News • Helminthen
Wurmbefall im Darm kann Virenabwehr beeinträchtigen
Eine Infektion mit parasitischen Eingeweidewürmern, sogenannten Helminthen, kann augenscheinlich dafür sorgen, dass virale Infektionen anderswo im Körper erheblich schwerwiegender verlaufen. Das zeigt eine Studie unter Federführung der Universitäten Kapstadt und Bonn.
Demnach entwickelten Helminthen-befallene Mäuse nach einer Infektion mit Genital-Herpesviren deutlich gravierendere Symptome. Die Forschenden vermuten, dass sich diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen. Die Ergebnisse sind jetzt in der Zeitschrift Cell Host & Microbe erschienen.
In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara sind sowohl Wurminfektionen als auch sexuell übertragene Viruserkrankungen äußerst häufig. Die viralen Infekte verlaufen zudem oft besonders schwerwiegend. Möglicherweise hängen diese Befunde zusammen. Diesen Schluss legen zumindest die aktuellen Befunde aus Mäusen nahe.
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler haben untersucht, wie sich in den Tieren ein Befall mit Helminthen auf den Verlauf einer Infektion des weiblichen Genitaltrakts mit Herpes simplex-Viren auswirkt. „Die Ergebnisse haben uns in ihrer Deutlichkeit selbst überrascht“, erklärt Prof. Dr. William Horsnell vom Institut für Infektionserkrankungen und molekulare Medizin der Universität Kapstadt: „Genitalherpes-Erkrankungen gehen oft mit Vernarbungen der Vagina einher, sogenannten Nekrosen. Diese gravierende Symptomatik kam in unserer Studie nach einem Helminthen-Befall doppelt so häufig vor wie normal.“
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Parasiten & Co. – was sieht der Radiologe?
Ein Sonnenbrand und schöne Erinnerungen sind nicht immer das Einzige, was man aus dem Urlaub mit nach Hause bringt. Bisweilen sind auf der Rückreise Parasiten, Pilze, Viren oder Bakterien aus fernen Regionen mit an Bord, die sich später beim Patienten unangenehm bemerkbar machen und zum Teil sehr gefährlich werden können.
Es handelt sich [...] um eine Fernwirkung der Helminthen-Infektion, die vorher nicht bekannt war
Laura Layland
Der Befund ist auch deshalb erstaunlich, weil die Würmer selbst nie die Vagina befallen. Es handelt sich um Parasiten, die mit der Nahrung oder durch die Haut aufgenommen werden und schließlich in den Darm wandern. „Es handelt sich also um eine Fernwirkung der Helminthen-Infektion, die vorher nicht bekannt war“, erklärt Dr. Laura Layland vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn.
Die Forschenden konnten zeigen, dass für die Nekrotisierung eine bestimmte Gruppe von Immunzellen verantwortlich ist, die eosinophilen Granulozyten. Dabei handelt es sich um weiße Blutkörperchen, die auf die Bekämpfung von Würmern und anderen Parasiten spezialisiert sind. Als Waffe dienen ihnen zellzersetzende Enzyme, die sie in ihrem Innern mit sich herumtragen. Diese liegen aber nicht frei vor - dazu sind sie zu gefährlich. Stattdessen sind sie in so genannte Granula verpackt (daher auch der Name „Granulozyten“). Bei Kontakt mit einem Parasiten schleusen die Zellen diese Granula nach außen, wo sie ihre tödliche Fracht freisetzen. „In unserem Fall sorgt der Wurmbefall im Darm aber dafür, dass sich bei einer gleichzeitigen Genitalherpes-Infektion eosinophile Granulozyten im weiblichen Genitaltrakt ansammeln“, betont Horsnell. „Sie schütten dann dort ihre zellschädigenden Enzyme aus, obwohl gar keine Helminthen vorhanden sind. Und diese fehlgeleitete Immunreaktion ist es, die zu den schwerwiegenden Schäden in der Schleimhaut der Vagina führt, die wir beobachtet haben.“
Eine wichtige Rolle scheint bei diesem Prozess ein bestimmter Immunbotenstoff zu spielen, das Interleukin-33. Es sorgt indirekt für die beschleunigte Heranreifung der Granulozyten in der Vagina. „Wir haben IL-33 mit einem speziellen Wirkstoff gehemmt“, erklärt Horsnell. „Die Mäuse entwickelten daraufhin deutlich geringere Gewebsschäden im Genitaltrakt.“ Die Wissenschaftler suchen nun nach möglichen Medikamenten, die auch für den Einsatz im Menschen geeignet sind und die sich kostengünstig herstellen lassen.
Quelle: Universitätsklinikum Bonn
16.04.2021