Erster Gastroenterologe musste 1936 aus Deutschland fliehen
DGVS erinnert an ihren Mitbegründer Ismar Boas
Mit seiner Spezialpraxis für Magen-Darmkrankheiten in Berlin begründete Professor Dr. med. Ismar Boas 1886 das Fachgebiet der Gastroenterologie. Er entwickelte einen Test zur Früherkennung von Darmkrebs, engagierte sich für eine wissenschaftlich fundierte Medizin und bildete Ärzte aus aller Welt aus.
Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) erinnert zu ihrem hundertjährigen Jubiläum an ihren Gründer Ismar Boas (1858–1938): Im Rahmen einer Feierstunde am 15. Mai 2013 hängt die DGVS in der Charité Campus Mitte eine Gedenktafel wieder auf.
„Mit dieser Aktion gedenken wir einem der Gründer der internationalen Gastroenterologie“, sagt DGVS-Präsident Professor Dr. med. Markus Lerch, Direktor der Klinik für Innere Medizin A am Universitätsklinikum Greifswald. „Unser Ziel ist es außerdem, die Geschichte des Schicksals dieses Mannes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.“
Obwohl Ismar Boas schon früh internationalen Rang erlangte, blieb ihm im Alter die Anerkennung für sein Lebenswerk verwehrt: Aufgrund seiner jüdischen Herkunft musste Ismar Boas Deutschland im Jahr 1936 verlassen. Er emigrierte nach Wien und nahm sich dort – nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht – im März 1938 das Leben.
Als Außenseiter und Autodidakt, der nie eine Klinikausbildung absolviert hatte, begründete Boas 1886 innerhalb der Inneren Medizin das neue Fachgebiet der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten: Als erster „Specialarzt für Magen-Darm-Krankheiten“ eröffnete er in der Berliner Friedrichstraße eine Praxis und eine Poliklinik mit eigenem Labor. „Das war damals sehr mutig“, erklärt Dr. med. Harro Jenss, Gastroenterologe und Bauchautor aus Worpswede. „Die medizinischen Autoritäten jener Zeit betrachteten die Spezialisierung als Angriff auf die Einheit der Inneren Medizin. Selbst Professor Carl Anton Ewald, seinerseits ein früher Vertreter der Magen-Darm-Heilkunde, lehnte den Weg seines Schülers Boas zunächst vehement ab.“ 38 Jahre sollte es dauern, bis der Deutsche Ärztetag 1924 in Bremen die Einführung eines „Facharztes für Magen-Darm-Krankheiten“ beschloss.
Für die Gastroenterologie waren Boas‘ Engagement und seine wissenschaftlichen Beiträge wegweisend: „Seine Arbeiten zur Einführung eines Tests auf verborgenes Blut im Stuhl, einer Methode zur Früherkennung von Darmkrebs, sind bis heute praxisrelevant“, erklärt DGVS-Experte Jenss. Zudem formulierte Boas Grundsätze der evidenzbasierten Medizin und war 1896 Herausgeber der Fachzeitschrift „Archiv für Verdauungskrankheiten“. Bei der Gründung der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) im Jahr 1913 gehörte Boas zu den Initiatoren.
Leben und Wirken von Ismar Boas gerieten nach 1945 lange Zeit in Vergessenheit. Die DGVS erinnert deshalb immer wieder aktiv an ihn: Seit 1977 vergibt die Fachgesellschaft jährlich den „Ismar Boas-Preis“ für die beste eingereichte klinische und für die beste eingereichte experimentelle Dissertation des Fachgebiets. 1992 wurde Boas auf Initiative der DGVS mit einer Gedenktafel in der Berliner Charité, Campus Mitte, geehrt: „Zur Erinnerung an Geheimrat Professor Dr. med. Ismar Boas – Den großen Forscher und Lehrer der Gastroenterologie“. Sie wurde im Jahre 2000 wegen Umbauarbeiten entfernt. In einem feierlichen Akt soll die Tafel nun wieder aufgehängt werden. 100 Jahre nach ihrer Gründung gedenkt die DGVS damit erneut ihres Mitbegründers Ismar Boas. „Damit die Erinnerung an einen der ersten Gastroenterologen, seine Erfolge und sein Schicksal lebendig bleibt“, betont Lerch.
Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 5000 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten.
Ismar Boas. Erster Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten. Begründer der Gastroenterologie
Jenss, Harro. Jüdische Miniaturen, Band 96. Berlin 2010. Hentrich & Hentrich Verlag.
Der Arzt von Wien. Ein Monodrama.
in Werfel, Franz: Erzählungen aus zwei Welten. Dritter Band.
Frankfurt, Fischer Verlag, 1954
Terminhinweis:
Termin: Mittwoch, den 15. Mai 2013
Uhrzeit: 13.00 bis 14.00 Uhr
Ort: Charité, Charitéplatz 1/Schumannstraße 20/21 – campusintern: Virchowweg 10, 10117 Berlin – dort an der Außenfassade der Klinik für Innere Medizin.
Initiatoren:
Prof. Dr. med. Britta Siegmund, DGVS, Leiterin (kommissarisch) der Medizinischen Klinik 1 für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité–Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. med. Bertram Wiedenmann, DGVS, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie, Charité–Universitätsmedizin Berlin
Dr. med. Harro Jenss, DGVS, Worpswede, ehem. Chefarzt der Abteilung Innere Medizin, Krankenhaus Waldshut
Priv.-Doz. Dr. phil. Thomas Beddies, Institut für Geschichte der Medizin, Charité–Universitätsmedizin Berlin
14.05.2013