und PD Dr. Anno Graser bezeichneten die Aufgabenstellung dementsprechend als „Alptraum eines jeden IT-Technikers“.
Über 10.000 DICOM-Bilder mit einer Gesamtdatenmenge von über 5,1 Gigabyte galt es in kürzester Zeit zu bearbeiten! Noch vor fünf Jahren hätte kein PACS dies hinbekommen. Aber auch heute noch stellen solche Mengen an Bilddatensätzen für die Nachbearbeitungsprogramme eine echte Herausforderung dar. Aufs Podium getraut haben sich bei der Session GE Healthcare, Aycan, Vital Images und Siemens Healthcare.
Der klinische Alltag als Messlatte
„Wir haben die Face of Session nicht allein aus sportlichen Gründen so schwierig gemacht“, erklärte Anno Graser in seinen einleitenden Worten. „Die Anforderungen sind aus dem klinischen Routinebetrieb entstanden, denn häufig kommt es vor, dass ein überweisender Kollege oder Krebspatient zu uns sagt: ‚Zeigen Sie mir doch mal die Bilder meiner Tumorerkrankung im Verlauf!‘ Dann ist es klinisch natürlich äußerst relevant, dass die Workstation dazu auch in der Lage ist. Es ist auch relevant, einem zuweisenden Gefäßchirurgen die Situation, z.B. bei Cross-over-Bypass, in 3-D zeigen zu können oder eine dynamische Darstellung der Gefäßrotation durchzuführen und vernünftig demonstrieren zu können.“
Pulsfrequenz und Adrenalinspiegel waren unter diesen Umständen bei den Teilnehmern erhöht, auch wenn sie es sich tapfer nicht anmerken ließen. Die beiden Fälle, die es zu präsentieren galt, waren bereits Wochen vorher vom Moderationsteam vorgegeben worden und für jeden der Kandidaten identisch, so dass eine direkte Vergleichbarkeit der Lösungsansätze möglich war. Das Publikum konnte jeden Arbeitsschritt des Post Processing an den Bildschirmen auf zwei großen Leinwänden verfolgen.
Runde 1: Der angiographische Fall
Beim ersten Fall handelte es sich um einen 43-jährigen Mann, bei dem 2004 die Erstdiagnose eines Bauchaorten-Aneurysma gestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Aneurysma einen Durchmesser von 4,8 cm und die Beckenstrombahn links war verschlossen. Im April 2007 wurden beim Patienten ein Stent in die Aorta abdominales und ein Cross-over-Bypass gelegt. Den Firmen lagen vier verschiedene Datensätze zu diesem Fall vor: Aus den Monaten September 2007 und April 2009, in denen ein Endoleak zu sehen war. Hier galt es, die undichte Stelle darzustellen und eine Volumetrie des Aneurysmasacks zu beiden Zeitpunkten durchzuführen. Ein weiterer Datensatz aus dem Juni 2009 beinhaltete eine dynamische Multiphasen-CT-Serie, im Shuttle-Modus aufgenommen, in der sich der Kontrastmittelbolus verfolgen lässt. In dieser Aufnahme, die aus 5.404 Einzelbildern bestand, ging es noch einmal darum, die Flussdynamik zu erkennen, um das Endoleak zu klassifizieren. Weiterhin wünschten sich die Moderatoren eine Darstellung der CTA in 3-D. Der letzte Datensatz stammte aus dem November 2011 und zeigt die Situation mit dem Cross-over-Bypass und dem ausgeschalteten Endoleak. Jede Firma hatte 5 Minuten Zeit, um die Anforderungen in der gewünschten Weise zu präsentieren.
Runde 1: Die Ergebnisse
Den Anfang machte Thavaganeshan Vasuthevan, Advanced Application Specialist bei GE Healthcare, der kurzfristig für einen anderen Kollegen eingesprungen war. Um das Aneurysma zu quantifizieren, benötigte er 3:48 Minuten. Das Laden der nicht vorbereiteten Serie lief sekundenschnell ab, das manuelle Zeichnen der Konturen um den Stent nahm die meiste Zeit in Anspruch. Auch das Laden der 5.404 Einzelbilder der dynamischen CTA leistete die GE-Software blitzschnell. Die Darstellung des Endoleaks und der verschiedenen Phasen sowie die zusätzliche Volumendarstellung lief reibungslos und zufriedenstellend ab. Leider dauerte der Vorgang insgesamt 1:34 Minute, so dass keine Zeit mehr für die Bearbeitung des letzten Datensatzes aus dem November 2011 blieb. Dank der Großzügigkeit des Moderatorenteams durfte Thavaganeshan Vasuthevan die Bearbeitung dieser letzten Aufgabe jedoch noch innerhalb einer Bonus-Minute zu Ende führen.
