Das Logo von Medical Taiwan, die vom 27. bis 30. Juni in Taipei stattfindet.

Artikel • Vorschau Medical Taiwan 2019

Medizinmesse zeigt Tech aus Taiwan

KI-Kliniken und Reha-Räder, Exoskelette und stylische Schutzmasken – die Gesundheitsversorgung in Taiwan hat viele Gesichter, das stellt vom 27.-30. Juni 2019 die internationale Messe Medical Taiwan erneut eindrucksvoll unter Beweis. Wir haben teilnehmende Firmen und Kliniken besucht und stellen einige der kommenden Messe-Highlights vor, die schon bald auch in Europa für frischen Wind sorgen könnten.

Bericht: Wolfgang Behrends

Von modernster Technik bis zu wichtigen Grundlagen deckt das Portfolio von Medical Taiwan alles ab, was der Inselstaat an Gesundheitsversorgung zu bieten hat. Das Land zählt zu den weltweiten Vorreitern in Sachen Technik, das schafft eine gewisse Erwartungshaltung – doch um innovative Ideen sind die Aussteller beileibe nicht verlegen.

woman with robotic exoskeleton standing next to man in business suit
Wistron wird unter anderem das "Keeogo"-Exoskelett vorstellen
Quelle: HiE/Behrends

Das zeigt schon Wistron Medical, die als OEM-Hersteller für andere Firmen produzieren. Zu den spannendsten Produkten zählt ‚BestShape‘, eine Big-Data-basierte Softwarelösung zur prädiktiven Analyse von Dialysewerten. „Arterielle Hypotonie ist eine der häufigsten und gefährlichsten Komplikationen bei Dialysepatienten“, erklärt Brian Chong, Vice President von Wistron Medical. „Mit unserem Tool können wir die plötzlich auftretenden Episoden zuverlässig vorhersagen und damit viele Leben retten.“ Die Software speist die nach HL7-Standard kodierten Daten automatisch ins KIS ein und verhindert so die bei händischer Transkription häufigen Übertragungsfehler.

Die Firma wird auf der Messe zudem das Exoskelett ‚Keeogo‘ präsentieren, das für Patienten mit krankheitsbedingter Muskelschwäche (z.B. Multiple Sklerose, Morbus Bechterew) oder als Reha-Hilfe nach einem Schlaganfall oder einer Operation entwickelt wurde. Die computer-unterstützte Orthese verstärkt mithilfe feinjustierbarer Motoren die Bewegungen des Trägers und erleichtert so alltägliche Bewegungsabläufe wie Gehen, Laufen, Treppensteigen, Hinsetzen und Aufstehen erheblich.

Preisgekröntes Mobil-EKG

Weil es sich gut transportieren lässt, eignet sich unser EKG hervorragend für die Erstversorgung

Kelly Wang

Auf der Messe werden ‚Taiwan Excellence‘-Produkte eine besondere Rolle spielen. Die Firma BriteMed zählt zu den Trägern der Auszeichnung, die in diesem Jahr für ein mobiles 12-Kanal-EKG vergeben wurde. „Weil es sich gut transportieren lässt, eignet sich unser EKG hervorragend für die Erstversorgung; selbst in entlegenen Gebieten wird damit eine präzise Kardiodiagnostik möglich“, erklärt Kelly Wang, Senior Marketing Manager von BriteMed. Dieser Aspekt wird mittlerweile auch vom taiwanischen Gesundheitsministerium gezielt gefördert, um die Bevölkerung in ländlichen Gebieten besser zu versorgen. Durch ausgefeilte Abschirmung ist das EKG gegen Schäden durch Defibrillatoren geschützt und eignet sich daher besonders für Notfall-Einsätze. Darüber hinaus wird die Firma auch ihre medizinischen Displays und Gerätewagen vorstellen.

KI hat Intensivpatienten im Blick

Während viele Experten noch rätseln, wie Blockchain sinnvoll genutzt werden kann, hat das Taipei Medical University Hospital (TMUH) die Technologie bereits in seine Abläufe integriert. Unter dem Namen iWellChain dient das System der Erstellung einer elektronischen Patientenakte, unter der alle relevanten Gesundheitsdaten gespeichert und die dann digital für verschiedene Einrichtungen zur Verfügung stehen. Die Blockchain kommt auch bei sogenannten Smart Contracts zum Einsatz, etwa zur automatisierten Abrechnung oder bei Abwicklung von Versicherungsansprüchen.

