Computertomographie für die Kleinsten

Kinder sind die großen Ausnahmepatienten in der Röntgenbildgebung. Dennoch heiligt der Zweck unter Umständen die Mittel – in diesem Fall die hohe diagnostische Aussagekraft des Verfahrens den Einsatz von ionisierender Strahlung. Bei welchen Indikationen ist die CT im Kindesalter also gerechtfertigt? Welche Geräte und Aufnahmetechniken erfüllen die hohe Priorität des Strahlenschutzes am besten?

Prof. Dr. Karl Schneider
Prof. Dr. Karl Schneider
1 a) Vorzeitiger Verschluss der rechten Koronarnaht. Besser in der...
1 a) Vorzeitiger Verschluss der rechten Koronarnaht. Besser in der 3-D-Rekonstruktion zu sehen. 1 b) Ohne frühzeitige Operation, welche heute meist im Alter von 6 bis 24 Monaten durchgeführt wird, ist eine schwere Gesichtsfehlbildung mit einem sogenannten „Harlekin-Auge“ die Spätfolge.

Prof. Dr. Karl Schneider, Facharzt für Pädiatrie und Pädiatrische Radiologie, leitet eine der größten kinderradiologischen Abteilungen in Deutschland. Er kennt die Besonderheiten der CT-Diagnostik bei den ganz jungen Patienten.

Insgesamt 22.000 Untersuchungen im Jahr führen Prof. Schneider und sein Team in ihrer Abteilung, die zur Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München gehört, durch. „Normalerweise vermeiden wir dabei den Einsatz von Verfahren, die mit Röntgenstrahlen verbunden sind, wann immer wir können“, betont der Experte. „Der Ultraschall genießt deshalb mit knapp über 7.000 Untersuchungen einen extrem hohen Stellenwert bei unserer Arbeit.“

Dennoch finden in diesem Kinderzentrum jährlich 12.000 konventionelle Röntgenuntersuchungen, 500 Durchleuchtungen und 700 CT-Untersuchungen statt. Dass die Zahlen vor Ort doch so hoch sind, liegt daran, dass die Münchner Spezialisten auf allen drei Gebieten tätig sind, in denen radiographische bzw. CT-Verfahren in der Pädiatrie am häufigsten vorkommen: in der Pneumologie, Traumatologie und Onkologie.

Standardmäßig setzen die Münchner bei der Lungendiagnostik auf das konventionelle Röntgen. In manchen Fällen lassen sich krankhafte Befunde jedoch nicht genau einordnen. Einige schwere Lungenerkrankungen zeigen sich im Röntgenbild sogar völlig unauffällig. Dann ist die CT die einzige Alternative, um überhaupt eine Diagnose stellen zu können. „Atemartefakte stellen in der Lungenbildgebung nach wie vor ein Problem dar“, sagt Schneider. „Wir versuchen, die Aufnahme möglichst in Spontanatmung durchzuführen. Bei ganz jungen Patienten unter fünf Jahren gestaltet sich das jedoch schwierig.

Hier arbeiten wir eng mit den Kinderanästhesisten zusammen, die eine Analgosedierung geben. Dadurch kann man entweder eine kurze Ruhigstellung erreichen und die direkte Blähung der Lunge aufnehmen oder aber eine flache Spontanatmung evozieren und durch die schnelle Rotation der Röntgenröhre eine gute Bildqualität ohne störende Artefakte erzielen.“

Bei kleinen Traumapatienten stehen Verletzungen des Hirn- und Gesichtsschädels im Vordergrund. Aufgrund ihrer Körpergröße werden Kinder bei Straßenunfällen meist am Kopf verletzt, während Erwachsene eher Becken- oder Oberschenkelfrakturen erleiden. „Schädel-Hirn-Traumata“ verhalten sich in allen Altersklassen relativ gleich. Bei einer akuten Bewusstlosigkeit gilt es rasch eine Hirnblutung auszuschließen“, erläutert der Kinderradiologe. „Beim schweren Trauma des Brustkorbs überwiegen Lungenblutungen oder Gefäßeinrisse. Die Wirbelsäule spielt wegen der akuten Gefahr einer Querschnittslähmung ebenfalls eine große Rolle.

