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News • Coronavirus-Forschung
COVID-19: Vitamin D als Indikator für Sterblichkeitsrisiko?
Vitamin D ist bei vielen Menschen auf der Welt Mangelware – und das kann im Falle einer COVID-19-Erkrankung als Indikator für ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf gelten.
Das hat Prof. Dr. Hans-Konrad Biesalski, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim, in einer zusammenfassenden Veröffentlichung beschrieben. „Bisher galten vor allem Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen und starkes Übergewicht als Risikofaktoren“, erklärt Prof. Dr. Biesalski. „Doch gerade diese Erkrankungen sind oft mit einem Vitamin-D-Mangel verbunden. Das hat Konsequenzen für den Verlauf der COVID-19-Erkrankung.“ Und das gelte auch für Menschen über 65 Jahre oder Personen, die selten im Freien sind. „Die wichtigste Vitamin-D-Quelle ist die Bildung in der Haut durch das Sonnenlicht“, so der Experte, „und im Alter funktioniert das nur noch eingeschränkt.“
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Vitamin-D-Testing: LC/MS läuft Immunoassays den Rang ab
Vitamin-D-Unterversorgung ist in den letzten Jahren in den Fokus der Kliniker getreten: Studien zeigen, dass frühere Referenzwerte – insbesondere bei Vitamin D3 – wahrscheinlich zu hoch angesetzt waren. Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie (LC/MS) kann dazu beitragen, mehr Präzision in die Messung von Vitamin-D-Werten zu bringen als die bisher etablierten Immunoassay-Verfahren.
Vitamin D reguliert unter anderem im Körper das Immunsystem und das sogenannte Renin-Angiotensin-System (RAS), das vor allem für die Regulierung des Blutdrucks wichtig ist. Im Falle einer Infektion sorgt Vitamin D dafür, dass diese beiden Systeme nicht aus dem Ruder laufen. „Da das Coronavirus eine wichtige Schaltstelle dieser Regelkreise befällt, halten sich pro-entzündliche und anti-entzündliche Prozesse nicht mehr die Waage“, erläutert Prof. Dr. Biesalski. „Das System gerät durcheinander. Und zwar besonders dann, wenn gleichzeitig ein Vitamin-D-Mangel besteht.“ Die Balance zwischen pro- und anti-entzündlichen Prozessen verschiebt sich zugunsten der pro-entzündlichen, die dann richtig Fahrt aufnehmen. „Die Folge sind gravierende Veränderungen in den Lungenbläschen, die zu einer schweren Komplikation der COVID-19-Erkrankung führen, dem sogenannten Akuten Atemnotsyndrom.“
In Zeiten des Homeoffice halten sich viele Leute längere Zeit in geschlossenen Räumen auf, was auch zu einer schlechten Vitamin-D-Versorgung beiträgt
Hans-Konrad Biesalski
Bei Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus solle daher unbedingt der Vitamin-D-Status geprüft und ein mögliches Defizit zügig behoben werden, empfiehlt der Mediziner. „Besonders für Menschen mit einer der Grunderkrankungen oder für ältere Menschen ist dies empfehlenswert. Bei Menschen in Seniorenheimen ist der Vitamin-D-Spiegel oft verheerend niedrig. In Zeiten des Homeoffice halten sich viele Leute längere Zeit in geschlossenen Räumen auf, was auch zu einer schlechten Vitamin-D-Versorgung beiträgt.“
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Senior Lab – weil Alter nicht gleich Alter ist
Wir leben in einer älter werdenden Gesellschaft, das hat sich inzwischen herumgesprochen. Umso überraschender ist es, dass der demographische Wandel nur wenig Berücksichtigung in der Labormedizin findet: Als Referenzwerte für Analysen dienen oft Daten jüngerer Jahrgänge – das kann zulasten der korrekten Interpretation bei Senioren führen.
Um Missverständnisse zu vermeiden, betont Prof. Dr. Biesalski jedoch: „Vitamin D ist kein Medikament, mit dem man COVID-19-Erkrankungen heilen kann. Doch man kann damit positiv auf den Krankheitsverlauf einwirken, indem es dem Organismus ermöglicht, die Balance zwischen den pro- und anti-entzündlichen Prozessen wieder herzustellen.“
Über die Nahrung sei ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel kaum zu erzielen, so Prof. Dr. Biesalski. „Reich an Vitamin D sind vor allem fetter Fisch und sonnengetrocknete Pilze. Doch das reicht nicht aus, und in Deutschland sind – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – Lebensmittel nicht angereichert.“ Auf gut Glück Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, empfiehlt der Mediziner dennoch nicht. „Im Zweifelsfall ist das zu wenig, um einen wirklich schlechten Vitamin-D-Status kurzfristig zu verbessern. Prophylaktisch sollte man sich aber viel im Freien aufhalten, auf die Ernährung achten – und spätestens bei Verdacht auf eine Infektion den Hausarzt bitten, den Vitamin-D-Spiegel zu prüfen.“
Quelle: Universität Hohenheim
30.06.2020