News • Herzbericht 2017
Herzchirurgie in Deutschland weiter auf hohem Niveau
Die bundesweite herzchirurgische Versorgung zeigt unverändert ein hohes Qualitätsniveau. Das bestätigen die Zahlen, Daten und Fakten des neuen Deutschen Herzberichtes 2017, vorgestellt am 17. Januar 2018 in Berlin.
Die rund 1.000 in Deutschland tätigen Herzchirurgen führten im Jahr 2016 insgesamt 184.789 Herzoperationen durch, wovon 12,4 Prozent der Patienten als Notfälle operiert werden mussten. Insbesondere der Anstieg des Lebensalters, sowie die mit höherem Lebensalter einhergehenden vielfältigen Begleiterkrankungen der herzchirurgischen Patienten, stellen die Herzchirurgen vor immer neue Herausforderungen, denen die Herzmediziner mit der Entwicklung innovativer Operationsverfahren und -techniken begegnen. „Die nachweisbare Verbesserung der Lebenserwartung wie auch der Lebensqualität steht neben der Patientensicherheit im herzchirurgischen Fokus“, erklärt Privatdozent Dr. Harringer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie. „Die flächendeckend herzchirurgische Vollversorgung ist mit den 78 etablierten herzchirurgischen Fachabteilungen bundesweit gesichert.“
Lebensalter der herzchirurgischen Patienten steigt; Prävalenz bei Männern höher
Trotz Anstieg des Lebensalters der herzchirurgischen Patienten, bleibt die Überlebensrate nahezu konstant bei ca. 97 Prozent. Aus der Gruppe der über 65-Jährigen kommt bundesweit der größte Teil der Herzpatienten. Im Jahr 2016 waren 37,1 Prozent der herzchirurgischen Patienten 70-79 Jahre alt und 15,7 Prozent 80 Jahre und älter. „Wir beobachten diesen kontinuierlichen Anstieg von Patienten höheren Alters bereits seit 1990“, so PD Dr. Harringer. „Unabhängig vom Alter ist bei den Herzpatienten generell festzustellen, dass die Prävalenz bei Männern höher ist als bei Frauen. Rund Zweidrittel aller herzchirurgischen Patienten sind Männer.“
Als ein wesentlicher Faktor der Patientenversorgung in der Herzmedizin ist das Herz-Team-Konzept, welches in zahlreichen nationalen und internationalen Leitlinien explizit ausgewiesen wird. „Zur Realisierung der bestmöglichen Patientensicherheit und patientenindividuellen Empfehlungen geeigneter Therapieverfahren, ist die verbindlich strukturierte Zusammenarbeit im Herz-Team obligat“, erklärt PD Dr. Harringer. Die stets aktualisierte Nationale Versorgungsrichtlinie „chronische Koronare Herzkrankheit“ (2016), die europäische „Guidelines on myocardial revascularisation“ von ESC und EACTS (2014) sowie die jüngst publizierte „ESC/EATCS Guidelines on the management of valvular heart disease“ (2017), empfehlen bzw. konkretisieren bei den verschiedentlichen Herzerkrankungen die Konsensfindung im interdisziplinären Herz-Team.
Marginaler Rückgang der Bypass-Operationen
Abhängig vom Schweregrad und der Stenose-Lokalisation kann bei Patienten jeglichen Alters mit einer Bypass-Operation die Durchblutung des Herzmuskels wieder verbessert werden
Wolfgang Harringer
Aus den zuvor genannten Leitlinien zur koronaren Herzkrankheit besteht bei einer koronaren 3-Gefäßerkrankung bzw. komplexen Verengungen der Herzkranzgefäße und/oder einer Verengung der großen Herzkrangefäße im Ursprungsteil, der sogenannten Hauptstammstenose, eine klare Indikation für die Koronar-Bypass-Operation. Im Jahr 2016 wurden bundesweit 50.114 isolierte und kombinierte Bypass-Operationen durchgeführt (2015: 51.941). „Für die Bypass-Operation gibt es prinzipiell kein Patienten-Höchstalter“, betont PD Dr. Harringer. „Abhängig vom Schweregrad und der Stenose-Lokalisation kann bei Patienten jeglichen Alters mit einer Bypass-Operation die Durchblutung des Herzmuskels wieder verbessert werden.“
Auch in dieser Gruppe von Patienten hat der Anteil der über 70-Jährigen über die vergangenen Jahre kontinuierlich zugenommen. Im vergangenen Jahr waren ca. 46,7 Prozent der Bypass-Patienten 70 Jahre und älter, wobei der Männeranteil mit 77 Prozent deutlich höher als der Frauenanteil (23 Prozent) war und somit nur jede vierte Bypass-Patientin weiblich war.
Das patientenindividuelle Versorgungskonzept der Bypass-Operation bei der Koronaren Herzkrankheit sollte stets gemäß aktuell geltender nationaler und internationaler Leitlinien im Herz-Team erörtert und abgestimmt werden, um dem Patienten eine konsentierte Empfehlung zu geben. Die allerhäufigste Ursache der KHK ist die Arterienverkalkung, die mit fortschreitendem Krankheitsverlauf zu gravierenden Gefäßverengungen bis hin zu Verschlüssen gehen kann, und dadurch zu einer Sauerstoff-Mangelversorgung des Herzens führt.