Hier stellt die CT eine gute Methode dar, um Knochensplitter im Rückenmarkskanal zu detektieren. Wirbelverletzungen beim kleinen Kind liegen darüber hinaus aus anatomischen Gründen an anderen Stellen als bei Erwachsenen.“

Der Einsatz der CT über akute Notsituationen hinaus ist selten und wird mit noch größerer Vorsicht behandelt als sonst üblich. Das gilt vor allem für die Organe im Bauchraum. Während die CT in der abdominellen Tumordiagnostik bei Erwachsenen recht häufig eingesetzt wird, beschränkt man sich bei ganz jungen Krebspatienten in 90 % der Fälle auf die Sonographie und MRT.

Um die Dosis möglichst niedrig zu halten, verfolgen wir verschiedene Strategien, erklärt Schneider: „Zunächst einmal sollte entweder nur eine Spirale gefahren werden oder eine Bildserie mit Einzelschichtaufnahmen mit High-Resolution Technik erstellt werden. Was die Aufnahmetechnik angeht, so hat es in den letzten zehn Jahren drei erhebliche Verbesserungen gegeben. Erstens, die beschleunigten Rotationszeiten der Röntgenröhre, die statt 1.000 ms nur noch 330 ms für eine 360-Grad-Umdrehung benötigt. Zweitens, die Reduktion des Röhrenstroms, die das mAs-Produkt effektiv absenkt. Und drittens, die neuartige Belichtungsautomatik beim Scanvorgang. Dabei wird sowohl in der XY-Achse als auch in der Körperlängsachse der Röhrenstrom variiert.“

Zurzeit arbeitet die Abteilung von Prof. Schneider mit einer einfachen Dosisautomatik. Das heißt, beim Planungs-CT wird die Röntgenschwächung anhand der Gewebedichte gemessen, und anschließend schlägt das System einen deutlich niedrigeren Röhrenstrom für die eigentliche Bildakquisition vor. Dadurch können zwischen 60-80 % der Dosis eingespart werden.

Weil Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen eher zylindrische Körper mit etwa gleicher Strahlenabsorption aufweisen, planen die Münchner in einem Forschungsprojekt die optimalen Scanparameter für die Röhrenleistung in den verschiedenen Lebensaltern näher zu bestimmen. Aber nicht nur der Röhrenstrom, auch die Röhrenspannung lässt sich heutzutage mithilfe eines automatischen kV-Selektionsfeatures (zurzeit nur Care kV von Siemens) an die Anatomie und Untersuchungsart anpassen. Alle anderen Scanparameter werden dann ebenfalls automatisch adaptiert. Diese Technik ist laut Prof. Schneider besonders gut bei Neugeborenen geeignet.

Ein Punkt liegt Prof. Schneider noch am Herzen: „Wir haben nachgerechnet und festgestellt, dass die Dosisanzeige an den Geräten nicht die korrekt absorbierte Dosis in den Organen anzeigt. Die aufgenommene Dosis liegt bei Kindern vermutlich wesentlich höher als bei Erwachsenen.“ Schneider und sein Team bereiten gerade eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegebene Studie vor, um die Dosis für verschiedene Altersgruppen neu zu definieren.

 

Im Profil

Prof. Dr. Karl Schneider absolvierte ein Studium der Humanmedizin an der LMU München von 1968 – 1974 und promovierte 1975. Seine Weiterbildung erfolgte in den Fächern Innere Medizin, Pädiatrie und Diagnostische Radiologie.

Schneider habilitierte 1990 und wurde zum Leiter der Abteilung Pädiatrische Radiologie der LMU München ernannt. Im selben Jahr erhielt er das Neuhauser-Stipendiat des Children`s Hospital, Boston, USA.

Seine Forschungsschwerpunkte bilden der Strahlenschutz und Dosis. Auf diesem Gebiet führt er mehrere Forschungsprojekte der EU, des Bundesamtes für Strahlenschutz und des Bundesministerium für Bildung und Forschung durch. Prof. Schneider ist darüber hinaus Mitglied der Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

 

05.01.2012

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