Herzklappenersatz in der dritten Dimension
Uniklinik Düsseldorf setzt auf Hybridlösungen
Zu sehen gibt es derzeit nicht viel – noch wird an der Universitätsklinik Düsseldorf, Klinik für Kardiologie, Pneumoloige und Angiologie kräftig gebohrt, gehämmert und geschraubt. Das wird sich jedoch mit dem Abschluss der Bauarbeiten ändern und der Blick auf das menschliche Herz soll dann schon bald deutlicher und realistischer als je zuvor sein.
Denn was hier hinter Baugerüsten im Verborgenen liegt, ist die Basis für eine neue Art der Patientenversorgung und die eines hochambitionierten Forschungsprojektes. Das all umfassende Stichwort lautet: Hybrid.
„Mit dem Begriff verbinden wir in Düsseldorf drei Themen: Zunächst einmal den Bereich Hybrid-OP, der in unserer Interpretation die räumliche Voraussetzung umfasst, in der Mediziner verschiedener Disziplinen – Kardiologen, Gefäß- und Herzchirurgen - den Patienten gemeinsam an einem Tisch behandeln können so Dr. Jan Balzer, Oberarzt der Klink für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie und weiter: „Daraus resultiert dann in der Praxis die Hybrid-Intervention, bei der wir den Patienten dann tatsächlich auch gemeinsam behandeln. Und schließlich gibt es noch den wirklich spannenden Bereich der Hybrid-Bildgebung.“
Bei der Hybrid-Bildgebung geht es um nicht weniger, als die Zusammenführung der einzelnen Bilddaten zu einem dreidimensionalen Modell des Herzens. Grundlage bildet ein sich in der Bauphase befindlicher Hybridraum, der künftig MRT, Rotationsangiographie (XperCT), Fluoroskopie und 3D-Echokardiographie umfassen wird.
„Diese Installation ist die Grundlage für ein Forschungsprojekt, das wir gemeinsam mit der Firma Philips durchführen und bei dem es um die Entwicklung einer IT-gestützten Bildfusion der unterschiedlichen Modalitäten geht. Ziel ist es, die Vorteile jeder einzelnen Modalität zu einem Gesamtbild des Herzens zu verschmelzen. Damit können wir dann Eingriffe beispielsweise an Herzklappen schon im Vorfeld haarklein planen, um so das Risiko von Aortenklappen-Interventionen auf ein Minimum zu reduzieren. In einem nächsten Schritt kommen dann auch hämodynamische Messdaten im Ausflusstrakt des linken Ventrikels, wie auch EKG-Daten ins Spiel“, so Balzer.
Die exakte Darstellung des Herzens und der Klappenstrukturen vor und während der Durchführung von Aortenklappen-Interventionen gewinnt zunehmend an Bedeutung, denn Herzpatienten werden immer älter. Die meisten leiden unter vielen Begleiterkrankungen, die eine Operation erschweren oder unmöglich machen. So kann beispielsweise die Planung eines transfemoralen oder transapikalen Kathetereingriffs bei älteren, multimorbiden Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose sehr aufwändig werden: Mit CT lässt sich die Anatomie des Ausflusstraktes gut darstellen, mit transthorakaler und transösophageale live 3D-Echokardiographie bekommt man einen Überblick über die Morphologie der Herzklappe. Mittels der Angiographie werden Details über die Herzkrankarterien sichtbar, und mittels kardailar Kernspintomographie wird eine Evaluation der Ventrikelfunktionen durchgeführt. Könnte man zukünftig all diese wichtigen Informationen gleichzeitig in einem 3D-Herzmodell zusammenfassen, wäre dies ein großer Vorteil. Mithilfe der dreidimensionalen Hybrid-Bildgebung, ließe sich das individuelle Risikoprofil eines jeden Patienten im therapeutischen Vorfeld sehr viel schneller und noch optimaler planen – und zwar an der individuellen Herz-Darstellung des jeweiligen Patienten.
Mit den Vorteilen der dreidimensionalen Darstellung hat das Team um Jan Balzerbereits Erfahrung: Sie war eines der ersten Herzzentren in Europa, dass die 2007 auf den Markt gebrachte neuartige live 3D-Echokardiographie von Philips in Form einer Schlucksonde zur Anwendung brachte – und auch interventionell einsetzte. Denn nicht nur in der Diagnostik, sondern auch in der Therapie bietet diese 3D Technologie wesentliche Vorteile, z.B. bei der Darstellung der Klappenstruktur. Dank dieser Bildgebungstechnik wird das Herz nicht nur dreidimensional, sondern auch in Echtzeit dargestellt und man erhält einen idealen Überblick über das Interventionsareal. Mittlerweile ist die transösophageale live 3D-Sonde bei minimalinvasiven Eingriffen nicht mehr wegzudenken. Mitralklappen-Interventionen, perkutane ASD- oder PFO-Verschlüsse können mit dem Verfahren wesentlich präziser gesteuert werden. „Es hat sich in mehreren Studien herausgestellt, dass sich durch die 3D-Sonde sowohl die Komplikationsrate als auch die Untersuchungszeiten deutlich verringern“, erläutert der in der 3D-Echokardiographie erfahrene Balzer „Darüber hinaus brauchen wir weniger Röntgenstrahlen beim Einsatz der 3D-Echokardiographie, was vor allem Schwangeren und Kindern zu Gute kommt. Das Potential der dreidimensionalen transösophagealen Echokardiographie in der Herz-Thorax-Chirurgie ist noch lange nicht ausgeschöpft.“
Diese bereits heute verfügbare live 3D-Technologie und der enorme Fortschritt der bildgebenden Technologien bildet eine maßgebliche Grundlage zur Entwicklung individueller anatomischer Organmodelle. Im Düsseldorfer Forschungsprojekt arbeiten die Entwickler an einer Software, die es ermöglicht, aus Datensätzen der kardialen Kernspintomographie, Rotationsangiographie (XperCT), Fluoroskopie und 3D-Echokardiographie simultan eine fusionierte „4-dimensionale“ Bildgebung in einem patientenspezifischen Herzmodell zu erstellen. Dabei werden komplexe Bilderkennungsverfahren zur Ortung vorher definierter Orientierungspunkte und Erkennung der Grenzen zwischen unterschiedlichen Gewebearten verwendet. Diese neuartige hybride Bildgebung könnte im Zuge des Forschungsprojektes in den nächsten fünf Jahren Realität werden. Als langfristiges Ziel setzen sich die Düsseldorfer Mediziner auch eine zusätzliche Integration molekularer Bildinformationen, um auch das so genannte „molecular imaging“ in die hybride Bildgebung einzubinden.
Bildquelle: Philips Healthcare
20.08.2010
- Angiographie (64)
- Bildgebung (1104)
- CT (473)
- Interventionelle Radiologie (123)
- Kardiologie (510)
- Katheter (71)
- MRT (618)
- Thorax (89)
- Ultraschall (325)