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News • Feto-maternale Medizin

Rhesus-Inkompatibilität: Wirkstoff schützt das ungeborene Kind

Eine internationale klinische Studie zeigt das therapeutische Potenzial von Nipocalimab gegen fetale Anämie

Wenn die Blutgruppe einer Schwangeren nicht zu der des Fötus passt, kann dies schwerwiegende gesundheitliche Folgen für den Fötus oder das Neugeborene haben: Als Immunreaktion auf diese auch HDFN (von engl. hemolytic disease of the fetus and newborn) genannte Inkompatibilität produziert die schwangere Frau Antikörper, die die roten Blutkörperchen des Fötus angreifen. Dies kann zu einer lebensbedrohlichen Anämie beim Fötus oder beim Neugeborenen führen. Häufig sind Bluttransfusionen nach der Geburt erforderlich, in schweren Fällen auch risikobehaftete intrauterine Transfusionen des Fötus während der Schwangerschaft. Ein internationales Forschungsteam mit Wissenschaftlern der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat in der offenen klinischen Studie UNITY nun ein vielversprechendes Medikament getestet, das den Transport von mütterlichen Antikörpern über die Plazenta blockiert. Die Ergebnisse sind im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht worden

Diese Ergebnisse zeigen, dass Nipocalimab das Potenzial hat, eine schwere fetale Anämie, die eine pränatale Behandlung erfordert, zu verhindern oder zu verzögern

Ulrich Sachs

Bei UNITY handelt es sich um eine Phase-2-Studie. Dabei wird ein Medikament zum ersten Mal an Patienten überprüft, in diesem Fall das Präparat Nipocalimab. Die für den Fötus schädlichen Antikörper im Blut einer schwangeren Frau – sogenannte Alloantikörper, die auch bei Organabstoßungen nach Transplantationen eine Rolle spielen – werden über die Plazenta in den Blutkreislauf des Fötus transportiert. Dieser Transport erfolgt durch einen Rezeptor, den neonatalen kristallisierbaren Fragment-Rezeptor (FcRn). Nipocalimab ist ein Antikörper, der mit hoher Affinität an den FcRn bindet. Dies soll die transplazentare Übertragung von mütterlichen Alloantikörpern auf den Fötus verhindern. 

In der Studie zeigte sich bei den Schwangeren, die mit Nipocalimab behandelt wurden, im Vergleich zu den unbehandelten Schwangerschaften ein signifikant höherer Anteil an Lebendgeburten (92% gegenüber 38%), ein signifikanter Rückgang der intrauterinen Transfusionen (85% gegenüber 46%) und eine signifikant längere Schwangerschaftsdauer (36 Wochen und 4 Tage gegenüber 23 Wochen und 6 Tage). „Diese Ergebnisse zeigen, dass Nipocalimab das Potenzial hat, eine schwere fetale Anämie, die eine pränatale Behandlung erfordert, zu verhindern oder zu verzögern“, sagt Prof. Dr. Ulrich Sachs vom Institut für Klinische Immunologie, Transfusionsmedizin und Hämostaseologie der JLU. Zwei der 13 Patientinnen, die in diese von Johnson & Johnson unterstützten internationalen Studie eingeschlossen wurden, wurden in Gießen behandelt. 

„Die nun veröffentlichten Phase-2-Daten sind ermutigend und ebnen den Weg für die weitere Entwicklung dieser Therapie in einer größeren Phase-3-Studie“, sagt Professor Kenneth J. Moise Jr. von der University of Texas in Austin (USA), Hauptprüfer der Studie. Das wäre für die Patientinnen von großem Vorteil, denn die derzeitige Standardbehandlung ist mit einem hohen Behandlungsaufwand verbunden, insbesondere mit wiederholten intrauterinen Transfusionen, die ein Risiko für das Leben des Fötus darstellen. Nipocalimab ist derzeit das einzige therapeutische Medikament in der klinischen Entwicklung für die HDFN. „Die UNITY-Studie zeigt positive Wirksamkeits- und Sicherheitsergebnisse, die auf ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil für Nipocalimab hindeuten“, so Prof. Dr. Gregor Bein, emeritierter Professor für Transfusionsmedizin an der JLU und Mitautor der Veröffentlichung. „Wenn Nipocalimab zugelassen wird, wäre es die erste nicht-invasive Behandlungsmöglichkeit für schwangere Patientinnen mit HDFN.“ 

Die weitere klinische Entwicklung von Nipocalimab zur Behandlung von schwerer HDFN hat bereits begonnen: In eine größere randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-3-Studie mit dem Namen AZALEA werden derzeit schwangere Frauen aufgenommen, bei denen das Risiko einer schweren HDFN besteht, weil diese bereits in einer früheren Schwangerschaft aufgetreten ist. Das Ziel von AZALEA ist es, die Wirksamkeit und Sicherheit von Nipocalimab weiter zu untersuchen. Zusammen mit dem Zentrum für Pränatalmedizin und fetale Therapie (Prof. Dr. Roland Axt-Fliedner), der Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie (Dr. Rahel Schuler), der Neuropädiatrie (Prof. Dr. Bernd A. Neubauer) und dem Institut für Klinische Immunologie, Transfusionsmedizin und Hämostaseologie (Prof. Dr. Ulrich Sachs) hat sich der Standort Gießen des Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) als einziges deutsches Zentrum für diese Anschlussstudie qualifiziert. 

Auch darüber hinaus sind Prof. Sachs und Prof. Axt-Fliedner gemeinsam engagiert für die Weiterentwicklung von nicht invasiven Therapien für antikörperbedingte Schwangerschaftsstörungen. So werden sie auch an der von Johnson & Johnson durchgeführten Phase-3-Studie FREESIA 3 teilnehmen. Darin wird die Wirkung von Nipocalimab bei fetaler und neonataler alloimmuner Thrombozytopenie (FNAIT) untersucht, einer fetalen Blutungsneigung aufgrund von mütterlichen Alloantikörpern. Die JLU verfügt über eine langjährige Expertise in der Erforschung dieser Krankheit; vor zwei Jahren erhielt die Arbeitsgruppe von Prof. Sachs und Dr. Behnaz Bayat umfangreiche Mittel aus dem hessischen Förderprogramm LOEWE Exploration. 


Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen

17.08.2024

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