Als nächstes löste Applikationsspezialist Alexander Riemer für Vital Images, ein Subunternehmen von Toshiba, den angiographischen Fall in Rekordzeit. „Das System führt eine automatische Knochensegmentierung durch“, kommentierte Riemer beim Hochladen der ersten beiden Serien. „Das heißt, Sie sehen sofort das freigestellte Gefäß.“ Die Darstellung des Endoleaks und die Ermittlung der Volumetrie dauerte bei Vital Images 2:02 Minuten. Für die dynamische Studie benötigte das System lediglich 1:10 Minute. So blieb auch noch genug Zeit für die Verlaufskontrolle im letzten Datensatz, die ebenfalls in 1:10 Minute abgeschlossen war.
Für Aycan trat Geschäftsführer Dipl.-Ing. Stephan Popp an. Seine Apple-basierte Software brauchte für die erste Aufgabenstellung am längsten: 2:06 Minuten. Die Markierung des Aneurysmasacks zur Volumenberechnung über viele einzelne Punktverbindungen war zwar präzise, kostete aber hier wertvolle Sekunden. Die Zeit holte Popp jedoch wieder raus bei der dynamischen CT-Serie. Mit 37 Sekunden zur Lösung dieser Aufgabe, war er mit Abstand der schnellste. Um den Verlauf des Bypass darzustellen, wählte Popp zwei verschiedene Methoden: Die curved MPR inklusive Gefäßanalyse und 3-D-Darstellung im Volumerendering. Diese Aufgabe löste er in 2:00 Minuten.
Siemens Healthcare schickte Privatdozent Dr. Marco Das, Oberarzt und Leiter der Abteilung Computertomographie am Universitätsklinikum Maastricht, ins Rennen. „Der Vorteil dieser Workstation ist die Tatsache, dass man Workflows vordefinieren kann“, erläuterte der einzige Radiologe im Wettkampf. „Bevor ich also anfange, mit dem Datensatz zu arbeiten, kann ich bestimmte Workflows auswählen und für meine Bearbeitung benutzen.“ Die erste Fragestellung, die Das auf diese Weise innerhalb von 1:10 Minute beantworten konnte, war die Darstellung des post-OP Bypass im Gesamtverlauf. Als nächstes widmete er sich dem Krankheitsverlauf im Zeitraum zwischen 2007 und 2009. Die Volumenangabe war in 1:17 Minute ermittelt, die Beurteilung des Endoleaks in 0:55 Minute abgeschlossen. Die dynamische 3-D-Darstellung benötigte 1:05 Minuten. So blieb Das? noch Zeit, zusätzliche Möglichkeiten der Quantifizierung vorzustellen, z.B. Dichteanstieg im Gefäß im Vergleich zum Aneurysmasacks.
Runde 2: Der onkologische Fall
In der zweiten Runde wurde der Schwierigkeitsgrad noch einmal signifikant erhöht. Beschrieben wurde der Fall eines 59-jährigen Patienten mit diffus großzelligen B-Non-Hodgkin-Lymphom. Eine Entität, bei der die FDG-Aufnahme in der PET nahezu hundertprozentig nachweisbar ist. Die Diagnose wurde im März 2009 gestellt. Der Patient wurde an vier verschiedenen Zeitpunkten dreimal mittels PET-CT und einmal mit CT untersucht. Die ersten Datensätze stammten aus den Monaten April und August 2009 und zeigten ein gutes Ansprechen auf die Chemotherapie. Die beiden anderen Datensätze entstanden im Juni und November 2011. In dieser Zeit wurde ein Rezidiv festgestellt, das dann wiederum gut auf die Chemotherapie ansprach.
Folgende Aufgaben wurden den Teilnehmern zu diesem onkologischen Fall gestellt: Zunächst sollten die beiden Baseline-Untersuchungen aus dem April und August 2009, die im PET-CT angefertigt wurden, miteinander verglichen werden. Die Bilddaten sollten nach den CHESON-Kriterien für Patienten mit Lymphomen ausgewertet werden. Neben dem Größenparameter wird nach diesen internationalen Standards zur Therapiekontrolle auch die FDG-Aufnahme im PET-CT beurteilt. Die zweite Aufgabe bezog sich auf den Verdacht des Rezidivs. Die CT aus dem Juni 2011 sollte gezeigt und eine Volumetrie des Rezidivs durchgeführt werden. Das Rezidiv galt es dann in dem PET-CT-Datensatz aus dem November 2011 noch einmal zu volumetrieren und ein Ansprechen auf die erneute Chemotherapie zu dokumentieren. Zum Schluss kam noch eine klinische Aufgabe hinzu: Eine Demonstration der vier Zeitpunkte des Krankheitsverlauf auf einen Blick.
Die besonderen Herausforderungen für die Teilnehmer lag also darin, zum einen die Morphologie aus der CT und die Stoffwechselbildgebung aus dem PET zusammenzuführen, und zum anderen mehr als zwei Zeitpunkte gleichzeitig auf dem Bildschirm der Workstation darzustellen. Keine leichte Aufgabe, weshalb die Präsentationszeit "großzügig" auf sechs Minuten erweitert wurde.
