Artikel • Nosokomiale Infektionen bekämpfen
Staphylococcus-POCT in der Notaufnahme
Menschen, die mit Staphylokokken besiedelt sind, haben ein erhöhtes Risiko während eines Krankenhausaufenthaltes eine nosokomiale – eine im Krankenhaus erworbene – Infektion zu entwickeln, deren Ursprung im endogenen – im patienteneigenen – Erregerreservoir liegt.
Bericht: Walter Depner
Besiedelungen mit Staphylokokken sind häufig: 20-30% der gesunden Bevölkerung sind mit Methicillin sensiblen Staphylococcus aureus (MSSA), 2-3% mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) besiedelt. Das berichten Martin Möckel und Dorothee Riedlinger vom Notfall- und Akutmedizin Campus Virchow-Klinikum/Campus Charité Mitte in Berlin.
Zahlen zur Häufigkeit nosokomialer Infektionen basieren auf Schätzungen: für die EU werden 2,6 Millionen nosokomiale Infektionen im Jahr, für Deutschland 400.000 bis 600.000 angegeben. Das Auftreten nosokomialer Infektionen führt zu verlängerten Krankenhausaufenthalten und zu Therapien auf Intensivstationen sowie zu europaweit jährlich circa 90.000 Todesfällen.
Notaufnahmen sind für Patientinnen und Patienten, die akut erkrankt sind, die Eintrittsstelle in das Krankenhaus. Für die Notaufnahmepopulation ist die Prävalenz von Staphylokokken-Besiedelungen nicht bekannt. Neben der Akuttherapie können in der Notaufnahme auch präventive Maßnahmen eingeleitet und so eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung erzielt werden. Basierend auf dieser Hypothese wurde untersucht, ob ein Krankenhauseingangsscreening auf eine Besiedelung des Nasen-Rachen-Raums mit Staphylococcus aureus mit einem Point-of-Care-System in der Notaufnahme machbar ist.
Das pflegerische Notaufnahmepersonal entnahm einen Nasen-Rachen-Abstrich bei allen Patientinnen und Patienten, die sich zu einer Behandlung in unserer großen innerstädtischen Notaufnahme vorstellten, unabhängig davon, ob es sich um ambulante oder stationäre Behandlungen handelte. Bei 102 aufeinanderfolgenden, unselektionierten Fällen wurde eine Messung auf dem POCT-System durchgeführt. (Die Messungen erfolgten mit einem Prototyp des MSSA/MRSA-assay des cobas LIAT-Systems der Firma Roche.) In 26,4% der Untersuchungen wurde die Besiedelung mit einem MSSA nachgewiesen, in 3 Proben war die Testung auf MRSA positiv. Nur in einem Fall war eine MRSA-Besiedelung vorbeschrieben. Die Untersuchung konnte ohne Zeitverzug in den Aufnahmeprozess der internistischen Notaufnahme integriert werden.
In einem zweiten Schritt wurden bei 1000 aufeinanderfolgenden Patientinnen und Patienten ein Nasen-Rachen-Abstrich entnommen und die Risikofaktoren des Robert-Koch-Instituts für eine MRSA-Besiedelung erhoben. In dieser Kohorte waren 30,4% der Patientinnen und Patienten mit MSSA, 2,7% mit MRSA besiedelt. Ein anamnestisch erhöhtes Risiko für eine MRSA-Besiedelung, die eine routinemäßige Abstrichuntersuchung bedingen würde, hatten von diesen Gruppen lediglich 26,1%, respektive 59,3% der Untersuchten.
Diese Untersuchung zeigen, dass im Notaufnahmekollektiv eine ähnlich hohe Prävalenz von Staphylokokken-Besiedelungen vorliegt, wie vorbeschrieben, und geben einen Hinweis darauf, dass frühzeitige Screening-Untersuchungen im Rahmen der Akutversorgung durch einfach zu bedienende und schnelle Tests möglich sind.
Da die bestehenden Faktoren zur Risikoermittlung nur einen Teil der besiedelten Patientinnen und Patienten erfassen, scheinen andere Kriterien für eine Screening-Untersuchung sinnvoll. Eine Möglichkeit ist, dass bestimmte Erkrankungen und Therapien, die ihrerseits mit einem erhöhten Risiko nosokomialer Infektionen verbunden sind – wie invasive Beatmung, Notfall-Operationen oder schwere Infektionen – ein Screening und nachfolgend spezifische Maßnahmen wie z. B. eine Dekolonisationsbehandlung einleiten. In weiteren Analysen muss ermittelt werden, welche Patientenkollektive sinnvollerweise ein frühzeitiges Screening erfahren, und Studien sind notwendig, die den Nutzen präventiver Maßnahmen wie z. B. Dekolonisationsbehandlungen für Reduktion nosokomialer Infektionen belegen.
Das Ziel ist, durch frühzeitige spezifische Präventionsmaßnahmen die Häufigkeit nosokomialer Infektionen zu reduzieren.
Profile:
Prof. Dr. Martin Möckel ist Ärztlicher Leiter Notfallmedizin/zentrale Notaufnahmen und Chest Pain Units Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum in Berlin. Zudem ist er Adjunct Professor an der australischen James Cook University, School of Public Health and Epidemiology in Townsville. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Biomarkern in der Akut- und Notfallmedizin. Er hat mehrere multizentrische Studien geleitet. Möckel gehört der Biomarker-Kerngrupper der Acute Cardiovascular Care Association an und ist 2019 Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin.
Dorothee Riedlinger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Notaufnahmen Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum.
25.09.2019