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News • Studie zeigt Schutz vor Sarkopenie
Speiseröhrenkrebs: Robotische OP erhöht Heilungschancen
Bei der operativen Entfernung der Speiseröhre bei Patienten mit Speiseröhrenkrebs hat die Wahl der Operationsmethode entscheidenden Einfluss darauf, ob es nach der OP zu einem übermäßigen Rückgang der Muskelmasse (Sarkopenie) kommt.
Ein roboterassistierter minimalinvasiver Eingriff senkt das Sarkopenie-Risiko verglichen mit einer offenen Operation erheblich, mit potentiellen Vorteilen für das Überleben und einen komplikationsarmen Verlauf nach der Operation. Diesen Zusammenhang konnten Forschende der Hochschulmedizin Dresden und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) nun erstmals zeigen. Die Ergebnisse sind im Journal of Thoracic Oncology veröffentlicht.
Das Ergebnis hat hohe klinische Relevanz, da sich ein übermäßiger Verlust an Skelettmuskulatur in den ersten Monaten nach der Operation nachweislich negativ auf das Langzeitüberleben und das Rückfallrisiko der Patientinnen und Patienten auswirkt
Johanna Kirchberg
Während bei der offenen Operation Brust- und Bauchraum eröffnet werden müssen, kommt die roboterassistierte minimalinvasive Operation mit kleinen Schnitten aus. Durch sie werden sehr bewegliche Instrumente eingeführt, die der Chirurg über Roboterarme äußerst präzise steuern kann. „Das führt zu geringeren Gewebeschäden durch die Operation und entsprechend weniger Entzündungsreaktionen. Patienten haben weniger Schmerzen, sind früher wieder mobil und können besser Nahrung aufnehmen. All dies dürften Gründe für das geringere Sarkopenie-Risiko nach minimalinvasivem Eingriff sein“, erklärt Erstautor Dr. Felix Merboth von der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie (VTG) des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden. „Ideal ist es, wenn die innovative OP-Methode bereits vor dem Eingriff mit einer vorbeugenden Ernährungs-, Bewegungs- und psychologischen Therapie gegen Sarkopenie kombiniert wird.“
Speiseröhrenkrebs ist weltweit die sechsthäufigste krebsbedingte Todesursache. Bei lokal begrenztem Tumor ist die operative Entfernung der Speiseröhre (Ösophagektomie), häufig in Kombination mit Chemo- und Strahlentherapie, der entscheidende Faktor für eine mögliche Heilung. Ein negativer Faktor für den weiteren Behandlungsverlauf ist ein übermäßiger Rückgang der für die aktiven Körperbewegungen zuständigen Muskulatur. Ein Dresdner Forschungsteam konnte nun erstmals in einer Studie zeigen, dass es in den ersten sechs Monaten nach roboterassistiertem minimalinvasivem Eingriff zu einem erheblich geringeren Muskelmasseverlust kommt als nach einer offenen Operation. „Das Ergebnis hat hohe klinische Relevanz, da sich ein übermäßiger Verlust an Skelettmuskulatur in den ersten Monaten nach der Operation nachweislich negativ auf das Langzeitüberleben und das Rückfallrisiko der Patientinnen und Patienten auswirkt“, erklärt Studienleiterin Dr. Johanna Kirchberg von der VTG-Klinik des Uniklinikums Dresden. „Unsere Untersuchung belegt erstmalig, dass die Wahl der Operationsmethode der entscheidende Faktor dafür ist, ob sich nach der OP eine Sarkopenie herausbildet. Wir konnten zusammen mit unseren Kollegen der Radiologie erstmalig diesen bislang unbekannten Vorteil der robotischen Operationsmethode nachweisen.“
© Uniklinikum Dresden/Kirsten Lassig
In die retrospektive Studie eingeschlossen waren 168 Patienten mit Speiseröhrenkrebs, bei denen zwischen 2013 und 2020 die Speiseröhre am Universitätsklinikum Dresden operativ entfernt wurde. Die Hälfte der Betroffenen erhielten eine offene Operation, der andere Teil einen minimalinvasiven, robotergestützten Eingriff. In 540 Computertomographie-Bildern, die vor der Operation, sowie drei, sechs, neun und zwölf Monate nach der Operation routinemäßig erstellt wurden, maßen die Forschenden zwei zur Sarkopenie-Bestimmung etablierte Indikatoren – den Skelettmuskelindex (SMI) sowie die Psoasmuskeldicke im Verhältnis zur Körpergröße (PMTH).
Dabei war bei Patienten, die eine offene OP erhalten hatten, sechs Monate nach der Operation ein Rückgang der Skelettmuskelfläche bezogen auf die Körpergröße (SMI) von knapp 13% erkennbar. Bei Betroffenen, die mit der minimalinvasiven-robotischen Methode operiert worden waren, lag der prozentuale Rückgang des SMI verglichen mit dem Wert vor der Operation nur bei einem Prozent. Für den zweiten Sarkopenie-Indikator PMTH zeigten sich vergleichbare Unterschiede. Ein Rückgang des SMI gegenüber dem präoperativen Wert von mehr als neun bis zehn Prozent führt Studien zufolge zu einem schlechteren Gesamt- und krankheitsfreien Überleben.
Die nun gezeigte schützende Wirkung vor Sarkopenie ist ein weiteres wichtiges, neues Argument für diese [robotergestützte, minimalinvasive] Operationsmethode
Jürgen Weitz
Um Verzerrungen der Ergebnisse durch Unterschiede in den Patientenmerkmalen zu minimieren, erfolgte eine paarweise Zuordnung von Betroffenen beider Gruppen gemäß der Prospensity Score Methode. So wiesen anschließend beide Patientengruppen vergleichbare Merkmale hinsichtlich Alter, Body mass index (BMI), Begleiterkrankungen, präoperativer Therapie, Schweregrad der Tumorerkrankung etc. auf.
„Die robotergestützte, minimalinvasive Operationsmethode ist seit 2018 am Uniklinikum Dresden als Standard zur Entfernung der Speiseröhre etabliert. Bisherige Studien belegen, dass die innovative Methode Komplikationen reduziert und die Sterblichkeit verringert. Die nun gezeigte schützende Wirkung vor Sarkopenie ist ein weiteres wichtiges, neues Argument für diese Operationsmethode“, sagt Prof. Jürgen Weitz, Direktor der VTG-Klinik und Mitglied im Geschäftsführenden Direktorium des NCT/UCC Dresden. „Die robotergestützte minimalinvasive Methode wird deutschlandweit nicht flächendeckend, aber zunehmend in großen Zentren angeboten. Wir empfehlen Patientinnen und Patienten mit Speiseröhrenkrebs vor der Operation daher dringend, eine Zweitmeinung an einem großen Zentrum einzuholen.“
„Wir freuen uns, dass wir Patientinnen und Patienten mit Speiseröhrenkrebs die robotergestützte Schlüssellochoperation als Standard anbieten können. Diese ist mit erheblichen gesundheitlichen Vorteilen verbunden und verkürzt zudem Krankenhausaufenthalte nach der Operation deutlich“, betont Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden. Die Untersuchungen zum Einfluss der Operationsmethode auf das Sarkopenie-Risiko sollen künftig in zentrumsübergreifenden sowie internationalen Studien fortgeführt werden. Dann sollen neben der Muskelmasse auch die Muskelkraft und Stoffwechselfaktoren als Messgröße für Sarkopenie untersucht werden.
Quelle: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden
30.01.2023