Nach der Koronar-Bypass-Chirurgie gehört insbesondere die Herzklappenchirurgie in Deutschland zu den häufigsten herzchirurgischen Eingriffen. Im Jahr 2016 erfolgten insgesamt 33.451 Eingriffe an Herzklappen, davon 65,4 Prozent unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Zu den häufigsten, oft altersbedingt auftretenden Herzklappenerkrankungen, die herzchirurgische Operationen erfordern, gehören die Aortenklappenstenose (Verengung der Aortenklappe) und die Mitralklappeninsuffizienz (Undichtigkeit der Mitralklappe). Die Anzahl der konventionellen Aortenklappen-Operationen fiel von 11.183 im Jahr 2015 auf 10.879 Eingriffe im Jahr 2016. Bei Notwendigkeit eines Aortenklappenersatzes wurden in 89 Prozent der Fälle biologische Prothesen implantiert. Bei den isolierten Mitralklappen-Operationen wurde mit 6.217 isolierten Mitralklappen-Operationen (2015: 6.027) auch im Jahr 2016 möglichst der kurative Ansatz fortgesetzt: Die patienteneigene Mitralklappe konnte bei ca. zwei Drittel (62,9 Prozent) aller Operationen rekonstruiert und in ihrer Funktion wiederhergestellt werden. In 37,1 Prozent war häufig aus patientenindividuellen Gründen der Einsatz einer biologischen oder mechanischen Mitralklappen-Prothese notwendig.
Für bestimmte Hochrisiko- und multimorbide Patienten mit komplexen Begleiterkrankungen können minimalinvasive kathetergestützte Techniken (TAVI und Mitral Clip) eine schonende Alternative zu den konventionellen Operationen sein. Die Zahl der kathetergestützten Aortenklappenimplantationen (TAVI), die zwingend von einem interdisziplinären Herz-Team durchzuführen sind, überstiegen im Jahr 2016 mit 17.097 Interventionen deutlich die Anzahl konventioneller Aortenklappenoperationen (10.961 Eingriffe). Die kathetergestützte Aortenklappenimplantation und die transvenöse Clip-Rekonstruktion der Mitralklappe unterliegen in Deutschland durch die „Richtlinie minimalinvasive Herzklappeninterventionen“ des Gemeinsamen Bundesausschusses besonderen obligaten Personal-, Prozess- und Infrastruktur-Vorgaben. Hierzu zählt auch die interdisziplinäre Konsensfindung im Herz-Team.
Organtransplantation: Weiterhin zu wenig Spender für Herz und Lunge
50 Jahre nach der ersten Herztransplantation zeichnet sich auch weiterhin ein gravierender Mangel an Spenderherzen und Spenderlungen ab. „Auch wenn im Vergleich zum Jahr 2015 ein Unterschied von 11 Herztransplantationen auf insgesamt 297 (Rekordtiefjahr 2015: 286) zu verzeichnen ist, so kann dies bei weitem nicht den seit Jahren bestehenden Mangel an Spenderherzen decken“, erklärt PD Dr. Harringer. „Bereits seit 10 Jahren liegt die jährliche Zahl der in Deutschland durchgeführten Herztransplantationen unter 400.“ Primär benötigen schwer herzkranke Patienten in der Altersgruppe von 50 bis 59 Jahren ein neues funktionsfähiges Organ, gefolgt von den 60-69-Jährigen. Männer sind ca. drei Mal häufiger betroffen als Frauen. „Die 3-Jahres-Überlebens-Chance nach einer Transplantation liegt bei ca. 70 Prozent“, erklärt PD Dr. Harringer. „Nach wie vor gibt es trotz innovativen und technologischen Entwicklungen bis heute keinen adäquaten Ersatz für das menschliche Herz.“
Zur Überbrückung der monate- oder gar jahrelangen Wartezeit auf ein geeignetes Spenderorgan oder für bestimmte Patienten auch als dauerhafte Alternative, können sogenannte mechanische Herzunterstützungssysteme implantiert werden, die das schwache Herzen unterstützen, indem sie das Blut durch den Körper pumpen, um damit der Kreislauf des Patienten aufrecht zu erhalten. Da bei vielen dieser terminal herzkranken Patienten Herzunterstützungssysteme zum Einsatz kommen, stieg erneut im Jahr 2016 die Anzahl implantierter Herzunterstützungssysteme in der Summe auf insgesamt 1.202 (2015: 947) an; 20 implantierte sogenannte Kunstherzen eingerechnet. „Organtransplantationen retten Leben. Patienten, die auf ein Spenderherz warten, sind stets lebensbedrohlich erkrankt und schwerst-herzkrank. Daher richten auch wir Herzchirurgen einen dringenden Appell und unsere Bitte an die Bevölkerung, die Organspende u.a. durch Spendebereitschaft zu unterstützen“, betont PD Dr. Harringer.
Quelle: DGTHG
18.01.2018