Nierenläsionen: Dank MRT weniger Eingriffe
Was bisher vor allem bei der Untersuchung der Prostata zum Einsatz kommt, hat gute Chancen, in wenigen Jahren auch die Abklärung von Nierenläsionen zu verbessern. Die Rede ist von der multiparametrischen MRT.
„Ideal dafür ist ein MRT-Gerät mit einer höheren Feldstärke, vorzugsweise 3 Tesla, da für die Erhebung verschiedener funktioneller Parameter eine große Signalstärke und eine hohe Geschwindigkeit unverzichtbar sind“, erläutert PD Dr. Mike Notohamiprodjo, Oberarzt im Funktionsbereich Allgemeine Radiologie des Instituts für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München.
Derzeit werden solide Nierentumoren ohne Fett unabhängig von ihrer Histologie immer operativ entfernt, denn bei mehr als 80 Prozent der Tumoren handelt es sich um ein malignes Nierenzellkarzinom. „Mit den bisherigen Methoden war es nicht möglich, Aussagen über die zelluläre Zusammensetzung der Tumoren zu treffen, sondern man hat vor allem die Morphologie, also die Größe und Lage betrachtet. Gut 10 Prozent der Tumoren sind aber gutartig, wie zum Beispiel die Onkozytome, und da eine partielle Nephrektomie mit einigen Risiken behaftet ist, versuchen wir, im Rahmen unserer Studie die Patienten herauszufiltern, die nicht unbedingt operiert werden müssen“, erklärt Dr. Notohamiprodjo den Ansatz der prospektiven Studie.
Definition von Grenzwerten zur Charakterisierung des Gewebes
Am Institut für Klinische Radiologie erheben die Radiologen deshalb seit fünf Jahren mit verschiedenen Techniken der MRT unterschiedliche funktionelle Parameter. Wichtige Indikatoren sind die Durchblutung und die Permeabilität des Gewebes. Bei der Perfusionsuntersuchung, der dynamischen, kontrastverstärkten MRT, wird mit schnellen, hochaufgelösten Frequenzen die An- und Abflutung des Kontrastmittels gemessen. Das erlaubt Rückschlüsse auf die Durchblutung des Tumors sowie seine Gut- oder Bösartigkeit. „Nierenzellkarzinome haben in der Regel eine sehr hohe Permeabilität und sind sehr gut perfundiert, ebenso wie die verschiedenen malignen Unterarten. Das weniger aggressive papilläre Nierenzellkarzinom und das Onkozytom sind hingegen weniger stark perfundiert; sie lassen sich von den aggressiveren Tumoren sicher unterscheiden“, schildert der Oberarzt. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kommt dieses Verfahren nicht infrage, stattdessen kann hier eine Diffusionsuntersuchung durchgeführt werden. Aufgrund der freien Beweglichkeit des (endogenen) Wassers kann mit Hilfe der Diffusionsmessung die Zellularität von Tumoren bestimmt werden. „Tumore, in denen die Zellen sehr dicht gepackt sind, sind meistens bösartiger als Onkozytome, die nicht so dicht gepackt sind. Durch die Erstellung von Grenzwerten können die Tumoren besser charakterisiert werden; es ist möglich, eine Trennlinie zwischen gut- und bösartigen Tumoren zu ziehen“, so der Studienleiter. Ein weiteres Verfahren der multiparametrischen MRT ist die Sauerstoffbildgebung. Mit dem BOLD-(„Blood Oxygen Level Dependent Imaging“-)Kontrast wird die Oxygenierung des Tumorgewebes im MRT gemessen.
Neue Techniken erlauben auch die MRT des Abdomens
Alle genannten Verfahren, die ihren Ursprung in der neuroradiologischen Bildgebung haben, konnten lange Zeit im Abdomen wegen der Artefakte und Atembewegungen nicht zum Einsatz kommen. Mittlerweile können neue Techniken wie die Atemtriggerung oder Postprocessing-Verfahren diese Fehler aber gut ausgleichen. Für eine BOLD-MRT braucht man noch etwa 10 bis 15 Sekunden, sodass diese Untersuchung sogar während einer Atemanhaltephase durchgeführt werden kann. Die digitale Nachbearbeitung ermöglicht es zudem, Bewegungen des Körpers auszugleichen.
München und Düsseldorf tun sich für multizentrische Studie zusammen
In München werden im Rahmen der Studie von etwa zehn operierten Patienten pro Woche ein bis zwei Patienten präoperativ mit der multiparametrischen MRT untersucht. Die bislang vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen dabei eine sehr hohe Übereinstimmung der Bilddiagnostik mit der Histologie nach der OP. Genaue Zahlen stehen laut Dr. Notohamiprodjo allerdings noch nicht zur Verfügung, schließlich befinde man sich noch in der Rekrutierungsphase der Studie. Mit etwa 60 untersuchten Patienten wird die Studie in München zur Jahresmitte abgeschlossen. Bereits jetzt werden diese Ergebnisse mit Resultaten einer Düsseldorfer Studie verglichen und die Ergebnisse werden zusammengetragen, um einen multizentrische Studie veröffentlichen zu können. Diese ist unerlässlich, wenn das Verfahren, das bislang nur bei der Prostata Routine ist, auch für die Niere klinischer Standard werden soll. Dr. Notohamiprodjo ist optimistisch, dass die multiparametrische MRT vielleicht schon in zwei Jahren dazu führt, 10 bis 20 Prozent der Patienten mit einer Nierenläsion vor einer Operation bewahren zu können, wenn mithilfe der MRT im Vorfeld nachgewiesen werden konnte, dass der Tumor gutartig ist. Davon profitieren werden dann vor allem Männer um die 50.
PROFIL
PD Dr. Mike Notohamiprodjo ist Oberarzt sowie Strahlenschutz- und Qualitätsmanagementbeauftragter des Instituts für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München. Während seines Studiums an der LMU förderte ihn die Deutsche Forschungsgesellschaft mit einem Doktorandenstipendium im Rahmen des Graduiertenkollegs „Vaskuläre Biologie in der Medizin“. Im vergangenen Jahr fand seine wissenschaftliche und fachärztliche Ausbildung ihren Abschluss mit der Habilitation und Erteilung der Lehrbefugnis sowie der Anerkennung als Facharzt für Radiologie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der funktionellen Nierenbildgebung, der muskuloskelettalen Bildgebung und der Bildgebung des Lymphsystems. Mike Notohamiprodjo ist Gründer des Doktorandenkollegs am Institut und wurde beim „ISMRM Meeting 2012“ mit dem Magna Cum Laude Merit Award ausgezeichnet.
20.01.2015