Skoliose – operieren oder nicht?

Die idiopathische Skoliose ist die mit Abstand am weitesten verbreitete Form der Wirbelsäulenverkrümmung, die sich nicht auf Ursachen wie Missbildungen oder Abnutzung zurückführen lässt. Dabei ist die Wirbelsäule seitlich und in sich verschoben. Heutige Implantate auf Basis von zwei Stäben sind so stabil, dass die Wirbelsäule mit ihnen rasch und dauerhaft korrigiert werden kann, berichtet Priv.-Doz. Dr. Thomas Niemeyer, Leiter des Wirbelsäulen-Zentrums Hamburg an der Asklepios Klinik St. Georg, in der aktuellen Ausgabe der Ärztezeitschrift „medtropole“. Vorteilhaft sei eine Operation im Jugendalter.

Die Empfehlung, die idiopathische Skoliose operativ zu behandeln, hänge von verschiedenen Faktoren ab, so Niemeyer. Dazu zählen das Fortschreiten der Verkrümmung, die Vermeidung von Komplikationen für Herz und Lunge sowie Schmerzen. Aufgrund der heute erreichten chirurgischen Ergebnisse bei der idiopathischen Skoliose gilt eine operative Therapie ab Krümmungswinkeln von mehr als 40 Grad im Bereich des Beckens und 50 Grad im Bereich der Brust als geboten. Denn bei höheren Krümmungswinkeln kommt es auch nach Ende des Wachstums in aller Regel zu einem Fortschreiten. Die Operation hat drei Ziele: maximale Korrektur der Wirbelsäule mit dem bestmöglichen kosmetischen Ergebnis, hohe Sicherheit durch stabile Implantate und die Reduktion von Schmerzen. Kinder und Jugendliche mit idiopathischer Skoliose haben allerdings selten Schmerzen.

Die Operation der idiopathischen Skoliose zählt zu den größten Eingriffen der Wirbelsäulenchirurgie und wird entweder von vorne oder hinten oder kombiniert durchgeführt. Während des Eingriffs wird die Wirbelsäule so weit wie möglich manuell korrigiert. Dieser Zustand wird dann mit Schrauben oder Doppelstabsystemen fixiert. Der Korrekturfaktor liegt heute zwischen 40 und 70 Prozent. Dieses Ergebnis verändert sich nach der Operation dank stabiler Implantate nicht mehr nennenswert. Häufig gelingt so eine deutliche und kosmetisch vorteilhafte Abflachung etwa eines Rippenbuckels oder eines Lendenwulst. Der stationäre Aufenthalt beträgt in der Regel bei komplikationslosem Verlauf 10 bis 14 Tage. Nach der Wundheilung können dann erste leichte Aktivitäten beginnen.

Hintergrund
Auffällig wird die Skoliose durch zunehmende Deformierung des Rumpfes mit oder ohne Lotabweichung und, je nach Lage, der Ausbildung eines Rippenbuckels oder eines Lendenwulstes. Hinzu kommen äußerlich die Asymmetrie der Taillendreiecke und gegebenenfalls ein Schulterschiefstand. Die typischen Veränderungen treten häufig während des Wachstumsschubes der Pubertät auf und betreffen Mädchen vier Mal häufiger als Jungen.

Auf Röntgenaufnahmen lässt sich die Flexibilität von Haupt- und Nebenkrümmung bestimmen, um so Hinweise auf den Erfolg einer Korsettbehandlung oder das mögliche Ausmaß einer Operation zu erhalten. Das biologische Alter bei der Entstehung einer Skoliose ist prognostisch bedeutsam. Das Skelettalter lässt sich in der Wachstumsphase durch bestimmte Anzeichen bestimmen. Bei der idiopathischen Skoliose werden vier Typen unterschieden, je nachdem sich die Wirbelsäule im Bereich von Becken und Brust oder links und rechts neigt. Manche Form ist kosmetisch weniger auffällig und wird meist spät erkannt, da sich die Krümmungen ausbalancieren. Seit 1998 gibt es eine neue Klassifikation, die sechs Typen unterscheidet und jede mögliche Veränderung der Wirbelsäule bereits im Jugendalter einordnet. Dies ist besonders wichtig für die Eltern, wenn eine frühe Therapie geboten ist.

Die Langzeitergebnisse früher operierter Patienten mit idiopathischer Skoliose nach der Harrington-Methode mit einzelnen Stäben, Klammern und Haken sind bisher im Großen und Ganzen gut. Mit den heutigen so genannten primärstabilen Implantaten auf Basis doppelter Stäbe lassen sich Skoliosen noch effektiver aufrichten und stabilisieren. Sie haben eine noch geringere Komplikationsrate und eine kürzere Rehabilitationsphase. Zudem lässt die Korrektur der Krümmung bei Ihnen mit der Zeit kaum nach. Bei diesen Patienten sollte die Langzeitprognose sich künftig weiter verbessern, erwarten die Autoren des Artikels.
 

03.09.2010

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