Dr. Ray Jade Chen, Superintendent des Taipei Medical University Hospital...
Dr. Ray Jade Chen, Superintendent des Taipei Medical University Hospital (TMUH), präsentiert das KI-gestützte Monitoringsystem für Intensivpatienten

Patientendaten spielen zudem im KI-gestützten Monitoring-System der TMUH eine zentrale Rolle. „Das System überwacht und evaluiert die Vitaldaten unserer Intensivpatienten rund um die Uhr“, sagt Dr. Kuo-Ching Yuan von der Intensivmedizin des Klinikums. Die klinischen Werte, Bilddaten und Diagnosen werden für Ärzte und Pflegekräfte in einer Übersicht dargestellt, so dass sie jederzeit über den Zustand der Patienten im Bilde sind. „Durch diese Technik haben wir die Qualität der Intensivversorgung erheblich verbessert“, so Yuan: „Die Reaktionszeit auf kritische Ereignisse hat sich um mehrere Minuten verkürzt, die Zahl der Blutstrom-Infektionen ist um mehr als 60% gesunken.“ Die KI-Unterstützung bewirkt kürzere Liegezeiten auf der Intensivstation und trägt zur Verringerung der Behandlungs- und Verwaltungskosten bei. Mithilfe der gesammelten Daten optimiert sich das System darüber hinaus selbst. „In Zukunft wollen wir das System auch für die Erkennung bevorstehender Risiken nutzen, beispielsweise um Bakteriämie oder Sepsis vorherzusagen.“

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Mobil, belastbar, stilsicher

Dass taiwanische Hersteller auch jenseits medizinischer High-Tech glänzen, zeigen einige der Aussteller von Medical Taiwan: Pacific Cycles stellen adaptive Fahrräder vor, die unter anderem bei der Wiedererlangung von Muskelkraft und Koordination nach einem Schlaganfall zum Einsatz kommen. Andere Modelle sind speziell für Menschen mit Zerebralparese und ähnlichen Erkrankungen konzipiert. „Wir fertigen unsere Fahrräder bei Bedarf individuell an, denn jeder Kunde hat ganz eigene Bedürfnisse und Anforderungen“, sagt Daniel Tsai, Vertriebsmitarbeiter bei Pacific Cycles. Einen Blick für entscheidende Details und hohe Belastbarkeit beweist auch die Firma Grand Tree, ein Hersteller medizinischer Halterungen und Monitorarme, der seine Produkte ebenfalls in Taipei präsentieren wird. Als Hersteller medizinischer Komponenten wird zudem QS Control Corporation vor Ort sein. Von Geräteteilen für Dialysesysteme über laparoskopische Instrumente bis hin zu orthopädischen Schrauben und Implantaten deckt das Unternehmen eine große Bandbreite an Produkten ab, die es den Messebesuchern vorstellen wird.

Den Brückenschlag zwischen Gesundheit und Modebewusstsein vollführt schließlich China Surgical Dressings (CSD). Die Firma will den – vor allem im asiatischen Raum sehr verbreiteten – Mund- und Nasenschutz neben seiner protektiven Funktion auch als modisches Accessoire etablieren: Außer für Medizinprodukte typische Farben wie Weiß und Türkis bietet CSD die Masken in vielen Trendfarben, mit Mustern oder in Jeansoptik an, eine bekannte taiwanische Pop-Sängerin trägt sie in ihrem aktuellen Musikvideo. Der Hersteller, der ansonsten OP-Kittel, medizinische Gaze und Desinfektionstücher im Portfolio hat, ist sogar eine Kooperation mit dem Modemagazin Elle eingegangen und hat eine Sonderedition ‚à la Parisienne‘ mit Eiffelturm-Aufdruck auf den Markt gebracht. In Europa sind solche Artikel bislang zwar ein eher seltener Anblick, den Geschmack des asiatischen Messepublikums dürften die ausgefallenen Masken jedoch durchaus treffen.

09.05.2019

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