closeup of asian tiger mosquito
Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus): Der Klimawandel begünstigt die Verbreitung von Stechmücken – und damit neuer Infektionskrankheiten

Bildquelle: Adobe Stock/gordzam

News • Klimawandel, Resistenzen, alternde Gesellschaft

Experten skizzieren die Zukunft der Infektiologie

Klimawandel, Globalisierung, Natur- und Lebensraumzerstörung, die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen, aber auch ein wachsender Anteil älterer komplex-kranker und immungeschwächter Menschen: Infektionskrankheiten werden in den kommenden Jahrzehnten deutlich zunehmen.

Allein durch den Faktor Klimawandel könnte mehr als die Hälfte aller den Menschen betreffenden Infektionskrankheiten zunehmende Fallzahlen verzeichnen. Experten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) machen anlässlich des 16. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin KIT konkrete Vorschläge, um im Rahmen der anstehenden Krankenhausreform die Versorgung in der Infektiologie zu sichern und bestehenden und neuen Herausforderungen in der Infektionsmedizin zu begegnen. 

Vor wenigen Tagen hat das Robert Koch-Institut den ersten Teil des Sachstandsberichts Klimawandel und Gesundheit veröffentlicht. Schwerpunkt der ersten Ausgabe ist der Einfluss des Klimawandels auf Infektionskrankheiten. Zu den klimawandelbedingten Risiken, so das RKI, zählen Vektor-assoziierte Infektionen durch die Ausbreitung etwa von Stechmücken und Zecken, wasserbezogene Infektionen, beispielsweise durch die Zunahme von Vibrionen, lebensmittelbedingte Infektionen und Durchfallerkrankungen, sowie die weitere Zunahme antimikrobieller Resistenzen aufgrund steigender Temperaturen.

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„Auswertungen amerikanischer Forschender kommen zu dem Schluss, dass durch den Klimawandel mehr als die Hälfte aller den Menschen betreffenden Infektionskrankheiten zunehmende Fallzahlen verzeichnen könnten“, sagt Prof. Dr. Christoph Lübbert, Kongresspräsident KIT 2023, Leiter des Bereichs Infektiologie und Tropenmedizin am Universitätsklinikum Leipzig und Chefarzt der Klinik für Infektiologie und Tropenmedizin am Klinikum St. Georg Leipzig. 

Doch auch unabhängig von Klimawandel und Globalisierung nehmen Infektionserkrankungen zu: Ältere Menschen mit geschwächten Immunsystemen machen einen größeren Teil der Patienten aus. Behandlungen in der Onkologie oder Chirurgie werden komplexer und gehen mit einem erhöhten Risiko für infektiologische Komplikationen einher. Schon heute sind Infektionskrankheiten in deutschen Krankenhäusern deshalb häufige Diagnosen: Bei rund 20% aller Behandlungsfälle in Kliniken stellen Infektionen die Haupt- oder Nebendiagnose dar.

Weil gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte mit spezieller infektiologischer Expertise dringend benötigt werden, hat der Deutsche Ärztetag 2021 beschlossen, einen eigenständigen Facharzt für „Innere Medizin und Infektiologie“ einzuführen. Zuvor bestand die Spezialisierung in der Infektionsmedizin lediglich aus einer 1-jährigen Zusatzbezeichnung.

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„Der Schritt war überfällig, zumal Studien seit Langem den großen Nutzen belegen: Patienten mit schweren Infektionen haben einen deutlich günstigeren Krankheitsverlauf und versterben seltener, wenn Infektiologen in die Behandlung eingebunden sind“, sagt Prof. Dr. Susanne Herold, Kongresspräsidentin KIT 2023, stellvertretende Vorsitzende der DGI und Direktorin der Medizinischen Klinik V, Klinik für Infektiologie und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Giessen. „Dennoch gibt es aktuell sogar in vielen großen Kliniken keine Abteilungen mit infektiologischem Schwerpunkt.“ 

Nicht zuletzt müssen wir auch die Zusammenhänge der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt (One-Health-Ansatz) mehr berücksichtigen und erforschen, schon um die Gefahr neuer Pandemien [...] zu minimieren

Christoph Lübbert

Die Reformvorschläge zur Krankenhausreform begrüßt die DGI ausdrücklich. Steigende Kosten, massiver Personalmangel und der demografische Wandel machten grundlegende Reformen jetzt dringend notwendig. „Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass die Infektionsmedizin für die aktuellen und kommenden Herausforderungen gut aufgestellt ist“, so Lübbert. 

Zu den wichtigsten Vorschlägen der DGI im Zusammenhang mit der Reform zählen: 

  • In Kliniken jeden Levels sollten zukünftig Antibiotic Stewardship-Teams fest eingeplant sein, um das wichtige Thema der rationalen Antibiotikaverordnung in der Breite zu verankern. 
  • In Kliniken des Levels 3 sollten bettenführende infektiologische Abteilungen vorgehalten werden. „In Level-3-Krankenhäusern sind als Mindestvoraussetzung auf ärztlicher Seite drei Fachärzte für Innere Medizin und Infektiologie in Vollzeit anzusehen. Da die neue
    Facharztbezeichnung erst sukzessive umgesetzt wird, ist eine Übergangszeit notwendig, in der Fachärzte für Innere Medizin mit 1-jähriger Zusatzweiterbildung Infektiologie die vorhandene Lücke schließen können“, erläutert Herold. Zudem gebe es bisher keine
    spezifische Pflegeweiterbildung für die Betreuung von Patienten mit Infektionskrankheiten. Diese Expertise müsse in den kommenden Jahren definiert und entwickelt werden.
  • Damit eine hohe Qualität der medizinischen Versorgung insbesondere an den großen Kliniken des Levels 3 sichergestellt ist, plädiert die DGI zudem für die Etablierung einer eigene Leistungsgruppe „Komplexe Infektiologie“. Diese Leistungsgruppe sollte besonders komplizierte und schwere Infektionen sowie Infektionen bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren, für die besondere personelle und strukturelle Voraussetzungen vorhanden sein müssen, abdecken. 

„Um den großen Herausforderungen in der Infektionsmedizin zu begegnen, müssen wir aber auch viele weitere Aspekte mehr in den Fokus nehmen, etwa die Akzeptanz für wichtige Präventionsmaßnahmen wie Impfungen zu stärken. Zudem müssen wir Entwicklungs- und Schwellenländer, in denen Infektionen und Antibiotikaresistenzen eine sehr hohe Sterblichkeit verursachen, besser unterstützen“, sagt Lübbert. „Und nicht zuletzt müssen wir auch die Zusammenhänge der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt (One-Health-Ansatz) mehr berücksichtigen und erforschen, schon um die Gefahr neuer Pandemien, die auf einen „Spillover“ von Krankheitserregern aus dem Tierreich auf den Menschen zurückgehen, zu minimieren.“ 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Infektiologie

14.06.2023

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