MRSA-Screening

Interview: Meike Lerner

Gerade zu stoisch wurde das Problem der MRSA-Infektionen in vielen europäischen Ländern, darunter Deutschland, in den letzten 20 Jahren ignoriert. Mit dem Ergebnis, dass die Zahl der resistenten Staphylokokken von einem Prozent im Jahr 1990 auf bis zu 25 Prozent im Jahr 2010 explodierte. Die Erkenntnis, dass durch eine Infektion Zusatzkosten von bis zu 10.000 € auf die Krankenhäuser zukommen, hat jedoch zu einem Umdenken geführt.

Achim Haecker
Achim Haecker
Achim Haecker
Achim Haecker

MRSA ist präsent und der Blick auf Länder, wie den Niederlanden, die dem Erreger frühzeitig mit sogenannten „Search & Destroy“ Strategien den Kampf angesagt haben, stärkt die Relevanz effektiver Screening-Maßnahmen. Über den derzeitigen Stand in Deutschland, die Vor- und Nachteile der einzelnen Test-Methoden und über künftige Entwicklungen sprach EUROPEAN HOSPITAL  mit Dr. Achim Haecker, Produktmanager Molekulare Diagnostik bei Roche Diagnostics GmbH.


Herr Dr. Haecker, wie ist es um das MRSA-Screening in deutschen Krankenhäusern bestellt?

Im Augenblick passiert eine Menge auf dem Gebiet. Allerdings besteht auch reichlich Nachholbedarf, denn seit MRSA auf der Bildfläche erschienen ist, konnte sich der Keim relativ ungestört ausbreiten. Zwar gibt es in Deutschland seit 1999 Leitlinien zu MRSA, die auch die Anforderungen an ein Screening beinhalten und im Sinne des Infektionsschutzgesetzes verpflichtend sind. Tatsächlich war die Umsetzung in der Vergangenheit – wahrscheinlich aufgrund mangelnder Kontrollmechanismen - jedoch nicht sehr stringent. Von Roche erhobene Daten zeigen, dass heute zwischen 70 und 80 Prozent der deutschen Krankenhäuser Screenings durchführen. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass mindestens 20 Prozent nichts unternehmen, um den Keim so früh wie möglich aufzuspüren.

Bei den „Screeninghäusern“ stellt sich zunehmend die Frage nach der Methodik der Wahl, denn wie so häufig ist Schnelligkeit ein entscheidender Faktor. Nach wie vor ist das Anlegen einer Kultur auf Blutagar der Goldstandard mit einer sehr guten Sensitivität und Spezifität. DieKultur liefert neben der Antwort auf die Frage, ob ein Keim resistent ist, auch Informationen über beispielsweise die Resistenzgene oder andere Pathogenitätsfaktoren. Nachteil des Kulturtestes: Er dauert bis zu drei Tage. Den Mikrobiologen dauerte dies zu lang, darum entwickelten sie selektive chromogene Medien, auf denen ausschließlich MRSA-Bakterien wachsen. Ein Testergebnis liegt hier innerhalb von 24-48 Stunden vor, allerdings mit einer verhältnismäßig schlechten Sensitivität: Gerade einmal bis zu 85 Prozent aller klinischen MRSA-Proben werden so detektiert.

Das derzeit schnellste Testverfahren mit gleichzeitig guter Sensitivität ist der PCR (Polymerase Chain Reaction) Test: Etwa 1,5 Stunden dauert es beispielsweise, bis der Test aus unserem Hause, der LightCycler MRSA Advanced Test, ein Ergebnis generiert.

Wie lautet die Empfehlung für ein optimales MRSA-Screening?
Der Rat vieler Mikrobiologen geht dahin, den PCR-Test in Kombination mit der Kultur anzuwenden. Gerade in Ländern mit einer hohen Prävalenz ist es entscheidend, betroffene Patienten schnell zu identifizieren und zu isolieren. Für die weitere Spezifizierung sollte dann eine Kultur angelegt werden, denn Informationen über die Pathogenitätsfaktoren liefern heutige PCR-Tests nicht.

Natürlich stellt das die kostenintensivste Variante dar. Im Rahmen der Screening-Debatte darf allerdings ein wichtiger Aspekt nicht vergessen werden: Die hauptsächlichen Kostentreiber sind nicht der Nachweis des Erregers, sondern die Behandlungskosten für nosokomiale Infektionen und die Kosten für das Hygienemanagement. Betrachten wir die nosokomialen Erreger insgesamt, so dominiert MRSA heute zwar noch. Keime wie Clostridum difficile und vor allem ESBL sind jedoch stark auf dem Vormarsch. Ein Hygienemanagement, das den Maßstäben der MRSA-Bekämpfung gerecht wird, hat auch Effekte auf diese Keime. Krankenhäuser, die sich ein effektives Screening leisten, schlagen also gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe.

Gibt es derzeit PCR-Methoden, die alle Keime nachweisen können?

Tatsächlich gibt es diese Tests bereits, zum Beispiel unser LightCycler SeptiFast Test; als Screeningmethode sind sie aufgrund der Kosten und der Dauer heute jedoch nicht geeignet. Sie finden ihren Einsatz vor allem auf der Intensivstation zur Statusbestimmung schwerkranker Sepsispatienten.

Neben der Entwicklung neuer PCR-Tests, in welche Richtung geht die Entwicklung zur Bestimmung von Keimen und Resistenzen?

Eine Entwicklung, die auch auf dem letzten europäischen Mikrobiologen-Kongresss in Wien (ECCMID) intensiv diskutiert wurde, sind die neuen und schnellen Sequenziertechnologien. Diese werden auch in der Diagnostik und Therapie resistenter Erreger in Zukunft eine große Rolle spielen. Dies ist bereits heute möglich, allerdings mangelt es an der Praktikabilität: Würden alle Gene eines Nasenabstrichs sequenziert, bekäme man eine fast unüberschaubare Menge humaner DNA, in der das Bakterium mit der Lupe gesucht werden müsste. Wir müssen also die bakterielle DNA vorab anreichern – mittels PCR-Test – und diese dann sequenzieren.

Herr Dr. Haecker, wir danken für das Gespräch.


Weitere Informationen zum Roche MRSA Test LightCycler unter www.roche.com
 

08.07.2010

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