Runde 2: Die Ergebnisse
Diesmal startete Alexander Riemer im Namen von Vital Images. Für einen Side-by-Side-Vergleich der beiden PET-Studien aus April/August 2009 benötigte er insgesamt 2:08 Minuten. Die Volumetrie-Bestimmung bei den Untersuchungen aus Juni/November 2011 dauerte 2:12 Minute. Beim Einladen aller vier Time Points verließ Riemer jedoch das Glück: Das System hängte sich auf. Riemer nahm es mit Humor und konnte eine Extra-Minute für seine Präsentation (und damit auch für einige folgende Teilnehmer) herausschlagen. So konnte er zumindest noch die drei PET-CT-Zeitpunkte im Gesamtüberblick nebeneinander darstellen.
Danach übernahm Stephan Popp von Aycan. Für die Auswertung nach den CHESON-Kriterien bietet die Firma ein dediziertes Feature an, das die automatische Ausmessung der Läsionen ermöglicht. Popp konnte die Messwerte nach 2:05 Minuten ermitteln. Für die Volumetrie-Bestimmung in der CT-Aufnahme benötigte er 1:39 Minute. „Um die CT-Daten aus dem Juni mit den PET-CT-Informationen aus dem November zu vergleichen, muss ich erst einmal die SUV-Werte umrechnen“, erklärte der Aycan-Chef. „Das ist wieder eine Herausforderung, weil jeder Hersteller die Messwerte anders kodiert und die Umrechnungsformel durchaus unterschiedlich ist. Wir haben ein System entwickelt, das herstellerunabhängig ist und können diese Formel so an jeden Bildgeber anpassen.“ Nach 0:50 Minuten stand das Ergebnis für die Rezidiv-Messung aus dem November 2011 fest. Bei der Verlaufskontrolle werden die CTs über die Zeit synchronisiert. Durch ein automatisches Matching kann man sich frei durch jedes Volumen bewegen, die Informationen werden nachgeführt. Der Vorgang dauerte 1:27 Minute.
Es folgte die Präsentation von Dr. Das für Siemens Healthcare. Wie bereits im angiographischen Fall findet bei der Software zunächst eine Zuweisung des Workflows statt. Der Fall wird einem onkologischen Workflow zugeordnet, bei dem naturgemäß eine Verlaufskontrolle durchgeführt wird. An der multimodalen Workstation lassen sich die unterschiedlichen Bilddaten nebeneinander anschauen. Die Ermittlung der Volumetriedaten, Größenveränderungen etc. zweier Läsionen aus den Untersuchungen von April/August 2009 waren in 2:06 Minuten abgeschlossen. Derselbe Prozess für die Rezidiv-Beurteilung vom Juni/November 2011 dauerte insgesamt 2:03 Minuten. Die Darstellung im kompletten Verlauf präsentierte Dr. Das innerhalb von 2:52 Minuten. Bis zu acht verschiedene Zeitpunkte können dabei mit der Workstation gleichzeitig parallel angezeigt werden.
Last but not least, war Thavaganeshan Vasuthevan von GE Healthcare noch einmal an der Reihe. Als einzige Firma hatte GE die SUV-Werte für alle drei Läsionen in der ersten Aufgabenstellung vorbereitet und eine andere dominante Läsion als die drei Konkurrenten ausgewählt. Die Ermittlung der SUV-Werte der Läsionen dauerte dementsprechend etwas länger und lag bei etwa 3:32 Minuten. Diesen Verzug konnte der Applikationsspezialist leider nicht mehr aufholen. Die Vergleichsstudie des Rezidivs von Juni/November 2011 beanspruchte den Rest der zur Verfügung stehenden Zeit.
Bemerkenswert an diesem Beispiel war, dass zwar alle Workstations zeigen konnten, dass der SUV signifikant abnimmt, die Messergebnisse jedoch stark variierten. So reichten die gemessenen Werte von 5,6 (Vital Images) bis 8,5 (Siemens Healthcare). „Das zeigt sehr eindrucksvoll, dass die von den Herstellern verwendeten Messalgorithmen sich gewaltig unterscheiden“, kommentierte Dr. Graser. „Es ist daher von großer Wichtigkeit für die Therapieentscheidung, dass man solche Werte auch hinterfragt.“
Fazit: Der feine Unterschied macht’s
Klare Sieger oder Verlierer gab es bei der diesjährigen Face off Session, die zum 4. Mal im Rahmen des CT Symposium Garmisch stattfand, nicht. Letztendlich hinterließen alle Teilnehmer aber einen positiven Gesamteindruck. Was jedoch klar wurde, ist, dass jedes Unternehmen auf unterschiedliche Akzente im Post Processing setzt. So punkteten die Kandidaten auf ganz verschiedene Weise. Die Wahl des richtigen Produkts erscheint in diesem Licht eher als eine persönliche Glaubens- oder Geschmacksfrage. Gerade deshalb bietet ein Format wie die Face of Session eine einzigartige Gelegenheit, um sich mit der Vielfalt der Herstellerangebote vertraut zu machen.
19.01.2012